"Rezeptionen Salomos": Kurzbeschreibung
Ausgehend von der Erzählung in 1 Kön 1–11 entfaltet sich das Bild Salomos in einem ständigen Prozess von Rezeption und Weitergabe des Textes, der zu einer neuen Textproduktion führt. Diese Entwicklung beginnt bereits innerhalb der Bibel in den Büchern Kohelet, Sprichwörter und Chronik sowie im Hohelied. Salomo wird immer wieder als der beispielhafte König genannt, dessen kommunikatives Potenzial für den jeweils neuen Diskurs genutzt wird. Dabei wird das Bild Salomos stets dem jeweils aktuellen Kontext angepasst und dadurch modifiziert. Zugleich eröffnet die Gestalt Salomos die Möglichkeit, aktuelle Fragen und Probleme durch die Perspektive dieser wohlbekannten und mit einer gewissen Autorität ausgestatteten Person zu betrachten. Dieser interpretative Fortschreibungsprozess setzt sich auch nach dem Abschluss des biblischen Kanons fort, sowohl innerhalb der religiösen Gemeinschaften, als auch in Literatur, Musik und Kunst.
Das Forschungsprojekt wendet sich Texten rund um Salomo aus drei Bereichen zu: zunächst den biblischen Texten, die mit Salomo in Verbindung stehen, und anschließend der Rezeption dieser Texte in Literatur vom 16. bis zum 21 Jahrhundert. Da eine umfassende Interpretation der Salomorezeption bislang noch aussteht, wird damit ein Desiderat der Forschung behoben.
Die methodische Herangehensweise wird sich insbesondere an der Erzähltextanalyse sowie an den im Rahmen intertextueller Studien entwickelten Methodenschritten orientieren. Den Ausgangspunkt bildet eine detaillierte narratologische Analyse von 1 Kön 1–11, an die sich eine Beschreibung der intertextuellen Wiederaufnahmen und Verknüpfungen in den anderen biblischen Büchern anschließt. Dieses vielschichtige innerbiblische Bild König Salomos bildet den Ausgangspunkt für die Untersuchung der Rezeptionsgeschichte. Obwohl sich der Prozess der Aufnahme und Modifikation des Salomobildes in den späteren Bearbeitungen fortsetzt, unterscheiden sich die späteren Bearbeitungen insofern, als für diese das biblische Bild Salomos in seiner Gesamtheit zum Ausgangspunkt ihrer Bearbeitung wird. Das, was als “Prätext” einer Bearbeitung zugrunde liegt, ist ebenso veränderlich und muss dementsprechend in der Analyse mitberücksichtigt werden.
Die abschließende Interpretation der Textanalysen und Textvergleiche wird von einer zweifachen Perspektive aus erfolgen: Zum einen wird die Rezeptionsgeschichte Salomos in den Blick genommen und die Veränderung und Neuinterpretation des Salomobildes nachgezeichnet. Zum anderen wird auch danach gefragt, welche Perspektive das Salomobild in den verschiedenen Bearbeitungen anbietet, um die jeweilige Zeit in den Blick zu nehmen. Damit rückt das kommunikative Potenzial dieser biblischen Figur in den Mittelpunkt und darin spiegelt sich auch die Autorität und Interpretationskompetenz, die dieser biblischen Gestalt in der jeweiligen Epoche zugesprochen wird.