Christian Spieß

VL Christliche Sozialwissenschaften II: Christliche Sozial- und Wirtschaftsethik

Kurzbeschreibung

In der Vorlesung werden Motive christlicher und säkularer Sozial- und Wirtschaftsethik vorgestellt, erörtert und diskutiert.Die Sorge um das Zusammenleben gehört seit jeher konstitutiv zum christlichen Glauben und zur Praxis der christlichen Kirchen. Mit der katholischen Soziallehre wurde im Katholizismus seit dem 19. Jahrhundert ein besonderer Zugriff auf die sozialen Fragen der Gegenwart entwickelt. Dabei spielte die Frage nach der Organisation der Wirtschaft und Frage der Gestaltung des Sozialstaats eine besondere Rolle.Spezifisch christliche bzw. katholische Motive wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl etc. konnten große Bedeutung weit über den religiösen Binnenraum hinaus entfalten. Welche Dynamik können solche Motive angesichts der (vorüberge-henden?) Dominanz eines libertär interpretierten Kapitalismus noch entfalten? Wie kann sich das katholischen Sozialmodell, wie wir es beispielsweise aus Österreich kennen, neben anderen Sozialstaatskonzepten bewähren? Welche Bedeutung haben religiöse Motive der Sozial- und Wirtschaftsethik überhaupt noch in sich dynamisch säkularisierenden Gesellschaften?

Lernergebnisse

• Einblick in den sozial- und wirtschaftsethischen Diskurs der Gegenwart.• Kenntnis der wichtigsten Fragen in Bezug auf Wirtschaftsordnung und Sozialstaat.• Grundkenntnisse der Vergleichenden Sozialstaatsforschung.• Kenntnis der wichtigsten sozialethischen Motive (Solidarität, Subsidiarität, soziale Gerechtigkeit) in den Anwendungsbereichen Ökonomie und soziale Sicherung.• Kenntnis wichtiger säkularer wirtschaftsethischer Theorien.

Literatur

 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, 5. Aufl., Bern: Haupt 2016. Amartya Sen, Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft, München: dtv 2002. Bernhard Emunds, Politische Wirtschaftsethik globaler Finanzmärkte, Wiesbaden: Springer Gabler 2014. Marianne Heimbach-Steins et al. (Hg.), Christliche Sozialethik. Grundlagen – Kontexte – Themen. Ein Lehr- und Studienbuch, Regensburg: Pustet 2022.

Hinweise zu Prüfungs-/Beurteilungsmodalitäten

Schriftliche Prüfung/Klausur. 

SE Christliche Sozialwissenschaften: Eure Armut kotzt uns an! Neuer Wohlstandchauvinismus und diakonischer Auftrag der Kirche

Kurzbeschreibung

Zu den Kennzeichen des politischen Systems in Österreich gehört nicht nur die liberale Demokratie, sondern auch die soziale Wohlfahrtspolitik. Das österreichische Sozialmodell zeichnet sich durch Sozialversicherungssysteme und existenzsichernde Transferleistun-gen sowie durch die Sozialpartnerschaft und Wohlfahrtsverbände (Volkshilfe, Caritas, Diakonie...) aus. Zugleich gehört der diakonische Auftrag der Caritas zu den „Grundvollzügen“ der Kirche.Im Seminar wird die Grundstruktur des österreichischen Sozialmodells – im Vergleich zu anderen Wohlfahrtsmodellen – erörtert, werden soziale Herausforderungen und Probleme der Gegenwart (Armut, soziale Ungleichheit, Bildungsungerechtigkeit etc.) analysiert und werden unterschiedliche sozialpolitische Strategien diskutiert.Im Zentrum steht dabei die Frage: Wie ernst nimmt die Politik, wie ernst nimmt die Kirche, wie ernst nimmt die Theologie, wie ernst nehmen wir im gesellschaftlichen Diskurs eigentlich sozioökonomische Ungleichheit, soziale Diskriminierung und das Problem der Armut?

Lernergebnisse

Teilnehmende• setzen sich mit Gestalt und Struktur der Wohlfahrtspolitik (in Österreich) auseinander, erörtern den diakonischen Auftrag der Kirche und analysieren die soziale und diakonische Arbeit kirchlicher Wohlfahrtsverbände im österreichischen Sozialmodell;• setzen sich mit der Realität sozioökonomischer Ungleichheit und deren Auswirkungen für die Menschen auseinander, diskutieren verschiedene Konzepte der Armut und analysieren vergleichend unterschiedliche sozialpolitische Strategien;• bilden Sachkenntnis, Problembewusstsein und Beurteilungskompetenz im Hinblick auf soziale Herausforderungen (wie Bildungsungerechtigkeit, Armut, gesellschaftliche Diskriminierung etc.) aus.

