Im Sommersemester 2024 widmete sich das Seminar „Sklav:innen: Geschichte und Visualität des Menschenhandels in Europa“ unter der Leitung von Ilaria Hoppe vom Institut für Kunst in gegenwärtigen Kontexten und Medien einem ernsten und oft verdrängten Thema: der Geschichte und visuellen Darstellung von Menschenhandel und Sklaverei in Europa. Die Studierenden der KU setzten sich intensiv mit diesem Thema auseinander und bearbeiteten im Laufe des Semesters unterschiedliche Positionen. Aus diesen Arbeiten entstand eine Posterausstellung, die im Wintersemester 2024 im Hörsaal 3 präsentiert wird. Drei Studierende berichten hier von ihren Erfahrungen und Eindrücken aus dem Seminar:

Angelika Schwarz:

Das Thema lag vor mir wie ein weißes Blatt Papier. Was wir behandeln und wie wir diese, so schien mir, schwierige Materie bearbeiten sollten, davon hatte ich anfangs keine Vorstellung.

Doch Prof in Ilaria Hoppe hat die Studiengruppe behutsam an dieses Thema herangeführt. Mit Texten zur Geschichte und Visualität des Menschenhandels tauchte ich in eine ganz andere Welt ein. Viele der Mechanismen der Ausbeutung von Menschen wurden mir bewusst.

Anhand des Sklavenportraits wurde uns die Ikonografie dessen bewusst gemacht: Folgende Fragen können dazu gestellt werden: Wie wurden Sklav:innen dargestellt, welche Posen nahmen sie ein, in welchem Raum wurden sie gemalt? Basierte die Portraitierung immer auf (scheinbarer) Freiwilligkeit? Ausgehend von dem Befund beleuchteten wir die in der damaligen Zeit selbstverständlichen Darstellungen kritisch auf ihre Entstehungsgeschichte.

Neben der historischen Perspektive war ein weiterer Schwerpunkt die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen. Künstler:innen wie  Santiago Sierra haben das Ziel, aktuelle Probleme ins Bewusstsein zu rücken. Er machte zum Beispiel auf die Situation von Migrant:innen aufmerksam. Im Werk „Arbeiter, die nicht bezahlt werden dürfen, entschädigt für das Sitzen in Pappkartons“ (2000) ließ Sierra in der großen Ausstellungshalle der Berliner „Kunstwerke“ sechs Asylwerber in kubischen Pappkartons verstecken. Vier Stunden während der Ausstellungsdauer waren nur die Boxen zu sehen. Man hörte sie nur durch gelegentliches Räuspern. Diese Tatsache hinterließ bei Besucher:innen großes Unbehagen und Scham. Die Suche nach Freiwilligen gestaltete sich einfach, aber es wollte niemand dafür bezahlt werden, da das Asylgesetz vorsah, keiner entlohnten Arbeit nachzugehen, sonst könnten die Betroffenen abgeschoben werden.

Daniel Steiner:

Beim ersten, unreflektierten Lesen des Titels zum Seminar „Sklav:innen“ stellt sich die Frage: Wie passt das in ein Kunstgeschichte-Studium. Nun, im Nachhinein ist man immer klüger. Um meiner naiven Frage den Wind aus den Segeln zu nehmen, wäre es hilfreich gewesen, den Untertitel zu lesen, da heißt es nämlich: „Geschichte und Visualität des Sklavenhandels in Europa“. Und dann wäre er schon gekommen, der Moment, indem alles ganz klar wird. Denn der Begriff der ‚Visualität‘ hätte meine unvorsichtige, offenbar Headline fixierte Lesart wieder festes Terrain finden lassen – ein Begriff, der uns KU-Student:innen vertraut ist.

Es wurde schnell deutlich, dass Sklaverei nicht weniger ein Thema in der Kunst ist, als es die Darstellung irgendeines, aus heutiger Sicht trotz protzigem Bling-Bling unspektakulär aussehenden, Herrschers ist. ‚Visualität‘ also! In Anlehnung an Marcia Pointon ergibt sich hier das paradoxe Problem: Wie kann es überhaupt Porträts von Versklavten geben, wenn das Porträt traditionell den privilegierten Schichten – den Damen und Herren der Gesellschaft – vorbehalten war?

Mit dieser Vorlage, die nur ein Thema unter vielen war, folgte eine Welle an theoretischer Auseinandersetzung mit der Geschichte – den sozioökonomischen und politischen Gegebenheiten. Mit dem Porträt stand plötzlich auch der weite Begriff der ‚Repräsentation‘ im Raum: Wer repräsentiert was, wenn Sklaven in Porträts auftauchen? Und, konnte das je im Sinne der Sklaven sein? Ein weiterer, schwieriger Begriff war jener des ‚Rassismus‘. Die verheerende Idee und Entwicklung des Rassenbegriffs nahmen über das ganze Semester hinweg eine zentrale Stellung ein: Keine Sklaverei ohne Rassismus, kein Rassismus ohne Sklaverei – so die Kurzfassung. Was dem Seminar seine Tiefe verliehen hat, war also die Verstrickung in das Dickicht der Geschichte.

