Start der 24. Ökumenischen Sommerakademie: Salz der Erde.
Der jesuanische Auftrag aus der Bergpredigt, Salz der Erde zu sein, stellt die christlichen Kirchen im modernen, säkularen Europa vor existentielle Fragen und Herausforderungen. Die Kirchen haben ihre über Jahrhunderte gewohnte Position in der Gesellschaft verloren. Für eine Vielzahl der Menschen hat die Religion im Alltag kaum mehr Bedeutung. Ganz grundsätzlich wird auch der moralische Anspruch der Kirchen in Frage gestellt. Nach den Einschränkungen durch die Pandemie der letzten Jahre ist die Zahl der Gottesdienstbesucher noch einmal gravierend zurückgegangen. Die traditionellen Privilegien der Kirchen im Rechtssystem werden zunehmend eingeschränkt oder ganz abgeschafft. Das gilt für die einzelnen Staaten ebenso wie für die Europäische Union.
Im ersten Teil der Sommerakademie werden die gesellschaftlichen Entwicklungen aus der Sicht der Sozialforschung und der Wandel in der rechtlichen Position dargestellt.
Der biblische Auftrag gilt für Christ:innen aber auch in der Gegenwart. Es soll daher untersucht werden, wie weit die Kirchen unter den geänderten Verhältnissen den Anspruch, Salz der Erde zu sein, noch erfüllen können. Es werden neue Chancen und Möglichkeiten gezeigt, die sich aus der veränderten Situation ergeben.
Soziale Angebote und die Zusammenarbeit mit Organisationen außerhalb der Kirchen finden nach wie vor Anerkennung. Gottesdienste sind in besonderen Lebenssituationen gefragt. Aber sie müssen für kirchenferne Menschen verständlich sein.
Ausgehend von Vorträgen evangelischer, katholischer und orthodoxer Theolog:innen und Kirchenvertreter:innen behandelt die 24. Ökumenische Sommerakademie im Stift Kremsmünster das Thema insbesondere aus europäischer Sicht. Es betrifft die Kirchen der verschiedenen Konfessionen in gleicher Weise. Daher wird auch der Frage nachgegangen, ob die Ökumene neue Chancen bietet, gemeinsam Salz der Erde zu sein.
Am ersten Tag referierten nach Eröffnungsworten von Landeshauptmann Thomas Stelzer, Rektor Christoph Niemand, Superintendent Gerold Lehner und Bischof Andrej Ćilerdžić Thomas Petersen, Kommunikationswissenschafter und Meinungsforscher am Institut für Demoskopie Allensbach sowie Herbert Kalb, Professor und Leiter des Instituts für Kanonistik, Europäische Rechtsgeschichte und Religionsrecht an der Johannes Kepler Universität Linz.
Etwa 200 Interessierte betrachteten am ersten Tag gemeinsam mit den renommierten Referenten die Ergebnisse repräsentativer Bevölkerungsumfragen zum Christentum sowie Entwicklungen im österreichischen Religionsrecht. Unter den Gästen waren Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Gesellschaft sowie Vertreter:innen der Veranstalter:innen, etwa Landeshauptmann Thomas Stelzer, Landeshauptmann a. D. Josef Pühringer, der Bürgermeister von Kremsmünster Gerhard Obernberger, Bischof Manfred Scheuer, Generalvikar Severin Lederhilger OPraem, der Direktor der Caritas OÖ Franz Kehrer, die Direktorin des Österreichischen Pastoralinstituts Gabriele Eder-Cakl, Superintendent Gerold Lehner, Superintendentialkuratorin Renate Bauinger, die Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich Ingrid Bachler, der Bischof der Serbisch-orthodoxen Kirche Österreich-Schweiz-Italien Andrej Ćilerdžić, Gastgeber und Hausherr Abt Ambros Ebhart, der erst gestern zum Priester geweihte und Doktorand am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo Rom P. Anselm Demattio, der Rektor der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz Christoph Niemand, der Vorstand des Johannes Schaschnig SJ Instituts und Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der KU Linz Christian Spieß, die Vorsitzende des Evangelischen Bildungswerks Andrea Greinecker, der Landesdirektor des ORF Oberösterreich Klaus Obereder, der stv. Leiter des Ressorts Politik und leitender Redakteur bei den Oberösterreichischen Nachrichten Markus Staudinger, ORF-Religions-Redakteurin Brigitte Krautgartner sowie der Chefredakteur der Kirchenzeitung Heinz Niederleitner.
Moderiert wird die Veranstaltung von Helmut Obermayr, Mitbegründer der Ökumenischen Sommerakademie und ehemaliger langjähriger Landesdirektor des ORF-Landesstudios OÖ.
