Start der 25. Ökumenischen Sommerakademie: Frieden stiften

"Frieden stiften" steht im Fokus der Ökumenischen Sommerakademie von 10. bis 12. Juli 2024 im Stift Kremsmünster. Die Veranstaltung, die heuer ihr 25-jähriges Jubiläum feiert, wurde heute Nachmittag mit zahlreichen Teilnehmer:innen eröffnet.

Ob und wie in kriegerischen Konflikten Frieden gestiftet werden kann, ist Thema der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im Kaisersaal des Stifts Kremsmünster von 10. bis 12. Juli 2024. Die aktuellen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten haben diese Fragen auch in Europa besonders aktuell werden lassen.

Am ersten Tag referierten nach Eröffnungsworten von Landeshauptmann Thomas Stelzer, Bischof Manfred Scheuer, Superintendentialkuratorin Renate Bauinger und dem Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz (KU Linz) Christoph Niemand der Journalist und ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz und der Historiker Hannes Leidinger vom Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien.

Zahlreiche Interessierte betrachteten am ersten Tag Krieg und Frieden in Geschichte und Gegenwart sowie politische Aspekte von Kriegen im Hinblick auf den Weg zum Frieden. Unter den Gästen waren Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Gesellschaft sowie Vertreter:innen der Veranstalter:innen, etwa Landeshauptmann Thomas Stelzer, Landeshauptmann a. D. Josef Pühringer, der Bürgermeister von Kremsmünster Gerhard Obernberger, Landtagsabgeordneter Reinhard Ammer, Bischof Manfred Scheuer, Generalvikar Severin Lederhilger OPraem, der Direktor der Caritas OÖ Franz Kehrer, die Leiterin des Bereichs „Bildung und Kultur“ in der Diözese Linz Sr. Maria Maul, der Leiter des Fachbereichs Priester und Diakone Martin Füreder, Superintendent Gerold Lehner, Superintendentialkuratorin Renate Bauinger, Gastgeber und Hausherr Abt Ambros Ebhart, Doktorand am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo Rom P. Anselm Demattio, der Rektor der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz Christoph Niemand, die ehem. Leiterin des Evangelischen Bildungswerkes OÖ Ulrike Eichmeyer-Schmid, der Journalist und ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, Historiker Hannes Leidinger vom Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien sowie der ehem. Chefredakteur der Kirchenzeitung Matthäus Fellinger.

Moderiert wird die Veranstaltung von Helmut Obermayr, Mitbegründer der Ökumenischen Sommerakademie und ehemaliger langjähriger Landesdirektor des ORF-Landesstudios OÖ. In seiner Begrüßung skizzierte Obermayr zentrale Fragestellungen der heurigen Sommerakademie: „Wie kann man in dieser Welt der Kriege Frieden stiften? Kann man dies überhaupt angesichts der herrschenden Machtpolitik? Kann Frieden werden angesichts des Leides, das die vom Krieg betroffenen Menschen erleben müssen? Und: Welche Aufgabe haben die Kirchen in dieser vom Krieg durchzogenen Welt?“

Obermayr machte darauf aufmerksam, dass die heurige Sommerakademie die letzte in dieser Form sein wird, es aber bereits Überlegungen dazu gebe, wie auch in Zukunft dem Anspruch gerecht werden kann, Themen zu behandeln, von denen die Menschen Antworten von den Kirchen erwarten.

Stelzer: "Um Frieden zu stiften, brauche es den Beitrag jedes:r Einzelnen"


Landeshauptmann Thomas Stelzer ging in seinen Eröffnungsworten auf die gesellschaftlichen Änderungen und die alltäglichen Herausforderungen ein. "Wir leben in einer Zeit, wo alles im Augenblick passieren soll, wo jede Antwort und jede Entscheidung – egal, wie groß ihre Tragweite ist – immer sofort sein muss, speziell in der digitalen Welt. In einem Höllentempo treiben wir uns gegenseitig voran. In der Sommerakademie wird gezeigt und vorgelebt, dass es für gute und nachhaltige Lösungen eben auch das Nachdenken braucht, das Sich-Auseinandersetzen, das Eingehen-Aufeinander", so Stelzer. Er bedankte sich bei den Organisator:innen und allen, die sich einbringen, gerade im Hinblick auf die heurige Themensetzung. "Gerade jetzt, wo der Krieg an die Haustüren Europas gerückt ist, ist das Thema präsent und wichtig. Daher ist die Ursehnsucht des Menschen, in Frieden und Freiheit leben zu können eine großartige, aber wohl eine niemals ganz erfüllbare.“ Frieden zu stiften sei Stelzer zufolge immer eine Kollektivleistung – und doch brauche es dazu immer den Beitrag jedes:r Einzelnen", so Stelzer.

