Lange Nacht der Forschung mit bislang unbekanntem Jägerstätter-Schriftstück.

Das Franz und Franziska Jägerstätter Institut der Katholischen Privat-Universität Linz leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur und Gedenkarbeit. Neben den Fachbereichen Theologie, Philosophie und Kunstwissenschaft gab das Institut im Rahmen der "Langen Nacht der Forschung" Einblick in seine Forschungstätigkeit. Highlight war die Präsentation eines bislang unbekannten Dokuments.

280 Ausstellungsorte und über 2.500 Stationen österreichweit ermöglichten es, im Rahmen der "Langen Nacht der Forschung" am 20. Mai 2022 Forschung hautnah zu erleben. Die Katholische Privat-Universität Linz präsentierte sich mit Vorträgen, einem interaktiven Workshop und Führungen durch die Universitätsbibliothek. Der Fokus der Forschungstätigkeit der KU Linz ist auf gesellschaftliche und kirchliche Herausforderungen sowie Wandlungsprozesse der Zukunft gerichtet. Von besonderem Interesse ist etwa der Bezug zwischen Individuum und sozialer, kirchlicher und ökonomischer Gesellschaftsordnung und andererseits die Rolle der Kunst zur Erfassung und Deutung von Gegenwartsphänomenen. Hier ein Überblick über unsere sechs Stationen im Rahmen der "Langen Nacht der Forschung":

Ass.-Prof.in Julia Allerstorfer-Hertel vom Institut für Geschichte und Theorie der Kunst ging der Frage nach: "Wie geht Österreich mit seinem kolonialen Erbe um?" Kulturpolitische Diskussionen um die Restitution kolonialer Kulturgüter haben seit einigen Jahren auch Österreich erreicht. Es geht um die Fragestellung, ob Museumsobjekte legitim erworben wurden oder als Raubgut zu deklarieren bzw. zu restituieren sind. Der Vortrag warf einen kritischen Blick auf aktuelle Forschungs- und Rückgabeinitiativen sowie auf das "kolonial Unbewusste" in der österreichischen Kunstgeschichte.

Die Diözesanbibliothek Linz dient als öffentliche wissenschaftliche Bibliothek der Literatur- und Informationsversorgung in physischer wie elektronischer Form für Studium, Lehre, Forschung und Weiterbildung für die Bildungseinrichtungen der Diözese Linz. Markus Bürscher, Josef Kern und Günther Hochhauser zeigten im Rahmen eines interaktiven Rundgangs an drei Stationen, wie der virtuelle, analoge und zeitlose Forschungsinformationsspeicher Bibliothek funktioniert.

"Können Zeichen tanzen?" war Titel des Workshops von Univ.-Prof.in Monika Leisch-Kiesl (Institut für Geschichte und Theorie der Kunst) und Dominik Harrer (Institut für Praktische Philosophie/Ethik). Ausgehend von dem Buch ZEICH(N)EN.SETZEN., das im Anschluss an ein Projektseminar, eine Lecture Performance und eine Fachtagung von Monika Leisch-Kiesl herausgegeben wurde, widmete sich der kunstwissenschaftlich-philosophische Beitrag sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichen, flatternden Blättern und nicht gesuchten Wörtern, die uns vielleicht gerade deshalb finden.

Univ.-Prof.in Helena Stockinger vom Institut für Katechetik, Religionspädagogik und Pädagogik erforscht in einem empirischen Projekt, was Kinder aus verschiedenen religiösen und säkularen Kontexten über Religion, Glaube und weltanschauliche Pluralität denken und inwiefern ihre soziale Umgebung ihrer Meinung nach ihre Einstellungen prägt. Hierfür wurden 10- bis 12-jährige Kinder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz interviewt. Unter dem Titel "Was glauben Kinder?" präsentierte sie erste Ergebnisse des noch laufenden Forschungsprojekts.

Andreas Schmoller und Verena Lorber vom Franz und Franziska Jägerstätter Institut gaben Einblick in den Arbeitsalltag des 2017 an der KU Linz gegründeten Instituts. "Gibt es noch einen verborgenen Jägerstätter?" Diese Fragestand im Zentrum der Präsentation von Institutsleiter Andreas Schmoller. Und tatsächlich konnte er bei der Langen Nacht der Forschung mit einer kleinen Sensation aufwarten: Am Vorabend dessen Gedenktages stellte das Forschungsteam ein neu entdecktes Schriftstück des Seligen Franz Jägerstätters der Öffentlichkeit vor: Das Besondere an dem zweiseitigen handgeschriebenen Text sind bereits die Einleitungsworte "Wie kam ich eigentlich auf die Idee nicht einzurücken." Das Dokument wurde dem Jägerstätter-Institut im September 2021 von Willhelm Peterlechner in St. Radegund übermittelt, der im Rahmen von Recherchen zu einer Höfechronik in Nachlassmaterialien eines privaten Haushaltes zufällig darauf gestoßen war. Nach Begutachtung von Material, Schriftbild und Inhalt des Briefes stand zweifelsfrei fest, dass es sich tatsächlich um einen Jägerstätter-Text handelt. Unter Umständen ist es einer der letzten Texte, den Jägerstätter vor der Verhaftung am 2. März 1943 verfasste. Andreas Schmoller betont: "Der neue Text wirft unser Jägerstätter-Bild klarerweise nicht über den Haufen. Der Inhalt steht im eindeutigen Gleichklang mit den bekannten Jägerstätter-Überlegungen zum gerechten Krieg, zum anti-christlichen Charakter des NS-Regimes und dem Verhältnis zwischen religiöser und weltlicher Obrigkeit. Dennoch erhält das neue Dokument eine eigene Bedeutung für die Jägerstätter-Forschung."

Verena Lorber ging in ihrem Beitrag der Frage nach: "Franz Jägerstätter – Eine Ikone im digitalen Zeitalter?" Durch eine digitale Edition sollen die umfangreichen Schriften Jägerstätters – auch das bislang unbekannte Schriftstück – neu erfahrbar werden und eine einzigartige Innensicht in sein Leben und Denken bieten. "Unsere Aufgabe ist es, den Bestand in ein Datenformat zu bringen, welches von Menschen und Computern gelesen werden kann", so Lorber.

Weitere Infos dazu finden Sie im Blog des Franz und Franziska Jägerstätter Instituts.

26.5.2022/HE