Diskurse der Öffentlichkeit

Öffentlichkeit benennt eine Sphäre des Austausches über Informationen, Ansichten und Überzeugungen hinsichtlich der Art und Weise, wie das gemeinsame soziale Leben gestaltet werden soll. Die Gestalt der Öffentlichkeit ist abhängig von sozialen, ökonomischen, politischen und medialen Bedingungen. Daher ist sie einem ständigen Wandel unterworfen. Die Digitalisierung stellt dabei die neuste Herausforderung für die Verständigung über den Begriff der Öffentlichkeit dar. 

Der Titel des Forschungsschwerpunkts "Diskurse der Öffentlichkeit" markiert zwei verschiedene, jedoch miteinander verknüpfte Zugänge: Zum einen geht es um die Frage, wie und wo Öffentlichkeit diskursiv hergestellt wird und welche Formen und Bedeutungen sie in Gesellschaft und Wissenschaft annehmen kann. Zum anderen steht das Diskursive selbst im Fokus und in welcher Weise Themen und Debatten verhandelt werden. 

Im transdisziplinären Forschungsschwerpunkt begegnen sich die Perspektiven der drei Fachbereiche an der KU Linz wie folgt: 

Die Verhandlung dessen, was als und von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, geschieht über Medien. Der Fachbereich untersucht in diesem Forschungsschwerpunkt die visuellen Medien und Räume, welche Öffentlichkeit herstellen und gestalten. So werden Kunst-, Medien- und Raumentwicklungen sowie Gestaltungskonzepte analysiert und auf ihre sozialen wie physischen Ordnungsstrukturen, Repräsentationsansprüche, Gemeinschaftskonzepte mit Integrationsbemühungen und Exklusionsmechanismen befragt. Das Wissen über die Situierung und Transformation von Öffentlichkeit bietet Impulse für die aktuellen Diskurse der Öffentlichkeit und Formen der künstlerischen, medialen, räumlichen und sozialen Teilhabe. Dies verlangt eine kritische Auseinandersetzung mit den Aushandlungsprozessen unterschiedlicher Öffentlichkeiten und ihren Akteur:innen. Dabei werden insbesondere postkoloniale Diskurse sowie Aspekte von Macht und Hierarchie, Repräsentation und Identifikation in den Blick genommen. Die Anerkennung der Pluralität von Öffentlichkeit eröffnet neue und produktive Perspektiven zur Erforschung von Form und Konstitution der Zivilgesellschaft. 

Die Öffentlichkeit bezeichnet in der Philosophie einen diskursiven Raum, in der sich Bürger:innen darüber verständigen, wie die soziale Gemeinschaft organisiert sein soll. Diese Auseinandersetzung über die Gestaltung und die Regeln der Gemeinschaft findet in einer Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Konzeptionen gerechter Ordnung und gutem Leben statt. Ein Austausch von Argumenten und ein Kampf um Macht sind gleichermaßen präsent. Philosophische Ansätze unterscheiden sich darin, welche Rolle der Austausch von (guten) Gründen, Fragen persönlicher Lebensführung und hegemoniale Strebungen dabei spielen (John Dewey, Hannah Arendt, Jürgen Habermas, u.a.). Unstrittig ist die Gestalt der Öffentlichkeit abhängig von sozialen, ökonomischen, politischen und medialen Voraussetzungen, welche die Rahmenbedingungen demokratischer Öffentlichkeit ausmachen. Dabei führt speziell die Digitalisierung zu einer fundamentalen Transformation der politischen Öffentlichkeit, die einer philosophischen Konzeptualisierung bedarf. 

Religiöse Personen, Religionsgemeinschaften aber auch die Theologie als Wissenschaft sind Teil der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit in säkularen Gesellschaften. Insbesondere in den folgenden vier Forschungsschwerpunkten setzt sich die katholische Theologie an der KU Linz mit Diskursen der Öffentlichkeit auseinander:

  • A) Analysen des Verhältnisses von Religion und Politik im Kontext der „Moderne“: Hier stehen die Themen Religionsfreiheit, Krieg und Frieden sowie die politische Philosophie des Katholizismus im Zentrum.
  • B) Sozialethische Reflexion der Repräsentation, der Anerkennung und der Inklusion: Hier wird die Problematik erörtert, dass Öffentlichkeiten exklusiv sind, also bestimmte Personen(gruppen) keinen Zugang dazu haben und nicht öffentlich sichtbar sind.
  • C) Religiöse Motive in säkularen Diskursen: Die Frage, inwiefern diese schwinden oder sich sogar verfestigen und von einer „sozialen Macht des Christlichen“ gesprochen werden kann, steht hier im Mittelpunkt.
  • D) Dekonstruktion kirchlich-theologischer Diskurse: Hier geht es v. a. um die kritische Reflexion des Einflusses innerkirchlicher Diskurse auf die Identitätsformierung – die eigene, wie die der vielfältigen "anderen" – und welche Performanzen sich in der Praxis aus diesen Diskursen ergeben.