Workshop Zufall und Einfall: Wie denken, was sich noch nicht denken ließ?
Konzipiert und organisiert von Assistenzprofessorin Aloisia Moser (Institut für Geschichte der Philosophie), ausgerichtet in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Philosophie und für Kunstwissenschaft der KU Linz und unter Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik bot der öffentlich zugängliche Workshop mit drei renommierten Hauptreferent:innen insbesondere auch eine Plattform für Nachwuchswissenschaftler:innen und deren Beschäftigung mit der Rolle medialer Auslöser bei der Verfertigung wissenschaftlicher wie ästhetischer 'Tatsachen'.
Schon an den Titeln der vier Panels wurde sichtbar, dass es hier um ein anderes, von romantischen und überhöhten Vorstellungen freies Bild von Wissenschaft und Forschung ging. Die Stichwörter "Spielend zufallen … ahnend spielen", "Mediales Aufblitzen und Einfangen", "Wie materielle Konstellationen zufallen" und "Was rauscht und was aufblitzt" führten in wissenschaftliche und künstlerische Praktiken, die sich jenseits gezielter und geplanter Strategien und ganz ohne ‚geniehafte Eingebung‘ vollziehen – und die sich dennoch als höchst fruchtbar und innovativ erweisen.
So unterstrich Sibylle Krämer im eröffnenden Hauptvortrag am ersten Tag des Workshops, dass Kreativität weniger die Erfindung des Neuen durch ein schöpferisches Subjekt sei, sondern vielmehr in der Performativität, der Medialität und den Kulturtechniken liege, die Heterogenes miteinander verbinden. Dass dies nicht als Ausscheidung des Individuums aus der Wissenschaft misszuverstehen sein, zeigten die daran anschließenden Referate. Dabei wurden Lebensrealitäten von Wissenschaftler:innen ebenso benannt wie deren je individuellen Vollzüge von Erkenntnisprozessen.
Tag zwei rückte u.a. künstlerische Produktionsweisen in den Mittelpunkt. Wie wenig Kunst eine Sphäre bloßer Nachahmung ist, machte der Hauptvortrag von Monika Wagner über die "Herstellung des Zufalls" bewusst: Sie befragte Künstler:innen, wie sie den Zufall (accident) in ihren Werken einsetzen und brachte dabei eine interessante Materiallastigkeit zu Tage – denn es ist z.B. oft ein ungewöhnliches Werkzeug, das als Auslöser und Katalysator für Bewegung und Veränderung fungiert. Ganz konkret wurde das im Kunstgespräch mit Künstlerin Beate Gatschelhofer, die eigens für den Workshop eine Arbeit kreierte: In "Die Aneignung des Zufalls" wurden Abfälle und zufällige Artefakte im Prozess des Töpferns geordnet und festgehalten. Besonderen Werkzeugen – strange tools – widmete sich der abendliche Hauptvortrag von Alva Noë. In einer erhellenden Parallelisierung von Choreografie und Philosophie deutete er das Wahrnehmen der Welt als bewegten Dialog, in dem unsere Gewohnheiten auch dazu führen können, dass wir Dinge nicht sehen … ja vielleicht gar nichts sehen. Genau diese Punkte der "ästhetischen Zwangslage" aber suchen Kunst, künstlerische Praxis und Philosophie auf.
Am dritten und letzten Tag verwickelte – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Performance alle Teilnehmer:innen in eine Interaktion zugleich mit einem Objekt und miteinander und löste so ein Treiben aus, das sich schnell verselbständigte und dabei alle Beteiligten zu fesseln und zu verstricken verstand. Beim letzten Vortrag des Workshops spürte man dem Einsatz von Geräuschen in Radio-Hörspielen nach: Die Nutzung von "Noise" – Störungen, Rauschen, Lärm und Krach – kann im Genre der Katastrophenhörspiele als künstlerische Forschung vermittels Kombinationen und Rekombinationen des zufällig Gefundenen verstanden werden.
Der dreitägige Workshop war geprägt von anregenden Vorträgen und intensiven Diskussionen während und nach den Panels – und einem dialogischen Nach-, Mit- und Zusammendenken, das nicht zuletzt auch in den gemeinsamen Mahlzeiten einen schönen Rahmen fand.
Neben den bereits Genannten nahmen am Workshop als Referent:innen und Moderator:innen teil: Hanako Geierhos, Marie von Heyl, Dennis Jelonnek, Sarah Kolb, Anja Kraus, Sebastian Lederle, Monika Leisch-Kiesl, Ania Mauruschat, Emanuel Seitz, Sibylle Trawöger, Mariana Vassileva und Lotte Warnsholdt.
Einen von Aloisia Moser verfassten ausführlichen Bericht finden Sie hier als PDF.
16.11.2023/RK/HE