Stefanie Friedl an der VID Specialized University, Norwegen.
Die Semestereinteilung in Norwegen unterscheidet sich von der unsrigen. Mein Auslandsemester in Norwegen startete daher bereits Anfang Jänner. Schon in der Vorbereitungszeit war ich in regen Kontakt mit meinem Professor Jostein Ådna. Weil er mich nicht selbst vom Flughafen abholen konnte, bat er Marthe, eine ehemalige Studentin und Priesterin, mich willkommen zu heißen. Für die Dauer des Aufenthalts wird eine Unterkunft in einem Studentenheim organisiert und jedem Austauschstudenten/ jeder Austauschstudentin wird eine Grundausstattung (Bettwäsche, Geschirr etc.) von der Universität zur Verfügung gestellt.
Gleich am ersten Sonntag habe ich im Gottesdienst Fabrina, eine deutsche Austauschstudentin kennengelernt. Sie besuchte den gleichen Kurs wie ich und hat mir alles an der Uni gezeigt, was ich wissen musste. Die Anzahl der Studierenden pro Kurs ist ähnlich gering wie in Linz. So waren in meinem Kurs 15 Studierende; eine Gruppe aus Internationalen und norwegischen Studierenden. Zur Mittagszeit findet an der Uni täglich eine kurze Andacht statt, ehe anschließend gemeinsam zu Mittag gegessen wird. Mit den Professoren und Professorinnen ist man per Du und spricht sie mit Vornamen an. Alle drei meiner Professoren, konnten, wie viele Norweger, ziemlich gut Deutsch sprechen. Den Vorlesungen auf Englisch konnte ich leicht folgen und so mein Wissen über evangelische Theologie erweitern. Die enorme Auswahl an deutscher und englischer Literatur in der Uni-Bibliothek erleichterte mir das Lernen.
Neben der Uni war der Besuch der Jugendkirche Ukirke in Stavanger am Donnerstagabend ein Fixpunkt meines dortigen Aufenthaltes. Eine bunte Mischung aus internationalen und norwegischen Jugendlichen trifft sich dort, um gemeinsam zu kochen, zu spielen und sich auszutauschen. Ende Jänner durften auch Fabrina und ich unsere Kochkünste mit gefüllten Paprika und Kaiserschmarrn unter Beweis stellen.
Viele Norweger sind begeisterte Stricker: Gestrickt wird nicht nur zu Hause, sondern auch im Bus, im Cafè etc. Meine Freundinnen aus der Ukirke gelang es, mich mit ihrer Begeisterung für das Stricken anzustecken und haben mir die Grundlagen beigebracht.
Eine weitere Bereicherung meines Aufenthalts war die Studentenpriesterin Leni, die nicht nur Veranstaltungen für die Studenten organisiert, sondern deren Tür auch stets für Gespräche offensteht. Generell fand ich es sehr schön, Frauen als Priester erleben zu dürfen.
Ich habe mich sehr rasch aufgenommen und wohlgefühlt, aber gewisse Dinge, die ich aufgrund meiner körperlichen Behinderung benötige, haben leider erst kurz vor meiner Heimreise angefangen zu funktionieren. Jostein hat mir geholfen, eine Physiotherapeutin zu finden, bei der ich Ende Jänner meinen ersten Termin hatte. Meine medizinischen Hilfsmittel, sind lange am Zoll festgehangen und kamen erst Anfang März bei mir an. Marthe, unterstützte mich diesbezüglich vor allem in der Kommunikation mit der Post, sowie beim Transport der Hilfsmittel.
Corona war zumindest in Stavanger lange kein Thema, ehe die Situation von einem Moment auf den anderen umschlug. Ich war Ende Februar und Anfang März in Bergen und Oslo, als die ersten Fälle in Norwegen bekannt wurden. Außer Informationstafeln zu den Symptomen und einer Telefonnummer, an die man sich wenden kann und dem Aufruf zur Handdesinfektion, wurde nichts weiteres bekannt gegeben. Bei meiner Rückkehr nach Stavanger wurde ich jedoch von meiner Physiotherapeutin bezüglich Kontakten nach Österreich und einer möglicherweise daraus resultierenden Infektion angesprochen. In Stavanger selbst wurden erst am Montag dem 9. März, die ersten Fälle bekannt. Am Mittwoch habe ich dann meine Eltern angerufen, weil die Zahlen rasant in die Höhe schossen und für Urlauber aus Österreich Quarantäne-Bestimmungen galten. Dennoch haben sie mich nach Rücksprache mit dem Reisebüro am nächsten Tag besucht und wurden weder am Flughafen noch sonst darauf angesprochen. Am 12.März wurden dann auch offiziell Uni und Bibliothek geschlossen. Als die österreichische Regierung dann in den Abendnachrichten alle Österreicher zu Heimkehr aufforderte und ich durch meine Erkrankung zur Risikogruppe zähle, beschlossen wir gemeinsam mit dem nächstmöglichen Flug zurück nach Österreich zu fliegen. Nach Rücksprache mit Angelina Kratschanova und Jostein habe ich das Wichtigste zusammengepackt und meinen Schlüssel Marthe gegeben, in der Hoffnung nochmal zurückkommen zu können.
Von zu Hause aus schreibe ich nun die erforderlichen Essays und die Professoren laden Videos zu den Themen auf die Uni-Website hoch. Die Prüfung wird Anfang Juni via Skype stattfinden. Da es derzeit nicht so aussieht, als könnte ich bald nach Norwegen zurück, haben Marthe und Fabrina auf meine Bitte hin die Wohnung ausgeräumt und mir meine Sachen zugeschickt. Ich will auf alle Fälle nochmal nach Stavanger und sei es nur um sich ordentlich von allen zu verabschieden. Bis dahin lerne ich via Zoom-Kurs fleißig Norwegisch.
Stefanie Friedl studiert im 6. Semester des Diplomstudiums Katholische Theologie an der KU Linz und war im akademischen Jahr 2019/20 in Stavanger, Norwegen.
18.5.2020/pk