Kunstgespräch zur Mittagszeit mit der Künstlerin Parastou Forouhar.

Mit der Ausstellungsreihe "Im Vorbeigehen" ist Kunst im Alltag der Katholischen Privat-Universität Linz präsent. Im Jahr 2020 musste sich das Projekt einem neuen Alltag anpassen: Seit Anfang März sind Arbeiten der iranisch-deutschen Künstlerin Parastou Forouhar zu sehen, mit Unterbrechungen und durch die Corona-Maßnahmen immer wieder eingeschränkt. Das "Kunstgespräch zur Mittagszeit" am 14. Dezember 2020 bot die Möglichkeit des Austauschs mit der Künstlerin, die mit ihrem Werk gesellschaftliche und politische Missstände aufzeigt.

Das im Online-Modus abgehaltene Kunstgespräch begann nach der Begrüßung durch Reihenkuratorin Prof. Monika Leisch-Kiesl mit einer kurzen Vorstellung der Künstlerin Parastou Forouhar. Ausgangs- und Endpunkt des anschließenden virtuellen Rundgangs zu den gezeigten Arbeiten an der KU Linz war die im Lesesaal der Bibliothek befindliche Installation Ich ergebe mich / I surrender, von der sich Gastkuratorin Susanne Winder live meldete. Winder, die sich im Rahmen ihrer Dissertation eingehend mit dem Werk der Künstlerin beschäftigt hat, arbeitete besonders anhand dieser Installation und der Serie Rot ist mein Name, Grün ist mein Name – einer Arbeit bestehend aus digitalen Zeichnungen, deren Titel sich auf den Roman Rot ist mein Name von Orhan Pamuk bezieht – Arbeitsweise und Bildfindungen Parastou Forouhars heraus.

In den ästhetisch ansprechenden, ornamentalen Oberflächen vollzieht sich zugleich ein Ver- und Entbergen. Erst bei genauerer Betrachtung werden im Gewirr der Ornamente, im minimalen Set unterschiedlicher Bildzeichen Körperteile und Körper erkennbar: Man sieht Szenen von Mord, Folter und sexualisierter Gewalt, in denen Täter wie Opfer schematisch-abstrakt dargestellt sind.

Wie in der altpersischen Maltradition scheinen auch die Figuren Forouhars vor den Bildgründen zu schweben. Nicht um ein konkretes Ereignis geht es, sondern um Überzeitliches, Allgemeingültiges. Politisch motivierte Gewalt, Unterdrückung, Missstände werden damit auch abseits einer biographischen Lesart – Forouhars Eltern, die sich als Oppositionspolitiker für Freiheit und Demokratie einsetzten, wurden 1998 im Iran ermordet – als aus der Zeit gehobenes Skandalon bewusst.

Angesprochen auf den Widerspruch zwischen Oberfläche und Inhalt meinte Parastou Forouhar, es sei genau diese Ambivalenz und Gleichzeitigkeit, die sie interessiere – das Bild solle nicht durch sie entschieden, das "Gezerre im Bild" nicht aufgelöst oder vereinseitigt werden: "Es sind die Stellen, wo man sieht und nicht sieht, wo ein Changieren auftaucht, die ich in meinen Arbeiten nicht nur belasse, sondern noch verstärke. Das Schweben interessiert mich". So könne Sehen zu einem bewussten Akt des Schauens werden.

Aktuell beschäftige Forouhar das Wortfeld Scheitern, in der Arbeit mit Studierenden – Forouhar unterrichtet zurzeit eine Klasse für bildende Kunst an der Kunsthochschule Mainz – besonders das Thema der Leerstelle. Ihre jüngsten Arbeiten sind im öffentlichen Raum entstanden: in Chur (Schweiz) wurde im Sommer 2020 der 1000 m² große Written Room gestaltet; in den Opelvillen in Rüsselsheim (Deutschland) realisierte sie im Herbst 2020 im Rahmen des Projekts Kunst für Tiere die Arbeit Flieg nicht hindurch.

Die Installation Ich ergebe mich / I surrender im Lesesaal der Bibliothek der KU Linz konnte nur bis 14. Dezember 2020 gezeigt werden. Alle weiteren Arbeiten Parastou Forouhars sind (vor und nach den Weihnachtsferien) noch bis 30. Jänner 2021 zu sehen.

Nähere Informationen zu Ausstellung und Künstlerin sowie der Zugänglichkeit an der KU Linz finden Sie hier.

18.12.2020/rk/he