Klara-Antonia Csiszar: Synodale Kirchenzukunft wird "schön und bunt".

Theologin Klara-Antonia Csiszar spricht im OÖN-Interview mit Sarah Kowatschek über die Weltsynode und eine mögliche Zukunft der Kirche. Die Dekanin der Fakultät für Theologie der Katholischen Privat-Universität Linz rechnet mit baldiger Weihe von Frauen zum Diakonat, "die Entscheidung sollte aber regional gefällt werden".

Linz/Rom. Klara-Antonia Csiszar ist Dekan der Fakultät für Theologie und Vizerektorin für Lehre und Forschung an der Katholischen Privat-Universität Linz. Bei der Weltsynode ist sie als theologische Expertin in Rom dabei. Gestern hielt sie bei der 75-Jahr-Feier der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) in Linz eine Ansprache bei der Eucharistiefeier. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen bei der Weltsynode und die Zukunft der Kirche.

Bei der Weltsynode wird über die Zukunft der Kirche und mögliche Reformen diskutiert. Wie ist der Ablauf?

Klara-Antonia Csiszar: Der Prozess hat 2021 begonnen. Die Reformvorschläge kommen dabei nicht aus Rom, sondern von den Menschen in den Ortskirchen. Nach jeder Phase werden sie um Feedback gebeten: Aktuell arbeiten die Diözesen an Rückmeldungen auf den Synthesebericht, das Ergebnis aus der ersten Sitzungsperiode der Weltsynode im Oktober 2023 in Rom. Die Synode ist ein riesiger Prozess, die Protagonisten sind immer die Ortskirchen mit den Menschen und ihrer Glaubenserfahrung. Auch in Rom sind nicht mehr nur Bischöfe stimmberechtigt, sondern viele Frauen und Männer aus der ganzen Welt.

Was bedeutet Synodalität?

Klara-Antonia Csiszar: Ich übersetze Synodalität oft als gutes Miteinander, als einen neuen Stil von Kirche.

In Österreich treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus, es gibt immer weniger Priester. Hat die Kirche eine Zukunft?

Klara-Antonia Csiszar: Die Kirche wird sicherlich weiter bestehen – nur vielleicht nicht in der Form, wie wir sie jahrhundertelang kannten. Die Kirche wird umgestaltet, auch bei uns. Da tut sich unglaublich viel. In Österreich – das zeigen die neuesten Forschungen – erkennen immer mehr Gläubige ihre Verantwortung in der kirchlichen Praxis. Sie erwarten nicht mehr alles von Priestern, sondern bringen sich selbst ein und übernehmen auch Leitungsfunktionen. Die Priesterkirche ist vielerorts vorbei. Solange die Kirche Visionen hat, sich für Gerechtigkeit, Frieden und Seelenheil einsetzt und solange sie nah bei den Menschen ist, wird sie bestehen.

Was braucht es dafür?

Klara-Antonia Csiszar: Die Entwicklungen, die dafür in Österreich notwendig sind, sind in manch anderen Teilen der Welt nicht denkbar. Essentiell wird deshalb sein, mehr Entscheidungskompetenz vor Ort zu ermöglichen und Vielfalt zu fördern. Katholisch heißt allumfassend, zu allen Menschen gesendet – das ist nur dann möglich, wenn uns Vielfalt fasziniert und inspiriert.

Was ist das Ziel der Synode?

Klara-Antonia Csiszar: Zu schauen, was sie Synodalität bedeutet und was wir dafür brauchen. Ich denke, dass künftig immer weniger für die ganze Welt gültige Vorschriften aus Rom kommen werden, es wird mehr Entscheidungskompetenzen vor Ort geben. Momentan tragen wir im synodalen Prozess die Puzzleteile aus der ganzen Welt zusammen. Welche Zukunft daraus entsteht, weiß noch niemand. Aber sie wird schön und bunt sein, wie die Weltkirche.

Werden Frauen in der Kirche mehr Rechte bekommen?