Was neu und anders an diesem Seminar war, ist die Form des Abschlusses. Von Beginn an war klar, dass es nicht mit einer schriftlichen Arbeit abzuschließen sein wird, sondern mit der Gestaltung eines Plakates, welches in einer eigenen Ausstellung an der KU nun auch tatsächlich zu sehen ist. Jede/Jeder hat ein Plakat übernommen, das mit dem jeweils ausgesuchten Thema der Präsentation abgestimmt war – hier ging es also darum, das bereits in der Gruppe Präsentierte in konziser Form auf‘s Plakat zu bringen. Die Verantwortung über das Plakat blieb also im Theoretischen, und weniger im Design – wenn auch mit Veto-Rechten ausgestattet, falls uns das Design nicht zusprach (was kaum der Fall war, weil Pablo Summer eine tolle grafische Gestaltung vorgelegt hat).

Mit dem Plakat als Resultat der eigenen Arbeit, wird bei uns Theoretiker:innen ein Durst gestillt, der ansonsten sehr selten seine Quelle findet: Ein angreifbares Etwas, das einem rückversichert, etwas gearbeitet zu haben. Ein gutes Feedback auf eine geschriebene Arbeit ist Gold wert, aber uns Studierende bleibt das Glück des unmittelbaren Feedbacks – also die Frucht der eigenen Arbeit materialiter vor sich zu haben – im Normalfall verwehrt. Nach jedem Semester beneiden wir alle Handwerker:innen, und alle die, die nicht nur Text, sondern etwas zum Angreifen herstellen, um diese unmittelbare Bestätigung. Nicht so dieses Mal: Wir haben ein Plakat! Und wir wissen damit ganz genau, was wir ein Semester lang getan haben. Ein Gefühl, für das mir nur das Englische ‚rewarding‘ als passende Beschreibung einfällt. Ja, schön war’s – und ist’s.

Yvonne Brokop:

Als ich diesen Seminartitel erstmalig las, war dies für mich zunächst mit einem Impuls vergangener Zeiten verbunden, mit gesellschaftlichen Umbrüchen im Zuge der Französischen Revolution, mit der Zeit der Aufklärung und der Abschaffung des Sklavendhandels. Ist Sklavenhandel lediglich in unserer Menschheitsgeschichte verhaftet oder begleitet uns der Handel mit Menschen bis in die Gegenwart?

Im Sommersemester 2024 nahmen mir einen Exkurs in die Geschichte der Sklaverei vor, wie sich das Bild von Sklav:innen wandelte und damit auch Sujets in der Kunst. Wir widmeten uns den Ursprüngen von Rassismus und den Gender Studies. Die Geschichte der Sklaverei ist sehr vielseitig und die Ausbeutung von Menschen ist keineswegs ein Phänomen der Vergangenheit.

Ergänzend zu den fachlichen Lerninhalten gab es immer wieder offene Diskurse, die von den Teilnehmenden mit hohem Engagement geführt wurden. Der Gedankenaustausch über eine zeitgemäße Visualität, der Versuch Antworten auf Fragestellungen zu entwickeln und den eigenen Wertekompass auf Haltungen zu prüfen, habe ich als sehr wertvoll erlebt. Ich denke, wenn wir nicht an der ‚Oberfläche‘ leben, müssen uns die Themen des Miteinanders auch berühren. Mich hat bei dem Seminar der Blick in die Vergangenheit bis in die heutige Zeit sehr beeindruckt. Frau Professorin Hoppe ist es ganz hervorragend gelungen einen offenen Diskurs unter den Seminar Teilnehmer:innen aufzubauen. Großartig, dass die Universität das Angebot schafft, sich mit dem Thema der modernen Sklaverei auseinanderzusetzen.

Im Dialog mit den wissenschaftlichen Grundlagen und den Diskursen reifte im Sommer eine Posterausstellung, die jene Ergebnisse zusammenfasst, einen Einblick in die Mannigfaltigkeit des Menschenhandels gibt und die Inhalte miteinander verbindet. Der kreative Prozess zur Gestaltung der Poster war sehr lebendig. Jede*r von uns setzte eigene Schwerpunkte und konzentrierte sich auf zentrale Inhalte des jeweiligen Referats. Die Auswahl der Bilder wurde sorgsam auf die Texte abgestimmt, um ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen. In der letzten Seminarsitzung diskutierten wir Layout-Entwürfe, die Bild und Text durch feine Ketten verbinden sollten. Schnell kamen wir jedoch zu dem Schluss, dass Ketten im Kontext des Seminars symbolisch stark aufgeladen sind und möglicherweise dem Posterinhalt widersprechen könnten. Wir entschieden uns für ein neutrales Design mit wertfreien, schlichten Verbindungslinien. Auch die Farbgestaltung wurde engagiert besprochen: Es gab Ideen für Farbverläufe oder unterschiedliche Farben für jedes Poster, doch schließlich einigten wir uns auf eine dezente Gestaltung. So fügen sich die einzelnen Poster gut ineinander und bilden eine harmonische Einheit, die der inhaltlichen Vielfalt gerecht wird, ohne durch starke Farbakzente im vergleichsweise kleinen Ausstellungsraum zu überladen.