Kirchliche Schöpfungszeit unterstreicht Dringlichkeit des Klimaschutzes.

Wien/Linz, 24.08.2023 (KAP) Auch wenn das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf einen Zuwachs von maximal plus 1,5 Grad Celsius zu beschränken, realistischer Weise nicht mehr erreicht werden kann, macht es Sinn, alle Anstrengungen in diese Richtung weiterzuverfolgen. Das hat der Moraltheologe und Ethiker Prof. Michael Rosenberger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress betont. Er wies auf wissenschaftliche Berechnungen hin, wonach es bei Umsetzung der jetzt geplanten Klimaschutzmaßnahmen zu einer Erwärmung von 2,7 Grad kommen werde. Das sei angesichts der dann zu erwartenden globalen Extremwetterereignisse unbedingt zu vermeiden. Statt in Resignation zu verfallen, müsse alles getan werden, um mit plus 1,7 oder 1,8 Grad den Schaden möglichst gering zu halten.
Der an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz lehrende und seit 2004 als Umweltreferent der Diözese Linz tätige Priester mit Forschungsschwerpunkt Schöpfungsethik äußerte sich im Vorfeld des am 1. September begangenen "Tags der Schöpfung", an dem die christlichen Kirchen die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft auf vielfache Weise betonen. Laut Rosenbergers Einschätzung ist der Klimaerwärmung mit technischer Innovation nicht beizukommen, auf die manche Politiker als Bewältigungsstrategie setzen.
Es sei aber auch verfehlt, ausschließlich von der Politik eine ökologische Kehrtwende einzufordern. Denn die Umweltkrise sei auch eine geistige, ja spirituelle Krise. Und um zu einem neuen, das Wohl künftiger Generationen berücksichtigenden Lebensstil zu kommen, und zu einer Haltung zu finden, die auch nichtmenschlichen Geschöpfen Respekt entgegenbringt, seien die Kirchen gefordert. Das Christentum könne eine Inspiration dafür sein, dass im Verzicht und in der Reduktion auf das Wesentliche im Leben auch ein Gewinn liegen kann, sagte Rosenberger.
Dass zuletzt politische Parteien im Aufwind scheinen, die Umweltpolitik links liegen lassen, ist laut dem Theologen ein Spiegelbild der Wählerschaft. Auch unter ihr werde die Dramatik der Klimakrise ausgeblendet und die Realität verleugnet. Rosenberger sieht dahinter ein anthropologisches Dilemma: Der Mensch nehme Gefahren wahr, wenn sie unmittelbar bedrohlich sind; als mögliches Zukunftsszenario würden Gefahren oft nicht ernst genommen - obwohl heutiges Handeln bzw. Nichthandeln absehbare Folgen habe.
Bischöfe würden sich hier leichter tun als Politiker, etwa Verständnis für den Protest von Klimaaktivistinnen und -aktivisten zu äußern, statt mit Schielen auf aktuelle Mehrheiten verschärfte Strafen für "Klimaterroristen" zu fordern, meinte Rosenberger. Auf die Umkehr solcher Mehrheiten müsse aber von allen Verantwortlichen mit Vernunft und gutem Willen hingearbeitet werden - etwa durch die "absolut plausible" und leicht umzusetzende Maßnahme einer Temporeduktion im Straßenverkehr, wie der Experte im Einklang mit der Letzten Generation anregte.
Prof. Michael Rosenberger war Rektor und Prorektor der Katholisch-Theologischen Privat-Universität Linz, sein Forschungsschwerpunkt als Moraltheologe ist der Bereich Schöpfungsethik (dazu: "Christliche Schöpfungsethik" und "Spiritualität aus Erde", beide 2021 erschienen, "Krone der Schöpfung?", 2023). Der gebürtige Würzburger berät Politik und Kirche - seit 2004 als Mitglied der Gentechnik-Kommission beim Gesundheitsministerium und Umweltsprecher der Diözese Linz, seit 2019 gehört er der Kommission Ethische Geldanlagen der Österreichischen Bischofskonferenz und Ordensgemeinschaften (FinAnKo) an.
Kathpress, 26.8.2023/HE
Für das Klima hoffen heißt handeln. Predigt zum Erntedankfest 2023.