Scheuer: "Frieden stellt keinen natürlichen Zustand dar, sondern muss gestiftet werden"

Bischof Manfred Scheuer nahm in seinen Eröffnungsworten Bezug auf Immanuel Kant, der bereits 1795 eine konkrete Vision einer Welt- und Friedensordnung geschaffen hat – „Zum ewigen Frieden“.  Dabei stellte Kant klar, dass der Frieden kein natürlicher Zustand für den Menschen sei und deshalb gestiftet werden müsse. Kants „Zum ewigen Frieden“ habe wesentlich die Charta der Vereinten Nationen beeinflusst; die Grundsätze, basierend auf seinen Grundannahmen zur Menschennatur seien nach wie vor aktuell, erklärte Scheuer. „Wen haben wir im Blick, wenn wir Krieg und Frieden betrachten? Welche Interessen, welches Leid kommt da zur Sprache?“, stellte Scheuer als Fragen in den Raum und schilderte Eindrücke seiner Reise nach Syrien im September 2023 mit ICO (Initiative Christlicher Orient). „Größte Herausforderung ist die Haltung oder Absage: There is no future. Gerade die Kinder sind ,displaced‘, psychologisch und auch spirituell. Die Kinder sind mit Angst aufgewachsen im Bombenlärm, in der Krise, im Krieg und auf der Flucht. Sie sind alleine gelassen, im Stich gelassen; in der Dunkelheit und in der Angst war niemand da: es wird wieder gut! Wer sagt den Kindern, die Angst haben: Es wird wieder gut?!“ Scheuer zufolge hätten wir den Kindertraum vom Frieden in uns: „das Wunder, dass doch wieder heil werde, was in die Brüche gegangen ist oder was kaputt gemacht wurde. Warum auch sonst sagen die Eltern ihrem Kind, das auf die Nase geflogen ist: ,es wird alles wieder gut‘. Das ist ein höchst schöpferisches Wort“, so der Bischof und zitierte Dag Hammarskjöd. Das Verzeihen habe eine schöpferische Macht analog zur schöpferischen Macht Gottes: „Die Vergebung zerbricht die Ursachenkette dadurch, dass der, der – aus Liebe – ,vergibt', die Verantwortung auf sich nimmt für die Folgen dessen, was du tatest. Sie bedeutet daher immer Opfer. Der Preis für deine eigene Befreiung durch eines anderen Opfer ist, dass du selber fähig bist, auf die gleiche Weise zu befreien, ungeachtet des Einsatzes“, so Scheuer.

Bauinger: "Den Frieden nicht aus dem Blick verlieren"

Superintendentialkuratorin Renate Bauinger unterstrich: “Die 25. Ökumenische Sommerakademie stellt sich 2024 einem Thema, einer Aktualität in unserer Welt und auch in unserer unmittelbaren Umgebung: Frieden stiften. Aber wie über Frieden reden, in Zeiten von Krieg? Über den Frieden sprechen heißt, über etwas sprechen, das es nicht gibt. Solange der Mensch auf dieser Erde lebt, hat er sich der Gewalt und dem Krieg verschrieben. Kriege lösen ein Gefühl der Ohnmacht aus, doch am Ende sollten wir den Frieden nicht aus dem Blick verlieren”, appellierte Bauinger. In einer Welt, die von Konflikten geprägt ist, sei es wichtiger denn je, sich für den Frieden einzusetzen. "Die Kirchen spielen dabei eine bedeutende Rolle, indem sie Werte wie Nächstenliebe, Vergebung und Versöhnung fördern. Durch ihre Botschaften und Aktivitäten tragen sie dazu bei, Brücken zwischen Menschen zu bauen und Konflikte zu überwinden", so Bauinger.

