Gastvorträge: Konstruktionen des Vernakularen.

20. Mai 2025

16:15 - 20:00 Uhr

Hörsaal 1

Im Rahmen der Lehrveranstaltung "Architekturgeschichte Spezial: Heimat.los! Facetten (un)passender Architekturen" von Professorin Anna Minta (Institut für Geschichte und Theorie der Architektur) halten am 20. Mai 2025 Medienwissenschaftlerin Susanne Müller (Potsdam) und Volkskundlerin Thekla Weissengruber (Linz) zwei Gastvorträge zum Thema "(Bau)Kultur Österreichs: Konstruktionen des Vernakularen".

Die von Univ.-Prof.in Dr.in Anna Minta in diesem Sommersemester gehaltene Vorlesung "Heimat.los! Facetten (un)passender Architekturen" fragt nach Vorstellungen, Konstruktionen und Formen des Zuhause-Seins. Nicht erst seit den zunehmenden globalen Migrationsphänomenen, sondern über die Jahrhunderte hinweg gab es Bemühungen und Visionen, identitätsstiftende Architekturen des "Eigenen" zu definieren und diesen etwas "Anderes/Fremdes/Exotisches" entgegenzustellen.

"Heimat bauen" in der Architektur zielt darauf, einen engen Zusammenhang zwischen Gebäuden, Nutzer:innen und einer kulturellen, sozialen, geografischen oder emotionalen Identität eines Ortes herzustellen. In der Konstruktion von heimatlichen Architekturen liegen häufig romantisierende Motive des Eigenen und hegemoniale Akte gegenüber dem Fremden. Architektur wird im kolonialen Kontext zum Machtinstrument, räumliche und soziale Ordnung zu etablieren und kontrollieren.

Anlässlich der diesjährigen Österreich-Jubiläen (80 Jahre – Ende des Zweiten Weltkriegs, Wiederrichtung der Republik; 70 Jahre – Unterzeichnung des Staatsvertrags; 30 Jahre – Beitritt zur Europäischen Union) fragt die Veranstaltung nach der Konstruktion österreichischer Identitäten im Kontext von Volkskultur.

In Form eines öffentlich zugänglichen Kolloquiums mit zwei Gastvorträgen widmet sich die Einheit am 20. Mai 2025 dem Thema "(Bau)Kultur Österreichs: Konstruktionen des Vernakularen".

Exotische Volkskultur. Das Bauernhaus als Ausstellungsmedium

Vortrag von Susanne Müller (Potsdam)

Im Jahr 1873 wird in Wien die fünfte offizielle Weltausstellung eröffnet und wie schon sechs Jahre zuvor in Paris sind die ausstellenden Nationen dazu aufgerufen worden, landestypische Pavillons zu errichten. Zahlreiche Nationen und Kolonien kommen der Bitte nach; so entsteht eine Art ‘ethnographisches Dorf', das sich im Laufe der Ausstellung zur Hauptattraktion entwickelt. 

Ausgehend von der Wiener Weltausstellung soll gezeigt werden, in welchem historischen Kontext die heutigen Freilichtmuseen, in denen sich oftmals originale Bauernhäuser befinden, entstanden sind. Nahezu zeitgleich werden nämlich auch andere Ausstellungsformen, wie Völkerkundemuseen, volkskundliche Sammlungen sowie Völkerschauen etabliert.

Zudem wird erläutert, wie und warum aus einer vormals unbeachteten, ärmlichen Wohnstätte binnen weniger Jahrzehnte ein etabliertes Ausstellungsmedium werden konnte.

Zur Referentin
Dr.in Susanne Müller ist akademische Mitarbeiterin am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam. Neben medientheoretischen Aspekten und der Geschichte des Reisens liegen ihre Forschungsschwerpunkte in der Medienkulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Zudem forscht sie zum Begriff des ‘Erfindens', um ihn im Sinne einer produktiven Kraft, die stabile Zustände kurzfristig aufbricht, zu umschreiben.

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Wann ist Tracht? Vestimentäre Identitätskonstruktionen in Österreich

Vortrag von Thekla Weissengruber (Linz)

Seit dem späten 18. Jahrhundert wird in der Reiseliteratur die “schöne Linzerin" mit der prächtigen Goldhaube gepriesen. Die Linzer Goldhaube sollte sich in den darauffolgenden Jahren auch durch die populäre Druckgrafik zum Sinnbild Oberösterreichs entwickeln. Ein Bild, das bis heute fortlebt. 

Anhand einzelner Beispiele der Kostümsammlung aus den Beständen des Oberösterreichischen Landesmuseums soll aufgezeigt werden, wie vestimentäre Identitätskonstruktionen in Österreich seit dem 18. Jahrhundert bis heute für verschiedenste Zwecke ‘genutzt' werden.

Dabei wird versucht, den Begriff “Tracht" durch die unterschiedlichsten Zugänge der einzelnen Epochen erklärbar zu machen. 

Zur Referentin
Dr.in Thekla Weissengruber ist Sammlungsleiterin der Abteilung Volkskunde und Alltagskultur am Oberösterreichischen Landesmuseum (OÖ Landes-Kultur GmbH). Neben verschiedensten Themen aus dem Bereich der empirischen Kulturwissenschaft liegt ein Schwerpunkt in der Erforschung des Umgangs mit vestimentären Traditionen, insbesondere von Tracht und Kleidung. Dabei interessieren nicht nur kulturwissenschaftliche und transdisziplinäre, sondern auch gesellschaftspolitische Positionen, die sich anhand von Originalobjekten aus der Sammlung erklären lassen.


8.4.2025/RK