Freiheit – Moral – Religion. Fachtagung zu Kants Religionsphilosophie.
Seit Mendelssohn galt er vielen als der "Alleszermalmer" der Kernbestände metaphysischer Tradition, seit Habermas gilt er vielen als der Vordenker einer "nachmetaphysischen" Philosophie, er selbst verstand sich freilich ganz anders und blieb zeitlebens in die Metaphysik "verliebt": Immanuel Kant. Seinem kritischen Konzept eines reinen Vernunftglaubens und dem sachlichen Verweisungszusammenhang von Freiheit, Moral und Religion war eine international hochkarätig besetzte Fachtagung gewidmet, die das Institut für Theoretische Philosophie von 20. bis 22. September 2023 an der Katholischen Privat-Universität Linz veranstaltete. Referentinnen und Referenten aus Italien, Frankreich, Tschechien, Japan, Deutschland und Österreich erörterten die Philosophie Kants anregend und perspektivenreich. (Einzelheiten zum Programm sind hier abrufbar.)
Magnus Cancellarius Bischof Dr. Manfred Scheuer eröffnete die Veranstaltung, indem er Kants ambivalente Haltung gegenüber der Religion in Erinnerung rief: Während einerseits Kants Kritik und Polemik einem "Pfaffentum" gelten, in dessen äußerlichem Gottesdienst sich für Kant eine historisch tradierte, aber moralisch indifferente Religion der bloßen Gunstbewerbung ausdrückt, lassen sich in der moralischen Religion des guten Lebenswandels andererseits sehr wohl Ähnlichkeiten und Parallelen ausmachen zu einer etwa auch in der Mystik anzutreffenden Spiritualität des Gewissens. Warum also eine ausdrücklich als autonom affirmierte praktische Vernunft gleichwohl der Ergänzung durch eine Religion des reinen Vernunftglaubens bedarf, von der sie geltungslogisch und begründungstheoretisch immer unabhängig bleibt, vermochte die Reihe der Referate im besonderen Blick auf Kants Postulatenlehre und seine Doktrin vom höchsten Gut zu erörtern, in der Kant eine differenzierte Antwort entfaltet auf die dritte Grundfrage seines Philosophierens, die den legitimen Gegenständen menschlicher Hoffnung gilt.
Die Einsicht, daß sich in Kants Kritik der Metaphysik auch eine Metaphysik der Kritik erkennen läßt, verdankt sich wesentlich auch den Arbeiten der beiden Kantforscher, deren Verdienste mit der durchweg sehr gut besuchten Veranstaltung geehrt und gewürdigt wurden: Mit ihrer persönlichen Präsenz und ihren eindrucksvollen Abendvorträgen trugen Maximilian Forschner und Rudolf Langthaler entscheidend zum vollen Erfolg der Tagung bei, die sich auch durch eine von allen als angenehm kollegial empfundene Atmosphäre auszeichnete. Für das Gelingen der von Michael Hofer, Christian Rößner und Jakub Sirovátka gemeinsam konzipierten Konferenz war nicht nur die großzügige Unterstützung durch den Bischöflichen Fonds zur Förderung der KU Linz und die Österreichische Forschungsgemeinschaft unverzichtbar, sondern auch die verlässliche Zusammenarbeit mit dem Team vom Veranstaltungsmanagement um Hermine Eder.
Ein Band, in dem die gesammelten Beiträge publiziert werden sollen, ist in Vorbereitung.
ChR, 26.9.23/HE