Eröffnung des Studienjahres und Antrittsvorlesung an der KU Linz.

Mit einer liturgischen Feier und einem Festakt wurde an der Katholischen Privat-Universität Linz am 2. Oktober 2023 das Studienjahr 2023/24 eröffnet. Im Rahmen der akademischen Feier in der Aula der Universität hielt Universitätsprofessor Andreas E. Graßmann als neuer Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht seine Antrittsvorlesung über Motive und Potenziale des Kirchenrechts und die damit verknüpften Aufgaben.

Bischofsvikar Regens Slawomir Dadas stellte bei dem von ihm zelebrierten Gottesdienst in der Kapelle des Bischöflichen Priesterseminars der Diözese Linz die Besonderheit der KU Linz heraus: Theologie, Philosophie und Kunstwissenschaft nehmen den Menschen als Ganzen in den Blick – und fordern auch ganze Menschen. Die Studien an der Universität werden so nicht bloß "konsumiert", sondern gelebt: im Wunsch, "Gott und der Welt mit brennenden Herzen zu begegnen". 

Kontexte und Motive des Kirchenrechts – und die Rolle der Kanonistik 

In seiner Antrittsvorlesung "Ius semper reformandum!? Der Heiligungsdienst im Codex Iuris Canonici von 1983 vor dem Hintergrund des Zweiten Vatikanischen Konzils" arbeitete Andreas E. Graßmann zunächst Kontexte und zentrale Motive des Codex als Gesetzbuch der Kirche heraus. Dabei hob er hervor, dass dieser ein zentraler Referenzpunkt für den kirchlichen Reformprozess ist. In diesem Sinne erinnerte er an ein Diktum des Papstes Johannes Paul II., wonach der Codex das "letzte Dokument des Konzils" darstelle. 

Für Verständnis und Weiterentwicklung des Codex sei es wichtig, seine "Herleitung aus theologischen Grunddaten" stets bewusst zu halten. Dies entwickelte er an mehreren Beispielen: So sei der Codex geprägt vom Verständnis der Kirche als "Volk Gottes", bei dem Gläubige nicht isoliert betrachtet werden; er soll deren Leben konkret dienen, und zwar durch "Schaffung und Schutz von Freiheitsräumen", in denen ein "selbstverantwortlicher Weg zum Heil in freier Entscheidung" möglich werde. Neben der Dienstfunktion der geistlichen Hirten in der und für die Gemeinschaft strich Graßmann als Element des Codex besonders auch die entscheidenden Aufgaben des (Diözesan-)Bischofs hervor. Die kirchliche Einheit hänge maßgeblich von diesem ab und vollziehe sich in der Einheit von Glaubensbekenntnis, Eucharistie und gemeinsamem Dienst: Er sei als deren Förderer und Hüter zu verstehen. Zugleich betonte Graßmann die den Codex durchwirkende Beteiligung des ganzen Gottesvolkes – insbesondere der Laien –, denn alle Gläubigen seien aktive Subjekte in der Verwirklichung der kirchlichen Sendung. Schließlich wies er auf die im Gesetzbuch der Kirche integrierte ökumenische Perspektive hin, die allerdings nicht systematisch ausgeführt werde. 

Habe der "theologische Perspektivenwechsel des Konzils" auch vielfach Eingang in die kodikarischen Normierungen gefunden, gebe es durchaus noch Potenziale, um die Zielvorgaben und Leitlinien des Zweiten Vatikanums prägnanter umzusetzen. Im zeitgemäßen Fortschreiben des Rechts erblickt Graßmann daher eine besondere Aufgabe und einen Auftrag der Kanonistik: Nachdem der Codex als "Dienst für Menschen" zwischen den Polen Stabilität und Reform ausgespannt sei, müsse die Kirchenrechtswissenschaft das Recht einerseits studieren, andererseits aber auch – als begleitendes Gegenüber des Gesetzgebers – seine Entwicklung kritisch begleiten und Potenziale wie Notwendigkeiten benennen. Beispielsweise habe der Gesetzgeber ökumenische Wort- bzw. Gebetsgottesdienste, eine ökumenisch fundierte Ehepastoral sowie Dezentralisierung, Synodalität und Subsidiarität "schlicht und einfach nicht behandelt". Dabei schloss er auch an Severin J. Lederhilger, seinen Vorgänger am Lehrstuhl für Kirchenrecht, an, der sich immer wieder für mehr Kontextualität im Kirchenrecht ausgesprochen hat – hier könnte, so Graßmann, etwa die aktuelle Weltsynode Anregungen und Anstöße geben. 

Der Codex Iuris Canonici trage den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils in sich; diesem werde er sich auch weiterhin stellen müssen – wie er sich, und nicht zuletzt die Kirche als Ganze, an den Umsetzungen und Gestaltungen dieses Geistes wird messen lassen müssen. Der Kirchenrechtswissenschaft komme dabei eine ermöglichende und kritische Funktion zu, denn, wie Graßmann seinen Vortrag programmatisch endete: "In einer ecclesia semper reformanda muss auch das Kirchenrecht ein ius semper reformandum sein!" 

Dank, Glückwünsche und Willkommen 

Im Namen der Universitätsgemeinschaft und in Anwesenheit zahlreicher Vertreter:innen aus Kirche, Wissenschaft, Kultur und Politik sprach Rektor Universitätsprofessor Christoph Niemand scheidenden Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen seinen Dank aus und hieß Personen in ihren neuen Funktionen an der KU Linz willkommen: Johanna Fischer wechselte mit Anfang Oktober als Vizerektorin an die Pädagogische Hochschule der Diözese Linz (PHDL), Assistenzprofessor Christian Rößner wurde als Universitätsprofessor an die Theologischen Fakultät Trier berufen, Senior Lecturer Werner Urbanz als Hochschulprofessor an die PHDL. Für langjährige Dienste bedankt wurde Josef Tiefenthaler, der demnächst seinen Ruhestand antritt. Ein besonderer Glückwunsch erging an Ingeborg Verweijen, die von 1991 bis 1998 als ersten Professorin an der damaligen Katholisch-Theologischen Hochschule Linz (Institut für Katechetik, Religionspädagogik und Pädagogik) wirkte und u.a. auch die Funktion der Studiendekanin ausübte. Sie ist dem Haus nach wie vor verbunden und feierte dieser Tage ihren 85. Geburtstag.

Für die musikalische Gestaltung der akademischen Feier sorgte Elena Deinhammer.

Informationen zu Universitätsprofessor Andreas E. Graßmann finden Sie hier.

3.10.2023/RK/HE