Theologen: Nizäa-Jubiläum zu Neuaufbruch in Ökumene nutzen.

Anlässlich des 1.700-Jahr-Jubiläums des ersten ökumenischen Konzils von Nizäa im Jahr 325 veranstaltete die Katholische Privat-Universität Linz gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und der Stiftung PRO ORIENTE Linz am 12. Juni 2025 eine interdisziplinäre Fachtagung mit dem Titel: "Das Erbe von Nizäa. Kulturgeschichtliche, systematische, pastorale und anthropologische Perspektiven". Im Anschluss an die Vorträge, die sich verschiedenen Aspekten des Konzils, seiner Rezeption und Bedeutung widmeten, diskutierten Bischof Manfred Scheuer, Superintendent Gerold Lehner sowie die Theolog:innen Ioan Moga und Klara-Antonia Csiszar praktische und ökumenische Perspektiven des Konzils für die Gegenwart.

Das Konzil von Nizäa gilt als erstes und bislang einziges Konzil, das von allen heutigen Kirchen anerkannt wird. In dieser historischen Bedeutung verankert, bot die Tagung einen breiten wissenschaftlichen Zugang zu den damaligen Ereignissen sowie deren Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart.

In seinen Begrüßungsworten betonte Diözesanbischof Manfred Scheuer die bleibende Relevanz des Konzils in Bezug auf universale Geschwisterlichkeit und Inkulturation. Die frühe Kirche habe mit Nizäa einen entscheidenden Schritt in Richtung einer kulturell verankerten Theologie gesetzt, die es dem Christentum ermöglichte, sich über seinen ursprünglichen jüdischen Kontext hinaus zu entfalten.

Rektor Johannes Reitinger von der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz (PHDL) stellte Parallelen zwischen dem Ringen um eine gemeinsame Glaubensbasis im Jahr 325 und heutigen Herausforderungen in Bildungsfragen her. Auch heute seien es zeitlose Prinzipien wie Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit, die grundlegende Orientierung bieten.

Vielfältige Zugänge zum Konzil - "Nizäa" in Geschichte und Gegenwart

In acht wissenschaftlichen Vorträgen wurde das Konzil aus unterschiedlichen disziplinären Blickwinkeln beleuchtet. Die einzelnen Beiträge wurden jeweils durch interdisziplinäre Diskussionen vertieft.

Vizerektorin und Dekanin Klara-Antonia Csiszar rundete die Reihe der Begrüßungen ab und hieß alle Gäste herzlich an der Katholischen Privat-Universität Linz (KU Linz) willkommen. Sie dankte dem Vorbereitungsteam sowie den Kooperationspartnern PRO ORIENTE (Sektion Linz) und PHDL und hob die Bedeutung des Konzils von Nizäa für die Einheit der Christen hervor. Mit einem Zitate Papst Leos XIV. - „Das Konzil von Nizäa ist nicht nur ein Ereignis der Vergangenheit, sondern ein Kompass, der uns weiterhin zur vollen sichtbaren Einheit aller Christen führen muss.“ - betonte sie, wie wichtig diese Botschaft gerade heute in unserer Zeit mit so vielen Spaltungen sei. Sie unterstrich die Notwendigkeit des Miteinander-Redens und des gemeinsamen Ringens angesichts der heutigen Polarisierungen – sowohl in der Kirche als auch darüber hinaus.

Theologin Annemarie Pilarski (Köln/Regensburg) gab Einblick in die theologischen Kontroversen des Konzils und verdeutlichte anhand aktueller Forschung die Schwierigkeit, die damaligen Streitparteien klar zu identifizieren.

Franz Gruber, Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der KU Linz, zeichnete den Entstehungsprozess einer akademischen Theologie nach, der mit Nizäa eine grundlegende Weichenstellung für die christliche Geistesgeschichte markiere.

Fundamentaltheologin Isabella Guanzini,Professorin am Institut für  Fundamentaltheologie und Dogmatik der KU Linz, interpretierte den biblischen Begriff des "Erbes" als Schlüssel zur Übersetzung dogmatischer Konzilsbegriffe in die Gegenwart. So könne etwa der Begriff der Wesensgleichheit theologisch nachvollziehbar in die jüdische Tradition Jesu eingebettet werden – ein Aspekt, der in einer modernen Christologie nicht außer Acht gelassen werden dürfe.

Christian Spieß, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der KU Linz, rückte in seinem Vortrag die politischen Dimension des Konzils sowie der Rezeptionsgeschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat bis in die Gegenwart in den Mittelpunkt. Dabei zeigte er die Spannungen zwischen Kooperations- und Trennungsmodellen auf und analysierte aktuelle Entwicklungen in Europa und Nordamerika.

Aus philosophischer Perspektive fragte Michael Hofer, Professor am Institut für Theoretische Philosophie an der KU Linz, nach der Möglichkeit der Gegenwart Gottes in der heutigen Zeit. Ausgehend von Immanuel Kant diskutierte er die Weiterentwicklung dieser Gedanken in der Philosophie von Robert Reininger und Richard Heinrich – mit Blick auf eine rationale Gottesrede im 21. Jahrhundert.

