Zur Zukunft des Wissens: Welchen Beitrag leisten die Universitäten?
Nach einem historischen Überblick, einer thematischen Vorstellung der drei Fachbereiche Theologie, Philosophie und Kunstwissenschaft sowie einem Talk mit Absolvent:innen des Hauses, die erfolgreich in den unterschiedlichsten Berufsfeldern tätig sind, stand bei der mittlerweile zehnten KU_biläums-Veranstaltung ein Blick in die Zukunft auf dem Programm:
"Wie sehen das Schaffen und das Vermitteln von Wissen in 20 Jahren aus?" Diese Frage eröffnete die Podiumsdiskussion "Zur Zukunft des Wissens. Der Beitrag der Universitäten" und sie bildete die Achse, an der entlang sich ein intensiver Dialog der Rektor:innen entwickelte. Der Einladung ins ORF Landesstudio waren rund 100 Gäste gefolgt, darunter Bischof Manfred Scheuer, Superintendentialkuratorin Renate Bauinger, Landtagsabgeordneter Wolfgang Klinger, ORF-Stiftungsrätin JKU-Professorin Katharina Hofer sowie der ehemalige ORF-Landesdirektor Helmut Obermayr.
Es gebe nicht nur "immer neues Wissen", so Theologe Christoph Niemand in seinem Eröffnungsstatement, sondern auch Wissens- und Traditionsbestände, die es immer wieder neu zu entdecken und zu heben gelte. Deren Vermittlung, Aktualisierung und Weiterentwicklung sei ein Prozess, der auch in Zukunft Bedeutung haben werde. Es müsse weiterhin Orte geben, wo die dazu nötigen Kompetenzen geschult und entwickelt werden.
Wirtschaftsinformatiker Vizerektor Stefan Koch lenkte die Aufmerksamkeit auf die Öffnung des Wissens: Seine Hervorbringung und Vermittlung werde sich in allen Bereichen offener, vernetzter und internationaler vollziehen. Die Beteilung an der Wissensgenerierung werde zunehmen (Stichwort Citizen Science), zugleich wird es wichtig sein, Wissen breiter verständlich zu machen. Wissenschaftsintern sei vor allem eine noch stärkere Interdisziplinarität, namentlich auch im Zusammenspiel mit der künstlerischen Forschung, zu erwarten.
Auch wenn Zukunftsprognosen schwer möglich seien – was alle, so die Juristin und Wissenschaftsmanagerin Brigitte Hütter, mit der Entwicklung des Internets in den zurückliegenden 30 Jahren selbst erlebt hätten –, sei eines schon heute absehbar: Künstliche Intelligenz (KI) werde Teil des Werkzeugkastens der Wissenschaften sein.
Dass wir heute an einem Punkt seien, wo wir uns fragen müssten, welche Auswahl aus dem überkommenen Kanon wir der zukünftigen Generation als Perspektive mitgeben wollen, betonte Musiker Martin Rummel. In der Vermittlung sieht er das Konzept des antwortbasierten Lernens und Lehrens an sein Ende gekommen, die Zukunft gehöre fragenbasierten Prozessen. Dies schließe mit ein, dass Universitäten bei ihren Angeboten Studierende als Individuen in den Blick nehmen: "Wer bist Du?", "Wohin willst Du?", "Wie können wir Dich dabei unterstützen?"
Was wissen Menschen, was die KI nicht weiß?
Einig war man, dass sich Universitäten den Entwicklungen am Sektor der KI proaktiv stellen müssen. Es sei wichtig, Grenzen und Gefahren Künstlicher Intelligenz auszuloten. Vizerektor Stefan Koch unterstrich in diesem Zusammenhang die Frage der Verantwortung für Texte und Ergebnisse. Ganz neu und anders bewusst könne angesichts der KI aber gerade das Spezifische in menschlichen Erkenntnis-, Wissens-, und Schaffensprozessen werden. Der Moment des Verstehens, der Augenblick, wo einem etwas "wirklich aufgeht", dieses "Erlebnis" – wie Christoph Niemand mit Emphase sagte – könne nicht einfach an die KI ausgelagert werden. Auch Scheitern sei etwas, das zu diesen Prozessen gehöre, so Martin Rummel, der überdies die Bedeutung des kollaborativen Arbeitens hervorhob: "Das kann die KI beides nicht." Darin werde auch ein anderes Wissen sichtbar: emotionales Wissen, die Fähigkeit, Handlungsoptionen zu erkennen und zu entwickeln, die Kompetenz, an Probleme heranzugehen.
Universitäten wollen Orte des kritischen Fragens und des Austausches von Argumenten sein; sie wollen Experimentierfelder und Ermöglichungsräume bieten – Brigitte Hütter sprach vom Mut, Dinge auszuloten – und die Fähigkeit zur Diskussion entwickeln helfen. Das zunehmende Misstrauen innerhalb der Gesellschaft, befeuert noch von selbstverstärkenden "Antwortblasen" in den Sozialen Medien, erfordere heute und in Zukunft eine solche Stärkung der Diskursbereitschaft. Und gerade das werden Universitäten auch in 20 Jahren noch leisten können – und in noch viel stärkerem Maß zu leisten haben. Und gerade das wird auch in der Vermittlung noch stärkeren Ausdruck finden, in neuen Lehrformen und -formaten ebenso wie in der guten alten Vorlesung. Denn es wird, wie Christoph Niemand bemerkte, auch in Zukunft noch Menschen geben, die die Lust am Denken und Verstehen zusammenbringt – an Universitäten als Orten, wo Wissen nicht einfach KI-generiert "abgerufen", "bestellt" und "gekauft" wird, sondern gemeinsam erarbeitet.
Die insgesamt elf Veranstaltungen des KU_biläums werden beschlossen mit einem feierlichen Festakt am 11. Mai 2023 in der Aula der Katholischen Privat-Universität Linz.
Alle Details zum Abschluss des KU_biläums sowie zu den zurückliegenden Terminen unter www.ku-linz.at/350.
3.4.2023/RK/HE