Siglinde Lang an der Nationalen Universität der Künste Bukarest
Bereits am ersten Tag meines 1-wöchigen Aufenthalts wurde ich von den beiden Dozenten des Departments für Mural Art, Liviu Epuraș und Bogdan Mateiaș, sehr freundlich empfangen und konnte sofort Einblick in das (Uni-)Geschehen an der Facultatea de Arte Decorative și Design der Universitatea Națională de Arte Bucureștibekommen. Das Department unter Leitung von Cosmin Paulescu weist ein ausgesprochen inspirierendes Lehr- und Arbeitsklima auf, überall ist die motivierende Betreuung durch das Lehrpersonal spürbar. Sehr gut gefallen hat mir der projektorientiere Masterstudiengang mit Fokus auf Kunst im öffentlichen Raum. Pro Studienjahr befasst sich dieser mit einem spezifischen Thema und verbindet – unter Leitung von Lisandru Neamțu – konzeptionelle interdisziplinäre Ansätze mit eigenständigen künstlerischen Realisierungen im (zumeist) urbanen Raum.
Ein umfassender Rundgang durch die räumlich um einen Innenhof verbundene Fakultät, ihre weiteren Departments und die gemeinsamen Ateliers folgte. Fast überall konnte ich direkt mit Professor:innen, Lehrenden und Studierenden sprechen und es ergaben sich ausgesprochen interessante Dialoge. Besonders beindruckt haben mich die Arbeiten des Instituts für Textilkunst sowie die aufwendigen Techniken und interdisziplinären Verfahrensweisen des Fachbereichs für Restauration. Da in mehreren Masterstudiengängen bereits Abschlussarbeiten erstellten wurden, haben mir einige Studierende diese spontan persönlich vorgestellt. Diese Offenheit war im gesamten Department spürbar. Fasziniert war ich auch von den lebhaften Ateliers, in denen auf hohem technisch-künstlerischen Niveau gearbeitet wurde.
Am zweiten Tag war der Hörsaal Amfiteatrul UNAB dann sehr gut besucht – meine beiden Kollegen hatten per Aushang, Social Media und vielen direkt ausgesprochenen Einladungen auf meinen Vortrag zu „Art, Space and Participation“ aufmerksam gemacht. Viele mir bereits vom Vortag vertraute Gesichter saßen im Publikum. Es war mir eine Freude, Kunst im öffentlichen Raum mit Fokus auf österreichische Entwicklungen und ausgewählte Referenzbeispiele präsentieren zu dürfen. Speziell die (frühen) Arbeiten von VALIE EXPORT kannten einige Professor:innen und auch zahlreichen Student:innen sprachen mich nach dem Vortrag auf ihre Performances der 1960er Jahre an. Die Vorstellung des Künstlerkollektivs Wochenklausur löste ebenfalls eine sehr konstruktive Debatte aus, und auch zu meinen eigenen kuratorischen Projekten wurden sehr überlegte, kritische und anregende Fragen gestellt. Einige Studierende und Lehrende gaben mir dann noch sehr wertvolle Tipps für Kunstbesuche vor Ort – oder luden mich gleich in ihr Atelier und Studio.
Dass Kunst politisch und humorvoll, handwerklich ausgefeilt und inspirierend, konzeptionell und unmittelbar wahrnehmbar sein kann – das war jener Eindruck, den ich an den Folgetagen bei meinen zahlreichen Besuchen von Museen, Galerien und Off-Spaces von der zeitgenössischen rumänischen Kunstszene bekommen habe. Viele künstlerische Perspektiven und Positionen setzen sich mit den Auswirkungen und Folgen des kommunistischen Regimes auf die Gegenwart auseinander. So konnte ich Installationen, die der Stigmatisierung von Romas entgegentreten, kennenlernen, besuchte Street Art-Projekte, die die Korruptheit der politischen Elite sichtbar machen oder – leider nur zeitversetzt in der filmischen Dokumentation – auch ein sehr feines Projekt im öffentlichen Raum anschauen, dass sich dem zunehmenden Straßenverkehr in der rumänischen Hauptstadt widmet. Auffallend bei vielen Arbeiten war, dass der künstlerische Blick auf gesellschaftliche Phänomene und zumeist soziale oder politische Missstände fast stets von einem humorvollen Augenzwinkern, von einer ironischen Distanziertheit geprägt ist.
Der mitten neben dem schönsten Park Bukarest – dem Cismigu Park – sehr zentral gelegene Off-Space Stirbei47 ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Dana Paryulescu und ihre Kolleg:innen präsentieren mit viel Enthusiasmus Arbeiten von jungen rumänischen Kunstschaffenden und laden zu einem offenen Austausch sowie aktivem Mitgestalten ein. Seit etwa einem Jahr wird dieser helle und freundliche Kunstraum von Absolventinnen der University of Arts Bucarest betrieben – ein Raum, der Lust auf baldiges Wiederkommen macht!
So habe ich mich mit den Worten „Let´s stay in touch!“ von so vielen Menschen in Bucarest verabschiedet. Ich hoffe sehr, dass auch ich recht bald rumänische Kolleginnen und Kollegen hier in Linz begrüßen und in die Linzer Kunstszene begleiten werde dürfen. Erasmus bietet dafür mit seinen Mobilitätsprogrammen exzellente Unterstützung an – sowohl für Lehrende als auch für Studierende!