Michael Rosenberger, Professor für Moraltheologie an der KU Linz, widmete sich in seinem Beitrag den Bußvorschriften des Konzils. Aus ethischer Perspektive wertete er diese als bedeutenden Fortschritt im kirchlichen Umgang mit Schuld und Vergebung. Die Regelungen, die sich aus der platonischen Philosophie speisen, zielten sowohl auf das Heil des Einzelnen als auch auf das Wohl der Gemeinschaft ab. Rosenberger betonte jedoch kritisch, dass dabei – damals wie heute – die Perspektive der Geschädigten oft unberücksichtigt bleibe. Gerade in der heutigen Auseinandersetzung mit Schuldverhältnissen müsse auch die Stimme der Opfer stärker ins Zentrum rücken.

Die beiden abschließenden Vorträge richteten den Fokus auf liturgiegeschichtliche Entwicklungen im Anschluss an das Konzil von Nizäa: Florian Wegscheider (Professor für Liturgiewissenschaft an der PHDL) analysierte anhand dreier historischer Beispiele, wie in der Zeit nach dem Konzil liturgische Feiern gezielt zur Vermittlung und Festigung der Rechtgläubigkeit eingesetzt wurden. Der Versuch, zentrale Glaubensinhalte durch die Liturgie zu vermitteln, sei als Teil des kulturellen Erbes von Nizäa zu verstehen. Die damaligen Liturgiereformen können auch für gegenwärtige Reformbestrebungen in der Liturgie richtungsweisend sein, so Wegscheider.

Predrag Bukovec (Assistenz-Professor am Institut für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie der KU Linz) befasste sich mit dem sogenannten Osterfeststreit und den damit verbundenen Bemühungen um einen einheitlichen Ostertermin für alle christlichen Kirchen. Er zeigte auf, wie sich die Entwicklung des jüdischen Pessachfestes und des christlichen Osterfestes über die Jahrhunderte hinweg wechselseitig beeinflussten. In diesem Ringen spiegelten sich zentrale Fragen religiöser Identität wider. Bukovec skizzierte abschließend verschiedene Ansätze für eine mögliche Einigung auf einen gemeinsamen Ostertermin – ein Anliegen, das bis heute aktuell bleibt.

Die Fachtagung verdeutlichte die bleibende Bedeutung des Konzils von Nizäa als theologischer, kultureller und gesellschaftspolitischer Referenzpunkt – gestern wie heute.

Bericht: Florian Wegscheider 

Podiumsdiskussion: Das Konzil von Nizäa als Impulsgeber der Ökumene

Linz, 13.06.2025 (KAP) Das aktuelle kirchliche Jubiläum 1.700 Jahre Konzil von Nizäa (325) sollte zu Neuaufbrüchen in der Ökumene anregen: Das haben Theologinnen und Theologen bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstagabend an der Katholischen Privat-Universität (KU) in Linz betont. Die Diskussion stellte den Abschluss eines Studientages an der KU zum Thema "Das Erbe von Nizäa" dar. Am Podium saßen der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer, der oberösterreichische evangelische Superintendent Gerold Lehner, der orthodoxe Wiener Theologe Ioan Moga sowie die Linzer Pastoraltheologin Klara-Antonia Csiszar.

Die Erinnerung an das gemeinsame Bekenntnis des ersten ökumenischen Konzils könne dazu anregen, Ökumene nicht nur als formale Dialoge zu betrachten, sondern das gemeinsame Zeugnis und das gemeinsame Feiern wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen, waren sich die Diskutanten einig. "Die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Abendmahl ist da", aber Nizäa erinnere daran, dass es daneben eben auch viele andere Momente der Einheit und des Zusammengehens der Kirchen im Alltag brauche, so Bischof Scheuer. Er zeigte sich überzeugt, dass bereits Stand heute "mehr möglich" sei an Kirchengemeinschaft, "da wir darin übereinstimmen, dass uns mehr verbindet als trennt".

Als ein wichtiges Zeichen bewerteten alle Beteiligten die Suche nach einem gemeinsamen Osterdatum. Dies wäre ein "wichtiges Zeichen der gemeinsamen Hoffnung, die uns verbindet", so Scheuer. Zugleich dämpften allerdings Ioan Moga und Klara-Antonia Csiszar die Erwartungen, dass dies schon bald verbindlich eintreten werde. Zum einen sei die Orthodoxie gegenwärtig gespalten und es gebe zum anderen auch kein klar artikuliertes Bedürfnis unter manchen orthodoxen Kirchen, ein gemeinsames Datum zu suchen. "Die Sache hat sich festgefahren", so Moga.

Auf den doxologischen Charakter (Lobpreis-Charakter) des Bekenntnisses von Nizäa verwies der evangelische Superintendent Gerold Lehner. Dem Bekenntnis wohne insofern ökumenische Kraft inne, als es den Wert des gemeinsamen Feierns neu ins Bewusstsein rufe. Zugleich bedeute ein Bekenntnis immer auch eine Abgrenzung gegen Dinge, die man nicht teile: Dies sei etwa bei der Barmer Erklärung 1934 der Fall gewesen, die sich klar gegen den Schulterschluss der evangelischen Deutschen Christen mit dem Nationalsozialismus richtete. Vielleicht sei die Zeit bald wieder reif, ein solches Bekenntnis zu formulieren, um zu benennen, was nicht christlich sei, so Lehner etwa im Blick auf die Kirchen- und Religionspolitik der Regierung Donald Trumps.

Quelle: Kathpress / Henning Klingen

TAGUNGSPROGRAMM

14.6./16.6.2025/HE