Ines Weber: Zum Bildungspotential der Kirchengeschichte.

Im Rahmen der Eröffnung des akademischen Studienjahres 2017/18 hielt Ines Weber, Professorin für Kirchengeschichte an der Katholischen Privat-Universität Linz, ihre Antrittsvorlesung über Herausforderungen und Beitrag des katholischen Bildungswesens.

Univ.-Prof. Dr. Ines Weber, Professorin für Kirchengeschichte. (c) KU Linz/Eder

"Zu Wachstum und Reife verhelfen". Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Ines Weber, Professorin für Kirchengeschichte.

von li: Rektor Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber, Univ.-Prof. Dr. Ines Weber, Bischof Dr. Manfred Scheuer.

von li: Rektor Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber, Univ.-Prof. Dr. Ines Weber, Bischof Dr. Manfred Scheuer.

Mit einem Gottesdienst mit Magnus Cancellarius Bischof Manfred Scheuer und einem Festakt wurde am Montag, dem 2. Oktober 2017 das akademische Studienjahr 2017/18 an der KU Linz eröffnet. Rektor Franz Gruber begrüßte zahlreiche Gäste aus Kirche, Wirtschaft, Bildung und öffentlichem Leben sowie Lehrende und Studierende der KU Linz.

"Wir sind nicht zuerst dafür da, junge Menschen für einen Beruf auszubilden und fit zu machen, sondern die Kunst des Denkens, des kritischen Fragens und des reflektierten Argumentierens zu lehren", formulierte Rektor Gruber in seiner Eröffnungsrede. Es sei nicht Aufgabe unserer Universität, die Probleme dieser Welt zu lösen, sondern über sie aufzuklären, die Diskurse unserer Wissenschaften Theologie, Philosophie und Kunstwissenschaft zu kennen und sie weiterzuführen. Mit zahlreichen universitätspolitischen Innovationen – etwa der Akkreditierung des neuen PhD-Doktoratsstudiums „Advanced Theological Studies“, der noch im Oktober bevorstehenden Konstituierung des "Franz und Franziska Jägerstätter Instituts" sowie der Errichtung eines "Interuniversitären Zentrums für Ethik" in Kooperation mit der Johannes Kepler Universität und der Kunstuniversität –präsentiert sich die KU Linz einmal mehr als pulsierendes geisteswissenschaftliches Zentrum und als wertvoller Impulsgeber für die Bereiche Wirtschaft, Ethik und Gesellschaft. Fundiertes Wissen erlaube, Fakten von Fiktionen zu trennen, ästhetische und literarische Kenntnisse sowie ein differenziertes historisches und sprachliches Bewusstsein ermöglichen ein kritisches Verhältnis zu sich selbst, eine gesteigerte Sensibilität differenzierten Inhalten gegenüber und ein abwägendes Urteilsvermögen, so Gruber.

Mit den Herausforderungen vor denen wir in Hinblick auf Bildung heute stehen, beschäftigte sich Professorin Ines Weber in ihrem Vortrag "Zu Wachstum und Reife verhelfen". Wie bereits im 2014 von der Kongregation für das katholische Bildungswesen veröffentlichten Dokument Instrumentum laboris festgehalten, beschrieb sie, dass katholische Bildung "kein Randphänomen in einer sich immer mehr säkularisierenden Welt" sei, sondern einen wichtigen Beitrag "für eine menschenfreundliche, gerechte und demokratische Welt" leiste.

Ganzheitliche Bildung und "Personwerdung".

Bildung ist als aktives Geschehen zu verstehen, das vom Lernenden selbst ausgehe. Wichtig sei, die Menschen – in Zeiten der Globalisierung und Ökonomisierung, der Differenzierung und Digitalisierung sowie der interkulturellen und interreligiösen Herausforderungen – für die künftige Berufswelt rede- und antwortfähig zu machen. Kommunikative, kognitive und soziale Kompetenzen treten immer mehr in den Vordergrund. Vernetztes, kritisches Denken, ein hohes Maß an Professionalität gepaart mit Menschlichkeit sind heute gefragt. Aufgabe der Universität muss es sein, die Studierenden bei ihrem persönlichen Reifungs- und Wachstumsprozess zu begleiten, sie für ihre späteren Aufgaben in Kirche und Gesellschaft vorzubereiten und sie darüber hinaus zu befähigen, den Prozess eines lebenslangen Lernens selbständig fortführen zu können, so Ines Weber.

Multiperspektivität der Kirchengeschichte.

Eine Dimension des Bildungspotentials der Kirchengeschichte ist die Versicherung der eigenen Glaubenstradition. Die Aneignung von Kirchengeschichtswissen, die Rekonstruktion und Beurteilung vergangenen Christseins befähigt Studierende dazu, den eigenen Glaubensinhalt kritisch und multiperspektivisch zu reflektieren. Eine zweite für die heutige gesellschaftliche Situation viel bedeutendere Dimension ist jedoch, dass kirchengeschichtliches Lehren und Lernen über den fachwissenschaftlichen Kompetenzerwerb hinaus zur Persönlichkeitsbildung beiträgt. Studierende lernen anhand historischer Personen, sich in die Denkweisen anderer Menschen hineinzuversetzen, ihr Handeln zu analysieren und zu verstehen und so dem Gegenüber Empathie und Akzeptanz entgegenzubringen. Kirchengeschichtskompetenz bereitet damit auf die Multikulturalität des Berufslebens und unserer Gesellschaft vor. Hochschule wird so zum Lern- und Erfahrungsraum, sowie zum Experimentier- und Erprobungsfeld von Studierenden. In Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Inhalten werden neue Forschungsergebnisse erzielt. Mit einem Zitat aus Instrumentum laboris schließt Ines Weber: "Der Beitrag des katholischen Bildungswesens speist ein zweifaches Wachstum, nämlich das der Wissenschaft und das der Menschlichkeit." 

Ines Webergeboren in Rheda-Wiedenbrück (D), absolvierte eine Ausbildung zur Bankkauffrau bevor sie nebenberuflich in Münster Katholische Theologie und Chemie studierte. 2003 promovierte sie in Tübingen mit der Dissertation "Una lex de viris et de feminis. Zur Religions- und Gesellschaftsgeschichte der Ehe im frühen Mittelalter" zum Doktor der Theologie. Ines Weber war erst wissenschaftliche Mitarbeiterin, später wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Tübingen, zwischenzeitlich hatte sie von 2011-2012 auch die Lehrstuhlvertretung an der Universität Regensburg inne. Mit der Arbeit "Mensch und Bibel. Zur Bildung des Herzens in der katholischen Aufklärung des deutschen Südwestens" habilitierte sie sich 2014 für das Fach Mittlere und Neuere Kirchengeschichte. Seit Oktober 2016 ist Ines Weber Professorin für Kirchengeschichte und Patrologie an der KU Linz. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen "Persönlichkeitsbildung an der Hochschule", die Christentumsgeschichte des frühen Mittelalters und des 19. und 20. Jahrhunderts, Frömmigkeits- und Theologiegeschichte, Geschichte der christlichen Erziehung sowie die Linzer Diözesangeschichte.

4.10.2017/he