Gedächtnisbuch Oberösterreich - Präsentation 2025

Am 22. Mai 2025 fand um 19 Uhr die diesjährige Präsentation der neuen Beiträge des Gedächtnisbuches Oberösterreich im Linzer Mariendom statt. Dieses Jahr stand die Präsentation des Gedächtnisbuches im Zeichen von 80 Jahren Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Die Beitragenden präsentierten die neu eingefügten Seiten im inzwischen 57 Beiträge umfassenden Buch. Die musikalische Gestaltung übernahm Domorganist Wolfgang Kreuzhuber mit Improvisationen, welche die präsentierten Texte musikalisch verdichteten.

Die Beiträge

Mathilde Reiter (Bez. Rohrbach): Weil sie den Vortrag einer BDM-Führerin unterbrach und gegen Durchhalteparolen protestierte, wurde Mathilde Reiter von St. Peter am Wimberg am 13. Mai 1944 verhaftet und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sie erlebte die Haftentlassung am 8. Mai 1945 in Ried. Ihr Sohn Franz Pichler hat mit fachlicher Unterstützung das Familiengedächtnis in eine schriftliche Form gebracht.

Familie Langthaler-Hackl (Bez. Freistadt): Die sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“ ist Teil des kollektiven Gedächtnisses in Oberösterreich. Erna Putz hat in Gesprächen mit Anna Hackl die Familienüberlieferung zur Rettung zweier geflohener ukrainischer Häftlinge am elterlichen Bauernhof zusammengetragen. Mit Fotos aus der Familiensammlung entstand daraus ein bewegendes Porträt ihrer Mutter Maria Langthaler und des unermüdlichen Engagements von Anna Hackl als Zeitzeugin bis heute.

Josef Jílek (Kaplitz/Tschechien): Mit Josef Jílek wird ein tschechischer Priester aus Kaplitz in das Gedächtnisbuch OÖ aufgenommen. Sein pastorales Wirkungsgebiet gehörte während der NS-Zeit zur Diözese Linz. Jílek wurde aufgrund seiner Teilnahme am tschechischen Widerstand im Jahr 1942 verhaftet und am 20. April 1945 in der Haftanstalt Brandenburg-Görgen hingerichtet. Er war das letzte Hinrichtungsopfer an der berüchtigten Hinrichtungsstätte, an der am 9. August 1943 auch Franz Jägerstätter enthauptet wurde. Bernhard Riepl hat aus tschechischsprachigen Quellen das Leben Jíleks ans Licht geholt.

Richard Bernaschek (Linz): Alexander Rath vom Bund sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen verfasste eine Biografie zu einer Symbolfigur der oberösterreichischen Sozialdemokratie, die 17 Tage vor Befreiung des KZ Mauthausen am 18. April 1945 ermordet wurde. Ihm gleich sollte es etlichen Mitstreiter:innen im Widerstand ergehen, die er selbst kannte – sie wurden auf Befehl des Gauleiters August Eigruber vor der Befreiung ermordet, unter ihnen April zahlreiche Mitglieder der sogenannten „Welser Gruppe“.

Willibald Zelger (London/Wels): Mitglied der „Welser Gruppe“, ein Widerstandsnetzwerk, das sich zwischen Ebensee, Steyr und Linz erstreckte. In der Nacht vom 28. Auf den 29. April 1945 wurde er mit 41 anderen Menschen in der Gaskammer von Mauthausen ermordet. Den Beitrag verfasste sein Sohn Willibald Kalcher, der im Jahr 1945 zur Welt kam, ohne seinen Vater kennenzulernen.

Hans von Hammerstein-Equord (Bez. Braunau und Kirchdorf): „Tausend Jahre reichen nicht hin, um diese zwölfjährige Schande abzuwaschen“, schrieb der Dichter und Politiker nach 1945 über die NS-Herrschaft. Er war Minister in verschiedenen Funktionen während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes und unterstützte dessen autoritären Kurs. Nach dem „Anschluss“ wurde er nicht in Haft gesetzt. Erst im Juli 1944 wurde er wegen des Verdachts der Sabotage im Linzer Gestapo-Gefängnis inhaftiert. Wie andere sollte er kurz vor dem Ende des NS-Regimes im KZ Mauthausen ermordet werden, jedoch gelang es einer kommunistischen Lagerorganisation von Häftlingen ihn und andere zu verstecken. Martina Riepl aus Ried hat die Biografie von Hammerstein-Equord recherchiert.

