Gastvorträge: Flüchtlingslager und Umsiedlungsprojekte.

29. April 2025

16:15 - 20:00 Uhr

Hörsaal 1

Im Rahmen der Lehrveranstaltung "Architekturgeschichte Spezial: Heimat.los! Facetten (un)passender Architekturen" von Professorin Anna Minta (Institut für Geschichte und Theorie der Architektur) halten am 29. April 2025 Professorin Antje Senarclens de Grancy (Graz) und Architektin Romana Federer (Innsbruck) zwei Gastvorträge zum Thema "Flüchtlingslager und Quartiere politischer Umsiedlungsprojekte".

 

Die von Univ.-Prof.in Dr.in Anna Minta in diesem Sommersemester gehaltene Vorlesung "Heimat.los! Facetten (un)passender Architekturen" fragt nach Vorstellungen, Konstruktionen und Formen des Zuhause-Seins. Nicht erst seit den zunehmenden globalen Migrationsphänomenen, sondern über die Jahrhunderte hinweg gab es Bemühungen und Visionen, identitätsstiftende Architekturen des "Eigenen" zu definieren und diesen etwas "Anderes/Fremdes/Exotisches" entgegenzustellen.

"Heimat bauen" in der Architektur zielt darauf, einen engen Zusammenhang zwischen Gebäuden, Nutzer:innen und einer kulturellen, sozialen, geografischen oder emotionalen Identität eines Ortes herzustellen. In der Konstruktion von heimatlichen Architekturen liegen häufig romantisierende Motive des Eigenen und hegemoniale Akte gegenüber dem Fremden. Architektur wird im kolonialen Kontext zum Machtinstrument, räumliche und soziale Ordnung zu etablieren und kontrollieren.

In Form eines öffentlich zugänglichen Kolloquiums mit zwei Gastvorträgen widmet sich die Einheit am 29. April 2025 dem Thema "Flüchtlingslager und Quartiere politischer Umsiedlungsprojekte".

Das Eigene, das Fremde, das Universale. Zu den Architekturen der k.k. Flüchtlingslager im Ersten Weltkrieg

Vortrag von Antje Senarclens de Grancy (Graz)

Ab 1914 machten sich die österreichischen Behörden der Habsburgermonarchie mit übernational-universalen Lösungen daran, temporäre Unterkünfte für Tausende Binnenflüchtlinge aus Galizien, der Bukowina, dem Trentino und Istrien zu planen und normierte, seriell produzierte Lagerbaracken zu errichten. Um die schwierigen, ja oft katastrophalen Lebensbedingungen erträglicher zu machen (oder von diesen abzulenken), wurden in den Lagern bauliche Maßnahmen ergriffen. Dabei kamen einerseits deutschnational-regionalistisch motivierte Bauformen zum Einsatz, andererseits suchte man die Gewohnheiten der Geflüchteten und Zwangsevakuierten in ihren Herkunftsländern zu berücksichtigen, damit diese sich heimischer fühlten und so Depressionen und Fluchtversuche verhindert werden konnten.

Der Vortrag geht den Vorstellungen, Hintergründen und Ambivalenzen dieser speziellen Architekturen nach. 

Zur Referentin
Assoc. Prof.in Dr.in Antje Senarclens de Grancy ist Architekturhistorikerin. Sie ist seit 2022 Associate Professor am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der Technischen Universität Graz. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte umfassen Geschichte und Theorie der Architektur im 19. und 20. Jh. im gesellschaftlichen und politischen Kontext, Reformbewegungen der Moderne (Werkbund, Heimatschutz), Kanonisierungsprozesse der Architekturgeschichte sowie die Beziehungen und Schnittmengen zwischen der Typologie des Lagers und Architektur bzw. Städtebau.

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Die Südtiroler Siedlungen als Projektionsfläche nationalsozialistischer Propaganda

Vortrag von Romana Federer (Innsbruck)

Die Südtiroler Siedlungen dienten zur Neubeheimatung von ca. 75.000 Südtiroler:innen, die sich nach dem Abkommen zwischen Hitler und Mussolini 1939 zur Umsiedlung ins Deutsche Reich entschlossen. Zwischen 1939 und 1945 wurden allein in Tirol mehr als 30 solcher Siedlungen gebaut.

Neben ihrer vorrangigen Funktion, der Schaffung von Wohnraum, bilden sie eine Ausnahme im sozialen Wohnbau und in der NS-Architektur. Sie dienten als Propagandawerkzeug, waren Folge von Hitlers und Mussolinis "völkischer Flurbereinigung", schufen die Voraussetzung für die erste organisierte Einwanderungswelle nach Tirol dieser Größenordnung und provozierten erstmals einen architektonischen Diskurs über die Identität Tirols.

Im Vortrag werden die politischen Absichten, gesellschaftliche Auswirkungen und die kulturelle Bedeutung der Siedlungen und ihrer Architektursprache diskutiert. 

Zur Referentin
Dipl.-Ing.in Romana Federer, Studium Architektur und Städteplanung in Innsbruck mit Fokus auf die Architektur des Nationalsozialismus. Diplomarbeit mit dem Titel: "Die Südtiroler Siedlungen in Tirol: Ihre historische und architektonische Bedeutung als gemeinsames Erbe (shared heritage)". Romana Federer war als Architektin in Tirol tätig und arbeitet heute im Projektmanagement.

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18.3.2025/RK