Literatur

- Friedhelm Hengsbach / Matthias Möhring-Hesse (Hg.), Eure Armut kotzt uns an!Solidarität in der Krise, Frankfurt am Main: Fischer 1995.
- Hermann-Josef Große Kracht / Christian Spieß (Hg.), Wohlfahrtspolitik in Zeiten der Säkularisierung. Analysen und Reflexionen, Frankfurt/New York: Campus 2023.
- Karl Gabriel, Die soziale Macht des Christlichen. Religion und Wohlfahrt in Deutschland und Europa, Frankfurt/New York: Campus 2024.
- Stephan Lessenich, Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis, Berlin: Hanser 2016.

Hinweise zu Prüfungs-/Beurteilungsmodalitäten

Veranstaltungsimmanente Prüfung, in der Regel bestehend aus der Gestaltung einer Sitzung bzw. eines Themas und einer schriftlichen Ausarbeitung. 

Archiv

Wintersemester 2024/25

VL Christliche Sozialwissenschaften I: Grundlagen

Kurzbeschreibung

Die Vorlesung führt in die Grundlagen der christlichen Sozialethik und in die sozialwissenschaftliche Reflexion religiöser Überzeugungen und Praxis in modernen Gesellschaften ein.Wie lassen sich Glaubensüberzeugungen in ethische Diskurse der Gegenwart einbringen? In welchem Verhältnis stehen moralische Grundsätze der Religion und universalistische Normen säkularer Verfassungsstaaten? Welche grundlegenden normativen Orientie-rungen bietet die christliche Sozialethik für die Gestaltung moderner, weltanschaulich pluraler Gesellschaften und politischer Strukturen im liberalen Rechtsstaat?Die Vorlesung bietet Gelegenheit zur Diskussion; es wird begleitendes Material (Abstracts, Präsentationen, ergänzende Texte etc.) bereitgestellt.

Lernergebnisse

Studierende• kennen das Anliegen und die Arbeitsweise der christlichen Sozialethik;• können religiöse Orientierungen mit der sozialwissenschaftlichen Realität moderner Gesellschaften in Verbindung bringen;• wissen um die Differenz partikularer religiöser Moral und universaler Gerechtigkeit;• kennen wichtige Anliegen der katholischen Soziallehre im Hinblick auf Freiheitsrechte, bürgerliche Rechte und soziale Anspruchsrechte und• sind in der Lage, die Bedeutung christlicher Überzeugungen in säkularen Diskursen einzuordnen.

Literatur

 Marianne Heimbach-Steins et al. (Hg.), Christliche Sozialethik. Grundlagen - Kontexte - Themen. Ein Lehr und Studienbuch, Regensburg: Pustet 2022. Christian Spieß, Zwischen Gewalt und Menschenrechten. Religion im Spannungsfeld der Moderne, Paderborn: Schöningh 2016. Arno Anzenbacher, Christliche Sozialethik. Einführung und Prinzipien, Paderborn: Schöningh (UTB) 1998.

Hinweise zu Prüfungs-/Beurteilungsmodalitäten

Schriftliche Prüfung (Klausur 90 Minuten). 

VL Einführung in religionswissenschaftliche Teildisziplinen gemäß Angebot I: Religionssoziologie Religion und moderne Gesellschaft

Kurzbeschreibung

Die Vorlesung führt in wichtige Themen der Religionssoziologie ein.Was ist – aus sozialwissenschaftlicher Perspektive – eigentlich Religion? Welche Funktion erfüllt Religion in (post-)modernen Gesellschaften? Wie verändert sich die Rolle der Religion in den Prozessen der Modernisierung, also angesichts von Individualisierung, Pluralisierung und Säkularisierung? Welche wichtigen Thesen gibt es heute im Streit um die Säkularisierung, also um die Frage, ob und in welcher Weise Religion in modernen Gesellschaften „verschwindet“ oder sich verändert?Die Vorlesung bietet Gelegenheit zur Diskussion; es wird begleitendes Material (Abstracts/Skripten, Präsentationen, Texte etc.) bereitgestellt.

Lernergebnisse

Studierende

* sind mit einer sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweise der Religion vertraut;
* kennen wichtige Positionen der Religionssoziologie;
* kennen den aktuellen Diskurs um die Säkularisierung („umstrittene Säkularisierung“)
* können die Rolle der Religion in modernen Gesellschaften problembewusst einordnen;
* sind in der Lage, in kontroversen Diskursen um religiöse Überzeugungen und religiös motivierte Praxis begründet Stellung zu beziehen.