Stelzer: "Kirchen tragen zur Sinnstiftung bei"
Landeshauptmann Thomas Stelzer nahm in seinen Eröffnungsworten Bezug auf die gesellschaftlichen Änderungen und die alltäglichen Herausforderungen. „Wir brauchen die Kirchen als starkes Gegengewicht zur zunehmenden Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft. Kirchen sind nicht nur das soziale Gewissen, sie tragen auch zur Sinnstiftung bei und geben in einer sehr bewegten Welt Halt.“ Stelzer dankte „für das gute Miteinander der Religionen und Konfessionen in unserem Land.“
Niemand: "Was bleibt, wenn die Staatsreligion ,Christentum‘ verdrängt ist?"
Für Christoph Niemand, Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz sei das Titelwort "Salz der Erde" ein "Sprachbild – eine Metapher, die von Jesus von Nazareth selbst geprägt wurde. Es soll in dieser Sommerakademie darum gehen, wie Religionsgemeinschaften und Kirchen sowie Welt und Gesellschaft sich zueinander verhalten." Er hob die Relevanz des Themas hervor und stellte die Frage in den Raum: "Was bleibt, wenn die Volkskirche erodiert ist, wenn die Staatsreligion ,Christentum‘ verdrängt ist? Frustrierte Leere oder eine Chance für das Christentum, zu sich selbst zu kommen?" Wie Kirche in einer Gesellschaft, die nicht mehr selbstverständlich religiös ist, „Salz im gesellschaftlichen Diskurs“ sein könne, gilt für Niemand als eine leitende Fragestellung.
Lehner: "Einheit von Kirche und Welt"
Gerold Lehner, Superintendent der Evangelischen Kirche A.B. Oberösterreich nehme „deutliche Tendenzen“ aus „seiner“ Kirche wahr, dass die Kirche in einer säkularen Gesellschaft immer die Orientierung verliere. „Immer mehr richten wir und der Welt zu, immer weniger – provokant gesagt – Gott“, so Lehner. „Doch gelte es, beide Dimensionen „nicht gegeneinander zu spielen, sondern zu integrieren und als eine Einheit zu sehen“, betonte Lehner.
Ćilerdžić: "Verständigung der Kirchen untereinander noch mehr vertiefen"
Andrej Ćilerdžić, Bischof der Serbisch-orthodoxen Kirche Österreich-Schweiz-Italien betonte, die Sommerakademie trage wesentlich zum Dialog der Ökumene bei und könne wertvolle Impulse setzen. Er plädierte dafür, die gezielte Verständigung unter den Kirchen noch mehr zu vertiefen. Ćilerdžić brachte seine Freude über die rege Teilnehmer:innenzahl zum Ausdruck und dankte den Referierenden für ihre wertvollen Beiträge.
Vorschau: Tag 2 und 3 der Sommerakademie
Am Donnerstag, 13. Juli 2023 referiert Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, Wien zum Thema „Würzen, wirken, wandeln – Biblische Impulse“. Rade Kisić, außerordentlicher Professor für Ökumenische Theologie, Fakultät für Orthodoxe Theologie an der Universität Belgrad widmet sich dem Thema „Zwischen Nationalkirche und Diaspora – Erfahrungen aus der serbisch-orthodoxen Kirche“. Isabella Bruckner, Professorin für Christliches Denken und spirituelle Praxis am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo, Rom beleuchtet das Thema „Nicht ohne die anderen – Öffentlich feiern in postsäkularer Pluralität“. Gerti Rohrmoser, Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit in Österreich, Wien spricht zum Thema „Gemeinsam sind wir stark – Allianzen zwischen kirchlichen und säkularen Initiativen“.
Am Freitag 14. Juli 2023 bildet eine Podiumsdiskussion zum Thema „Christentum und Europa“ mit Andrej Ćilerdžić, Bischof der Serbisch-Orthodoxen Kirche Österreich-Schweiz-Italien, Franz Fischler ehem. EU-Kommissar, ehem. Präsident des Europäischen Forums Alpbach, Peter Krömer, Präsident der Synode A.B. und der Evangelischen Generalsynode A. und H.B. sowie Ladislav Német, Erzbischof von Belgrad und Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) den Abschluss der Tagung.
Ökumenische Sommerakademie
Seit dem Jahr 1999 beschäftigt sich die Ökumenische Sommerakademie mit Fragen, die die Menschen aktuell bewegen und bei denen sie auch Antworten von Theolog:innen und Kirchen erwarten. Die Themen sind breit gestreut und reichen von Politik und Ökonomie über Gentechnik, Hirnforschung und digitale Revolution bis zu existentiellen Fragen der einzelnen Menschen bzw. der Gesellschaft.
Die 24. Ökumenische Sommerakademie findet von 12. bis 14. Juli 2023 im Kaisersaal des Stiftes Kremsmünster statt. Die Vorträge und Diskussionen sind öffentlich zugänglich. Veranstalter:innen sind die Katholische Privat-Universität (KU) Linz, der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich, das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich, die KirchenZeitung Diözese Linz, das Stift Kremsmünster, die Religionsabteilungen des ORF in Fernsehen und Hörfunk und das Land Oberösterreich. Medienpartner sind der ORF Oberösterreich und die Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN). Organisiert wird die Ökumenische Sommerakademie von der KU Linz.
12.07.2023/Diözese Linz/HE