Verbaute Träume. Baukulturen des Stadtrands
Würde man mir die Augen verbinden und mich in einem österreichischen Speckgürtel aussetzen,
ich hätte keine Ahnung, in welchem Land ich mich befände. (Britt-Madelaine Arns)
In ihrer aktuellen Fotoserie "Häuser - Hecken - Zäune" über großstädtische Speckgürtelarchitekturen lenkt die in Wien lebende Fotografin Britt-Madelaine Arns den Blick auf gebaute Sehnsüchte und auch Ängste der Bewohner:innen. In der Weite des mit Einfamilienhäusern besiedelten Gebiets markieren reduzierte Kuben, Fertigteil-Toskana-Reminiszenzen, Schneewittchenschlösser, Südstaaten-Villen oder Tirolerhäuser vermeintliche Individualität, geschützt durch Mauern, Gabionenwände und Thujenhecken vor dem neugierigen Zugriff der anderen. Das Einfamilienhaus erscheint hier als Manifestation von vermeintlich kreativer Selbstbestimmung, die massive Abschrankung offenbart gleichzeitig die Sorge um eben diese.
Die porträtierte Vielfalt in der Gestaltung des Eigenheims überträgt das berühmte Diktums Paul Watzlawicks "Man kann nicht nicht kommunizieren" auf die Baukultur. Sie lädt ein zu einer Auseinandersetzung mit den Folgen des gebauten Nebeneinanders, dem das Gemeinschaftliche abhandengekommen ist. Mit diesem Nachdenken über Architektur als Ausdruck von Individualität und Gemeinschaft am Rande der urbanen Gesellschaft, schlägt die Ausstellung an der KU Linz eine Brücke zur Baukultur-Kooperation zwischen KU Linz und Kunstuniversität Linz. Denn die Arbeiten der Fotografin thematisieren brennenden Fragen zeitgenössischer Baukultur, des qualitätsvollen Bauens aber insbesondere Fragen der Siedlungsplanung und des Städtebaus. Nicht zuletzt kann die Ausstellung auch als Illustration aktueller Debatten um Bodenverbrauch, einer täglich im Stau stehenden Mobilitätsgesellschaft und des Verlusts öffentlicher Räume als Kristallisationspunkte von Gemeinschaft gelesen werden.
Das kuratorische Konzept operiert auf drei Ebenen. Wandfüllende, lebensgroße Fotoaffichen erzeugen in den großen Hörsälen der KU Linz ein immersives Raumerlebnis. Ausdruckstarke Großformate und mehrere Reihen kleinerer vergleichender Bilderzählungen aus dem Siedlungsareal beleuchten die einzelnen Speckgürtelphänomene. Die Fotografin fokussiert auf Einzelbauten, die sie porträthaft in den Blick nimmt, ohne sie zu verurteilen. Vielmehr gelingt durch das Festhalten dieser Gleichzeitigkeit von vielfältigen Gestaltungsideen und deren klischeehafter Ausführung ein soziokulturelles Porträt der Speckgürtelgesellschaft. Deren Bedürfnisse und Sehnsüchte zu erkennen und auf baukulturell hohem Niveau zu begegnen, mag eine Aufgabe des neuen Baukultur-Schwerpunkts an der KU Linz und der kunstuniversität Linz sein.
Die Ausstellung entstand auf Initiative des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur der KU Linz, wird kuratiert von Ass.-Prof.in Dr.in Julia Rüdiger und in Kooperation mit der Prager Fotoschule Linz veranstaltet.
Zu sehen ist diese in Hörsälen, Korridoren und Stiegenhäusern der KU Linz von 2. Oktober 2023 bis 31. Jänner 2024 während der Öffnungszeiten der Universität. Der Eintritt ist frei!
Kunstgespräch
14. November 2023, 12:00 Uhr
Hörsaal 1/Foyer
Über Britt-Madelaine Arns
Die Fotografin Britt-Madelaine Arns wurde 1963 in Nordschweden als Tochter ausgewanderter Vorarlberger geboren. Sie studierte Medizin und arbeitet als Lungenfachärztin in Wien. Zwischen 2018 und 2023 absolvierte sie sowohl den Grundlehrgang als auch den Diplomlehrgang für angewandte und künstlerische Fotografie an der Prager Fotoschule in Linz.
Ihr Schwerpunkt ist die sozio-dokumentarische Fotografie mit besonderem Interesse für baukulturelle Fragestellungen. In der Tschick Galerie in Linz stellte sie 2019 und 2023 aus. Ihre Arbeiten sind bereits in mehreren Publikationen erschienen.
Die Ausstellung wurde umgesetzt