Literatur

* Gert Pickel, Religionssoziologie. Eine Einführung in zentrale Themenbereiche, Wiesbaden: VS Verlag 2011.
* Karl Gabriel/Hans-Richard Reuter (Hg.), Religion und Gesellschaft. Texte zur Religionssoziologie, Paderborn u.a.: Schöningh (UTB) 2004.
* Christian Spieß, Zwischen Gewalt und Menschenrechten. Religion im Spannungsfeld der Moderne, Paderborn: Schöningh 2016.
* Karl Gabriel/Christel Gärtner/Detlef Pollack (Hg.), Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, Berlin: Berlin University Press 2012.

Hinweise zu Prüfungs-/Beurteilungsmodalitäten

Schriftliche Prüfung (Klausur 90 Minuten). 

Sommersemester 2024

SE / SE-M Interdisziplinäres Seminar – Christliche Sozialwissenschaften und Theoretische Philosophie: Säkularisierung. Philosophische, religionspolitische und sozialwissenschaftliche Perspektiven

Kurzbeschreibung
Säkularisierung beschreibt als Begriff unterschiedlicher geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen den Wandel der Bedeutung und der Funktion von Religion und Religiosität in der Moderne. Insbesondere geht es dabei um Differenzierungsprozesse etwa von Religion und Politik und um einen Bedeutungsverlust der Religion in modernen politischen Gemeinwesen. Allerdings ist der Säkularisierungsbegriff selbst vielgestaltig, die Säkularisierungsthese umstritten und der Säkularisierungsdiskurs seinerseits einem rasanten Wandel unterworfen.
Im Seminar werden einige der wichtigsten Positionen zur Säkularisierung vorgestellt und erörtert. Anhand wichtiger Texte des Diskurses um Säkularisierung aus den Geistes- und Sozialwis-senschaften (Lektüre) werden Positionen zur Säkularisierung vorgestellt (strukturierte Textvorstellung anhand von Thesenpapieren) und in der Seminargruppe diskutiert. Das Seminar ist interdisziplinär angelegt und verbindet vor allem (politisch-)philosophische und (religions-)soziologische Perspektiven.
Lernergebnisse 
* Kenntnis des Begriffs der Säkularisierung: Bedeutungsebenen und Variante;
* Kenntnis der wichtigsten Annahmen der Säkularisierungsthese(n);
* Kompetenz im Umgang mit unterschiedlichen (politisch- und rechtsphilosophischen, soziologischen) Zugängen zum Säkularisierungsbegriff;
* Kenntnis des aktuellen Standes des Säkularisierungsdiskurses (einschließlich des empirischen Status quo).
Literatur 
* Christine Frey /Uwe Hebekus / David Martyn (Hg.), Säkularisierung. Grundlagentexte zur Theoriegeschichte, Berlin: Suhrkamp 2020.
* Karl Gabriel / Christel Gärtner / Detlef Pollack (Hg.), Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, Berlin: Berlin Uni-versity Press 2012.
Hinweise zu Prüfungs-/Beurteilungsmodalitäten 
Strukturierte Vorstellung eines Textes; schriftliche Ausarbeitung. 