Peilstein (Bez. Rohrbach): Josef Autengruber, Karl Haider, Karl Hartl, Johann Hesch, Maximilian Innertsberger: Ebenfalls auf Befehl von Gauleiter Eigruber wurden am 28. April 1945 fünf Bürger von Peilstein hingerichtet, nachdem sie versucht hatten, errichtete Panzersperren zu beschädigen. Erika Pfeil, Enkelin von Karl Hartl, ruft die Peilsteiner-Opfer in Erinnerung.

Georg Hauner (Bez. Braunau): In Braunau am Inn wurde der 20-jährige Soldat Opfer eines Endphaseverbrechens am 2. Mai 1945, eineinhalb Tage vor der Befreiung der Stadt durch US-amerikanische Truppen. Werner Forster vom Mauthausen Komitee Braunau hat die verfügbaren Informationen zusammengetragen und den Hergang der Hinrichtung rekonstruiert.

Josef Sora (Bez. Gmunden): Der aus Wien stammende Arzt Josef Sora war als Lagerarzt im KZ Nebenlager Melk tätig. Aufgrund seines menschlichen Verhaltens gegenüber Lagerinsassen genoss er vor allem bei französischen Häftlingen nach 1945 hohes Ansehen. Die Tochter Hendrike Sora zeichnet ein persönliches Porträt seines Lebens, das nach 1945 in Bad Ischl einen Neuanfang nahm.

Bischof Manfred Scheuer: „Frieden wahren, fördern und erneuern“


Bischof Manfred Scheuer hob in seinen Schlussworten jene Priester, Laien, Männer und Frauen hervor, die als Einzelne die Kraft hatten, dem Ruf ihres Gewissens zu folgen und Widerstand zu leisten. Scheuer nannte in diesem Zusammenhang Franz Jägerstätter, Engelmar Unzeitig, Johann Gruber und Matthias Spanlang. Opfer, Zeugen und Märtyrer hätten der Barbarei standgehalten und wollten das Unrecht nicht mitmachen. Sie hätten Widerstand geleistet und unschuldig Verfolgten geholfen. „Es gab in der damaligen Zeit Gerechte, die sich nicht vom Sog der Ideologie haben mitreißen lassen. Sie haben ihr Leben für die Rettung anderer riskiert. Nicht vergessen werden dürfen all jene, die allein durch eine erkennbare und bewusste christliche Lebensführung aneckten und persönliche Konsequenzen fürchten mussten. Ihr Lebenszeugnis soll Ermutigung sein, die Erinnerung an jene Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten, die in der Nachkriegszeit auch in der Kirche oft recht schnell vergessen wurden“, so Bischof Scheuer.

Scheuer erinnerte zudem an das Geschenk einer 80-jährigen Friedenszeit in Österreich. Auf den Trümmern und Ruinen der zertrümmerten Republik seien Rechtsstaat und Demokratie mit Gewaltentrennung, Grund- und Freiheitsrechten aufgebaut worden – keine Selbstverständlichkeit, sondern ein hohes Gut, das täglich verteidigt werden müsse. Ebenso wenig selbstverständlich seien Wirtschaftswachstum und Wohlstand oder die Sozialpartnerschaft. Der Bischof wörtlich: „Wir sollten nicht zu denen zählen, die dem Faszinosum des Gegeneinanders, des Konfliktes und des Krieges nachtrauern. Ich sehe in der Versöhnung der Gegner eine große Lernbereitschaft und in der Fähigkeit zum Kompromiss, der damit auch verbunden ist, einen großen Fortschritt. Kompromisse sind nicht nur faul oder feige, sondern Ausdruck des Willens zum Miteinander und zur Versöhnung.“

Auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bleibe es zentrale Aufgabe, den Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern, mahnte Bischof Scheuer. „Wir erinnern uns, damit wir nicht nachlassen in dem Bemühen, den Frieden in Gegenwart und Zukunft zu sichern und zu fördern. Wir wissen: Es gibt keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit, ohne den Schutz der Menschenrechte, ohne Freiheit und ohne die Achtung des Rechts.“

Bericht und Fotos zur Präsentation auf der Webseite der Diözese Linz

Text: FFJI u. Diözese Linz/26.5.2025