Ökologien zum Anfassen. 6. bis 7. April 2022

Die New Materialisms zwischen Kunst, Wissenschaft und Religion. Interdisziplinärer Workshop am Institut für Geschichte und Theorie der Kunst.

Über den Workshop
Spekulationen um neue Ökologiegefüge zwischen Menschen, anderen Spezies und anorganischen Entitäten durch den Einsatz der Technologie sind längst nicht mehr nur Bestandteile verschiedener Science-Fiction-Medien. Vielmehr fungieren sie zunehmend als Modelle für potenziell realisierbare Zukunftsentwürfe in der posthumanistisch-neomaterialistischen Philosophie, die seit den frühen 2000er Jahren unter dem Sammelbegriff New Materialisms stark an Popularität gewonnen hat. Wichtige Paradigmen dieser heterogenen Philosophiebewegung sind eine Überwindung des Anthropozentrismus sowie der Natur-Kultur-Dichotomie, insbesondere durch eine Neuformulierung und Neubewertung des Konzepts der Materie. Diese wird hier nicht als passive sekundäre Masse, sondern, wie z.B. in Barads Konzept der Intra-Aktionen (Barad, Posthuman Performativity, 2005), als etwas sich Entwickelndes, Kreatives und als grundlegende Agency (Handlungs- oder Wirkmacht) in sozialen und ökologischen Netzwerken verstanden. Durch die Betonung der Technologie erscheinen viele Positionen der New Materialisms einerseits stark wissenschafts- und technikorientiert. Anderseits referieren sie ebenso auf mythische und religiöse Paradigmen und besitzen eine starke Tendenz zu (neo-)holistischen Weltentwürfen (z.B. Bennet, Vibrant Matter, 2010 oder Haraway, Staying with the Trouble, 2016).

Seit den späten 1990er Jahren setzen sich auch diverse Künstler:innen wie Eduardo Kac, Špela Petrič, Maja Smrekar oder Pierre Huyghe mit neuen Ökologiegefügen vor dem Hintergrund der neomaterialistischen Philosophie auseinander und versuchen mit ihren Projekten aktiv an aktuellen ökopolitischen Diskursen um die Schaffung neuer materiell fundierter Netzwerke zu partizipieren. Ähnlich wie bei den New Materialisms spielen auch hier das schöpferische Potenzial und die Agency der Materie eine zentrale Rolle. Anders als in philosophischen Abhandlungen beschäftigen sich die Künstler:innen jedoch nicht ausschließlich mit den Konzepten von Materia, sondern arbeiten gleichermaßen mit dieser. Dabei verwenden sie technologische Errungenschaften auf neuartige Weise und in veränderten Kontexten, um so modifizierte Objekte, Körper und Netzwerke im Rahmen der Kunstinstitution zu schaffen und diese für ihre Rezipient:innen durch künstlerische Inszenierungsstrategien als Ökologien zum Anfassen sinnlich begreifbar und erlebbar zu machen. Dies kann unter der Verwendung von historisch-etablierten künstlerischen Medien, Materialien, Praktiken und Techniken von der Malerei bis zu den Textilkünsten ebenso wie von Neuen Medien und High-Technologien wie der Gentechnik und AI geschehen.

Der interdisziplinäre Workshop macht es sich zur Aufgabe, diese künstlerischen Ökologien zum Anfassen vor dem Hintergrund der neomaterialistischen Philosophie sowie gesellschaftlichen, ökologischen und historischen Diskursen zu untersuchen. Er richtet sich an Studierende ebenso wie an erfahrene Wissenschaftler:innen und Künstler:innen. Das Zusammenführen von kunstwissenschaftlichen, künstlerischen und philosophischen Perspektiven soll einen regen Austausch und umfangreichen interdisziplinären Blick auf die vielfältigen Facetten der New Materialisms und Ökologien zum Anfassen ermöglichen.

Mittwoch 6. April 2022 (KU Linz, Hörsaal 5/online - Hybridmodus)

  • 18:00 – 20:00 Uhr
    Evening Lecture/Impulsvortrag
    Future Biology: Creativity Expands from Earth to Space
    Yoko Shimizu (Ars Electronica Center) ... mehr

Donnerstag 7. April 2022 (KU Linz, Hörsaal 5/online - Hybridmodus)

  • 9:00 – 9:30 Uhr
    Begrüßung und Einführung
    Monika Leisch-Kiesl und Kerstin Borchhardt (KU Linz)
  • 9:30 – 10:30 Uhr
    Keynote Philosophie

    Wie ist die Natur Teil des Schematismus? Ein Versuch, Kant neomaterialistisch zu lesen
    Aloisia Moser (KU Linz)

  • 10:30 – 11:00 Uhr
    Kaffeepause
  • 11:00 – 12:00 Uhr
    Keynote Kunst
    Cosmic Sediments
    Hanako Geierhos (UFG - Kunstuniversität Linz)
  • 12:00 – 13:00 Uhr
    Keynote Kunstwissenschaft
    Stammzellen, Soma und Schimmel: Zur Materialität und Abjektion in der Medienkunst
    Kerstin Borchhardt (KU Linz)
  • 13:00 – 14:30 Uhr
    Mittagspause
  • 14:30 – 17:00 Uhr
    Graduierten-Präsentationen
    Nicolas Rueda Blanco (UFG - Kunstuniversität Linz)
    Lukas Kuhl (UFG - Kunstuniversität Linz)
    Katherine Romero Martinez (UFG - Kunstuniversität Linz)
    Dominik Harrer (KU Linz)
  • 17:00 – 17:30 Uhr
    Kaffeepause
  • 17:30 – 18:30 Uhr
    Abschlussdiskussion und Apéro

Anmeldung
Der ganztägige Workshop am Donnerstag, dem 7. April 2022 findet im Hybridmodus (Präsenz und via Zoom) im Hörsaal 5 der KU Linz statt. Um Anmeldung (bis zum 4. April 2022) wird gebeten unter: k.borchhardt[at]ku-linz.at

Folder zum Workshop

Die Veranstaltung wird am Mittwoch, dem 6. April 2022 um 18:00 Uhr durch den Impulsvortrag "Future Biology: Creativity Expands from Earth to Space" von der Künstlerin und Forscherin Yoko Shimizu (Ars Electronica Center, Linz) im Hybridmodus (Hörsaal 5 / Zoom) eingeleitet. Weitere Informationen zum Vortrag finden Sie hier.

Folder zum Impulsvortrag

Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie online oder live und am gesamten Workshop oder ausschließlich am Impulsvortrag teilnehmen möchten!

Hinweis zu den Corona-Maßnahmen
Der Workshop ist unter Einhaltung der jeweils geltenden Corona-Maßnahmen (zurzeit: 2,5-G-Regel, generelle FFP2-Maskenpflicht) öffentlich zugänglich. Die jeweils aktuellen Corona-Bestimmungen finden Sie hier.

Organisation
Ass.-Prof.in Dr.in Kerstin Borchhardt
Institut für Geschichte und Theorie der Kunst

Zum Thema siehe auch
Kerstin Borchhardt
Zwischen Science und Fiction: Experimentelle Ökologien in der zeitgenössischen Medienkunst
"Stichproben"-Vortrag im Kepler Salon Linz
22. März 2022, 18:00-20:00 Uhr
Weitere Informationen finden Sie hier.

 

9.3.2022/rk