Wintersemester 2023/24

VL Christliche Sozialwissenschaften III: Ausgewählte Themen - Aktuelle Probleme

Diversität und Inklusion als theologisch-ethische Herausforderung
Kurzberscheibung:
Ausgehend von ganz unterschiedlichen Exklusions- und Diskriminierungserfahrungen von einzelnen Menschen und Gruppen wird in der Vorlesung die Inklusionsethik bearbeitet. Inklusion (d.h. die grundsätzliche Ermöglichung weitreichender gesellschaftlicher Teilhabe aller Menschen, unabhängig von ihrer individuellen Ausstattung) ist eine Zielperspektive verschiedener Politik- und Praxisfelder, z.B. im Bildungsbereich, in der (Erwerbs-)Arbeit, im Bereich Migration und Flucht, aber auch im Bereich der Anerkennung verschiedener Lebensformen und sexueller Selbstbestimmung. Dabei hat Inklusion immer eine kulturelle und eine ökonomische Seite. Papst Franziskus macht dezidiert darauf aufmerksam, dass es bei Inklusion um die Überwindung von "Armut" geht (s. Fratelli tutti und Evangelii Gaudium), so dass "Inklusion" sogar als ein Leitbegriff seiner Soziallehre gelten kann. Neben sozialwissenschaftlichen und politisch-ethischen Positionen, die Inklusion in gesamtgesellschaftlicher Perspektive thematisieren, wird in der Vorlesung auch die Frage behandelt, was eine "inklusive Kirche" bedeuten könnte. In jeder Vorlesungssitzung ist Zeit für Nachfragen und Diskussion eingeplant.
Lernergebnisse:
- Kenntnisse von Exklusionserfahrungen unterschiedlicher Menschen und Gruppen- Grundlegendes Verständnis des Inklusionsbegriffs aus sozialwissenschaftlicher und ethischer Perspektive und angrenzender Begriffe wie z.B. Integration oder Subalternität- Kenntnisse über die Positionen der katholischen Tradition zur Inklusionsthematik - Kenntnis sozialethischer Reflexionsmethoden auf aktuelle Fragestellungen der Inklusionsethik- Kompetente Auseinandersetzung mit der Inklusionsthematik in verschiedenen Praxisfeldern (Schule, Pfarre etc.)
Literatur:
Johannes Eurich; Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Behinderung – Profile inklusiver Theologie, Diakonie und Kirche (= Behinderung – Theologie – Kirche. Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability Studies. Bd.7), Stuttgart 2014. Christian Spieß, Wohlfahrtsstaatliche Anerkennungsordnung und katholische Sozialverkündigung, in: Ders./Hermann-Josef Große Kracht (Hg.), Wohlfahrtspolitik in Zeiten der SäkularisierungAnalysen und Reflexionen, Frankfurt 2023.
Hinweise zu Prüfungs-/Beurteilungsmodalitäten:
Klausur 90 Min.

Sommersemester 2023

VL Christliche Sozialwissenschaften II: Sozial- und Wirtschaftsethik

In der Vorlesung werden Motive christlicher und säkularer Sozial- und Wirtschaftsethik vorgestellt, erörtert und diskutiert. Die Sorge um das Zusammenleben gehört seit jeher konstitutiv zum christlichen Glauben und zur Praxis der christlichen Kirchen. Mit der katholischen Soziallehre wurde im Katholizismus seit dem 19. Jahrhundert ein besonderer Zugriff auf die sozialen Fragen der Gegenwart entwickelt. Dabei spielte die Frage nach der Organisation des ökonomischen Systems und Frage der Gestaltung des Sozialstaats eine besondere Rolle. Spezifisch christliche bzw. katholische Motive wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl etc. konnten große Bedeutung weit über den religiösen Binnenraum hinaus entfalten. Welche Dynamik können solche Modelle angesichts der (vorübergehenden?) Dominanz eines libertär interpretierten Kapitalismus noch entfalten? Wie kann sich das katholischen Sozialmodell, wie wir es beispielsweise aus Österreich kennen, neben anderen Sozialstaatskonzepten bewähren? Welche Bedeutung haben religiöse Motive der Sozial- und Wirtschaftsethik überhaupt noch in sich dynamisch säkularisierenden Gesellschaften?

SE Christliche Sozialwissenschaften - Politische Ethik des Katholizismus: Zwischen Austrofaschismus und demokratischer Kooperation

Das Seminar beleuchtet die teilweise sehr spannungsvollen Aussagen des Lehramts der katholischen Kirche sowie der theologischen Ethik zu Fragen der Organisation politischer Strukturen (Staat, Herrschaft, demokratische Beteiligung). Einerseits betont das Lehramt die Bedeutung der Menschenrechte und der Bürgerrechte auf der Grundlage der personalen Autonomie, andererseits werden auch in der Gegenwart noch strikte Sittlichkeitsvorgaben für "katholische Politiker" formuliert, wenn es etwa in demokratischen Prozessen um bioethische Fragen oder Entscheidungen über Formen des Zusammenlebens ("Ehe für alle"; "Genderideologie") geht. Einerseits gehört die Kirche seit dem Zweiten Vatikanum zu den wichtigsten Verfecher:innen der liberalen und sozialen Menschenrechte; andererseits hatte sie bis weit in das 20. Jahrhundert hinein den politischen Liberalismus als "deliriumartigen Irrtum" abgelehnt. Einerseits wirken kirchliche Akteure in vielen demokratischen Verfassungsstaaten als kooperative und konstruktive Kräfte mit; andererseits gehörten kirchliche Gruppen und Persönlichkeiten zu den tragenden Kräften der faschistischen Systeme in Europa, so nicht zuletzt die christlich-soziale Bewegung im Austrofaschismus. Wie lassen sich solche Widersprüche verstehen und erklären? Gibt es überhaupt eine Kontinuität oder einen wahrheitsfähigen "Kern" der politischen Ethik des Katholizismus?

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