Niemand: "Für dauerhaften Frieden hilft jeder einzelne Schritt zur Gerechtigkeit" 

Christoph Niemand, Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz: „Die Katholische Privatuniversität Linz versteht sich als ein Ideengeber und Diskussionsforum für Theologie, Philosophie, Kunstwissenschaften, Geisteswissenschaften. Darum ist es uns wichtig, auch Veranstaltungen wie die Ökumenische Sommerakademie mitzuverantworten und mitzugestalten. Die Bedeutung und Brisanz des heurigen Themas ist evident“, betonte Niemand und schlug eine Brücke zum Propheten Jesaja: "Das Werk der Gerechtigkeit ist der Friede." Wenn man Frieden stiften will, müsse man – in kleinen Schritten – mehr für Gerechtigkeit sorgen auf allen Ebenen, so Niemand. "Es gibt viele Wege zum Frieden, aber für dauerhaften Frieden hilft immer jeder einzelne Schritt zur Gerechtigkeit", zeigte sich Niemand überzeugt.

Ökumenische Sommerakademie

Die Ökumenische Sommerakademie feiert heuer das 25-Jahrjubiläum. Seit dem Jahr 1999 beschäftigt sich die Ökumenische Sommerakademie mit Fragen, die die Menschen aktuell bewegen und bei denen sie auch Antworten von Theolog:innen und Kirchen erwarten. Die Themen sind breit gestreut und reichen von Politik und Ökonomie über Gentechnik, Hirnforschung und digitale Revolution bis zu existentiellen Fragen der einzelnen Menschen bzw. der Gesellschaft.

Die 25. Ökumenische Sommerakademie findet von 10. bis 12. Juli 2024 im Kaisersaal des Stiftes Kremsmünster statt. Die Vorträge und Diskussionen sind öffentlich zugänglich. 

Veranstalter:innen sind die Katholische Privat-Universität (KU) Linz, der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich, das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich, die KirchenZeitung Diözese Linz, das Stift Kremsmünster, die Religionsabteilungen des ORF in Fernsehen und Hörfunk und das Land Oberösterreich. Medienpartner sind der ORF Oberösterreich und die Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN). Organisiert wird die Ökumenische Sommerakademie von der KU Linz. 

Vorschau: Tag 2 und 3 der Sommerakademie


Am Donnerstag, 11. Juli 2024 referiert Eva Harasta, Programmleitung für Globale Lutherische Theologie, Lutheran World Federation zum Thema „Friede, Gerechtigkeit und Versöhnung suchen. Eine evangelische Perspektive aus der internationalen Ökumene“. 

Katja Winkler, Assistenzprofessorin am Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der KU Linz
widmet sich dem Thema „Friedenspotenziale im Katholizismus. Entwicklungslinien und aktuelle Debatten”.

Alexandra Battenberg, Pfarrerin Evangelische Pfarrgemeinde A.B., Schwechat beleuchtet das Thema „Von der Asche zum Leuchtfeuer – Impulse aus der Versöhnungsarbeit in Coventry”. 

Im Anschluss erfolgen eine Podiumsdiskussion sowie ein Festakt „25 Jahre Ökumenische Sommerakademie“ im Theatersaal des Stifts.
 
Am Freitag, 12. Juli 2024 spricht Oliver Hidalgo, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Passau zum Thema „Zwischen Frieden und Gewalt – Erklärungsversuche für die politische Ambivalenz von Religionen“. 
Den Abschluss der Tagung bildet eine Podiumsdiskussion zum Thema „In Konflikten für Frieden eintreten“ mit Tiran Petrosyan, Bischof Armenisch-Apostolische Kirche in Mitteleuropa und Skandinavien und Vorsitzender des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich; Gerold Lehner, Superintendent Evangelische Kirche A.B. Oberösterreich und Werner Freistetter, Bischof römisch-katholisches Militärordinariat der Republik Österreich (Militärdiözese).

Quelle: Diözese Linz