Zwischen Tribalismus und Globalität.
Am Mittwoch, dem 20. Mai 2015 fand der vierte Vortrag der von Dr.in Barbara Schrödl, Dr.in Julia Allerstorfer und Mag.a Susi Winder initiierten Reihe „Stoffwechsel. Mode zwischen Globalisierung und Transkulturalität“ statt. Dr.in Cornelia Lund und Dr. Holger Lund zeigten in ihren Ausführungen mit dem Titel „Zwischen tribal und global – Mode-Performance im zeitgenössischen afrikanischen Musikvideo“ eingehend die Relevanz von Musikvideos als Materialobjekt für die (kultur-)wissenschaftliche Arbeit auf.
Zahlreiche zeitgenössische afrikanische Musikvideos unterschiedlicher Genres wurden mit kuratorischem Fingerspitzengefühl präsentiert – beide, sowohl Cornelia Lund, die derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem DFG-Projekt zum deutschen Dokumentarfilm an der Universität Hamburg arbeitet, als auch Holger Lund, der seit 2011 die Professur für Mediendesign an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg inne hat, sind neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit auch im kuratorischen Bereich unterschiedlichster künstlerischen Felder tätig. Anhand des Überblicks und Einblicks in die afrikanische Musikszene wurden das neue Selbstbewusstsein sowie die neue Selbstbestimmung von Afrikanerinnen und Afrikanern besprochen.
Die Analyse von Musikvideos unter visuellen ästhetischen Gesichtspunkten – mit Schwerpunkt auf Kleidung und Mode an den bewegten tanzenden Körpern – veranschaulichte die innovativen Transformationen der jeweiligen Tradition. Mittels eines distanzierten und reflexiven Umgangs wird Tradition zum „Spielmaterial“: Klassische afrikanische Musterungen auf Bekleidungsstoffen werden beispielsweise mit neuen Schnitten und Materialien kombiniert oder moderne Turnschuhe bei traditionellen zeremoniellen Tanzchoreographien getragen. Diese und ähnliche Phänomene können unter den Begriff der „Retribualisierung“ gestellt werden. Das neue Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der Afrikaner und Afrikanerinnen kann demnach zwischen den Momenten „tribal“ und „global“ angesiedelt werden (wobei Cornelia und Holger Lund den Begriff der Globalität in Gefolge des Politikwissenschaftlers Volker Pethers mit dem Terminus „Mulitpolarität“ überschreiben, der das Bild von mehreren neuen Zentren zugunsten eines Bildes, welches von einem einzigen Zentrum ausgeht, in den Vordergrund stellt). Ästhetik trägt wesentlich zur Bildung und Stützung des neuen afrikanischen Selbstbewusstseins bei und präsentiert zudem dieses neue Selbstverständnis „nach außen“.
Der ansprechend gestaltete Vortrag aber auch einzelne Musikvideoausschnitte als solche, wie beispielsweise der, in dem die ghanaischen Rapper Wanlov the Kubolor und M3nsa (FOKN Bois) mit einer Spendenaktion für Amerika durch die Straßen ihrer Stadt ziehen, brachen eine eurozentristische Perspektive und das daraus resultierende eindimensionale Bild (eines hilfsbedürftigen) Afrikas auf.
21.5.2015/Sibylle Trawöger/he