Klara-Antonia Csiszar: Die Kirche setzt sich für Gleichberechtigung von Frauen und Männern weltweit ein. Wir im deutschen Sprachraum verlangen verständlicherweise, dass sich das auch in der Zulassung von Frauen zu sakramentalen Ämtern zeigt. In Südamerika argumentiert man auf der Praxisebene –Frauen machen ähnliche Dienste wie Diakone, deshalb sollten sie auch geweiht werden. In Osteuropa wird die Frage nach der Zulassung von Frauen zu sakramentalen Ämtern nicht als Frage der Gleichberechtigung, sondern als theologische Frage behandelt. Meiner Meinung nach waren wir der Weihe der ersten Diakonin noch nie so nah wie jetzt. Die Möglichkeit, dass Frauen zu Diakoninnen geweiht werden dürfen, wird in den nächsten Jahren kommen. Es sollte aber regional oder lokal entschieden werden, ob es eingeführt wird oder nicht – ähnlich dem ständigen Diakonat der Männer.

Ist ein gutes Miteinander von Klerikern und Laien möglich?

Klara-Antonia Csiszar: Im deutschen Sprachraum gibt es diesbezüglich kein Problem mehr. Die Selbstverständlichkeit, mit der Bischöfe und Priester hier mit Laien auf Augenhöhe kommunizieren, weiß ich sehr zu schätzen. Diese Kultur des Miteinanders ist nicht selbstverständlich – in anderen Teilen der Welt, etwa Afrika oder Osteuropa, sind die Laien weit davon entfernt, sich bei kirchlichen Fragen zu Wort zu melden.

Gestern feierte die Katholische Aktion Österreich in Linz ihr 75-jähriges Bestehen. Wieso ist sie für die Kirche des Miteinanders wichtig?

Klara-Antonia Csiszar: Die KAÖ wurde als Dachorganisation für verschiedene Laienorganisationen gegründet, um diese miteinander zu vernetzen. Nachdem das Laienapostolat im Zweiten Vatikanischen Konzil aufgewertet wurde, hat sich die KAÖ neu ausgerichtet. Sie engagiert sich für eine Kirche, in der Laien und Kleriker gut zusammenarbeiten und auch Laien Verantwortung übernehmen können. Die Katholische Aktion ist für mich die Anwaltschaft der Menschenwürde, der Schöpfung und des guten Miteinanders. Sie ist Ausdruck dessen, wozu Laien berufen sind – nämlich aus der Leidenschaft zu Gott heraus eine Leidenschaft für die Menschen und die Welt zu haben.

Ablauf der Weltsynode

Oktober 2021 bis Juli 2022: Diözesen weltweit verfassen Berichte über ihre Beobachtungen in der Kirche und machen Vorschläge für eine zeitgerechte Kirche.

Juli 2022: Aus den Berichten fassen 112 Bischofskonferenzen Nationalberichte zusammen, die Rom erhält.

November 2022: Expertinnen und Experten machen aus den nationalen Berichten und mehr als 3000 Einzelantworten das Arbeitsdokument für die Kontinentalphase. Dieses geht mit der Bitte um Feedback zurück an die Diözesen.

Februar bis März 2023 – Kontinentalversammlungen: Diese Rückmeldungen werden auf den Kontinentalversammlungen besprochen. Von allen Versammlungen wird ein Bericht an Rom geschickt, daraus entsteht das Arbeitsdokument, das die Grundlage für die erste Sitzungsperiode ist.

4. bis 29. Oktober 2023 – erste Sitzungsperiode in Rom: Vier Wochen lang diskutieren die bei der Synode stimmberechtigten Bischöfe, andere Geistliche und Laien. Als Abschlussdokument entsteht der Synthesebericht.

Oktober 2023 bis Mai 2024: die Diözesen erarbeiten Rückmeldungen auf den Synthesebericht für Rom.

Juni 2024: Erstellung des Arbeitsdokuments für die zweite Sitzungsperiode.

2. bis 27. Oktober 2024: Zweite Sitzungsperiode der Weltsynode.

Quelle: Oberösterreichische Nachrichten, Freitag, 10. Mai 2024, Österreich, Seite 31. 

Titelbild: KAÖ / Samuel Hajes. Einen Bericht zur 75-Jahr-Feier der KAÖ lesen Sie hier.

10.5.2024/HE