Frauen* im Mariendom: Eröffnung der Ausstellung DIE BETRACHTERIN.

Das interdisziplinäre Projekt "Frauen* im Mariendom" von Kunstwissenschafterin Prof. Anna Minta und Theologin Martina Resch von der Katholischen Privat-Universität Linz findet im Sommersemester 2022 mit zwei künstlerischen Interventionen seine Fortsetzung. Den Auftakt machte /DIE BETRACHTERIN/ von Margit Greinöcker. Die installative Arbeit wurde im Rahmen einer Wortgottesfeier im Linzer Mariendom vorgestellt.

Im Rahmen der Ausstellungseröffnung /DIE BETRACHTERIN/ von Margit Greinöcker versammelten sich am 7. April 2022 elf Frauen aus den Bereichen Kunst, Kirche und Gesellschaft in der Sakristei des Mariendoms Linz, um einen imposanten liturgischen Einzug unter der Leitung von Pastoralassistentin Stefanie Hinterleitner zu inszenieren. Gemäß dem Anliegen der Künstlerinnen, die Möglichkeitsräume liturgischer Feiern auszuloten, nahmen die Frauen prominente Plätze im Kirchenraum ein und eröffneten auf diese Weise vielfältige ästhetische und spirituelle Erfahrungsräume. Im Akt des gemeinsamen Feierns bildeten sich neue Konstellationen der Teilhabe, die verschiedene Antworten auf die Frage: "Wo bist du, Frau?" zuließen und eine selbstbewusste Haltung des "Hier bin ich!" einforderten. 

Auf Basis biblischer Texte (Röm 16, 1-6; Joh 4, 1-26) betonte Stefanie Hinterleitner im Rahmen ihrer Predigt den jesuanischen Stil der bewussten Kommunikation mit Frauen auf Augenhöhe, und mit Personen, die den normativen Geschlechter- und Rollenvorstellungen der Zeit nicht entsprachen. Mit der Frau am Jakobsbrunnen aus dem Johannesevangelium, so Hinterleitner, führe Jesus den längsten Dialog in den Evangelien.  Es seien stets Frauen gewesen, die vom Anfang an bis zum bitteren Ende und über dieses hinaus an der Seite Jesu, sowie später in Verkündigung, Lehre und Leitung an vorderster Stelle aktiv waren. Ein eindrückliches Beispiel dafür stelle der Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom dar: Paulus richtet seine Grüße und Empfehlungen an eine Vielzahl von Frauen – an erster Stelle Phöbe von Kenchreä, die als Übermittlerin des Briefes an die Gemeinde gehandelt und von Paulus als "diakonos" bezeichnet wird. Mit Junia, Priska, Tryphäna, Tryphosa, Julia u.a. werden Frauen genannt, die in der Mission, als Vorsteherinnen von Hausgemeinden tätig sind, oder als intellektuelle, emotionale und finanzielle Unterstützer*innen bzw. Ansprechpartner*innen angeführt werden. Es seien starke Referenztexte für die Realität diverser Betätigungsfelder von Frauen in der frühen Kirche, die fordern, sich der biblischen Grundlagen, als befreiende und gesellschaftspolitisch relevante Stimme gegen jede Form der Unterwerfung zu erinnern.  

Mit "Wo bist du, Frau?" beendete Stefanie Hinterleitner ihre Gedanken und eröffnete den Raum für die performative Zeichenhandlung und die von verschiedenen Künstler*innen und Autor*innen gestalteten Fürbitten/Hoffnungen.  

"Wo bist du, Frau?" lässt sich als Leitfrage beider Projekte DIE BETRACHTERIN von Margit Greinöcker und DIE DARSTELLERIN von Zoe Goldstein formulieren, die sich aus frauenspezifischer Perspektive dem Dom näherten, um ihre partizipativen Objekte für den Domraum zu entwickeln. Beide Künstlerinnen konnten auf den Forschungsergebnissen der Broschüre Licht.Schatten.Dasein aufbauen, die 2021 gemeinsam mit Studierenden an der KU Linz entstanden war. Die Broschüre widmete sich den historischen Frauenbildern, den Weiblichkeitskonzeptionen und Rollenverständnissen des 19. und ausgehenden 20. Jahrhunderts im Bild- und Ausstattungsprogrammes des Doms. 

Die beiden Künstlerinnen gehen gleichsam noch einen Schritt weiter, wie Prof.in Anna Minta in ihren Gruß- und Eröffnungsworten betonte. In ihrem Schaffen werde die Geschichte des Mariendoms zum Anknüpfungspunkt für künstlerische Übersetzungen ins Heute, was neue Denkräume für Debatten zu Gendergerechtigkeit, Chancengleichheit, Demokratie und Partizipation aller Menschen in Kunst, Kultur, Kirche und Gesellschaft eröffne. Auch Bischofsvikar Johann Hintermaier verwies in seinen Grußworten unter Berufung auf Norbert Tragwögers Publikation "Spiel" (2022) auf das Spielen / Feiern / Kunstschaffen als eine äußere wie innere Bewegtheit, die als ein Ausloten von Möglichkeitszuständen gesehen werden müsse. Für mehr Sichtbarkeit von Frauen in Kunst, Kirche und Gesellschaft benötige es starke Dialogpartner*innen und interdisziplinäre Netzwerke – wie Stadträtin Doris Lang-Mayrhofer in ihren Eröffnungsworten hervorhob. Es bedarf auch der subversiv revolutionären Interventionen im öffentlichen Raum der Kirche, sowie der sensiblen Akte des aufeinander Zugehens, Zuhörens und Raumgebens im gemeinsamen Anliegen, die Frage nicht still zu stellen: "Wo bist du, Frau?" – in der Hoffnung auf starke Resonanz und weiterführende Projekte, die es Frauen ermöglichen, ihre Potentiale entdecken und uneingeschränkt entfalten zu können.  

Die wissenschaftlichen Leiterinnen der KU Linz – Prof.in Anna Mina, Kunstwissenschaft und Martina Resch, Theologie – durften sich gemeinsam mit den beiden Künstlerinnen und besonders durch die Teilnahme von zahlreichen Mitfeiernden über einen gelungenen Auftakt zu den FRAUENBILDERN im Dom freuen. Im Anschluss an die liturgische Feier und die Ausstellungeröffnung konnte mittels freundlicher Unterstützung durch das Stift St. Florian mit Sekt und Gebäck und weiterführenden inspirierenden Gesprächen und Begegnungen im Dom gefeiert werden.  

/DIE BETRACHTERIN/ wird in etwa zwei Monaten ihre Positionen im Raum wechseln, sodass drei weitere Frauenbilder samt interdisziplinärer Kommentierungen in den Fokus genommen werden. Die zweite künstlerische Position: /DIE DARSTELLERIN/ von Zoe Goldstein wird das historisches Glasfensterportrait "Pilgerfahrt II" mit realen Personen, in umgekehrter Rollenverteilung, nachstellen. Die dafür angefertigte Kulisse wird im Dom nicht nur zu besichtigen sein, sondern versteht sich als Einladung, sich selbst in die Szenerie der Pilgerfahrt zu begeben. Die Metapher des Bootes dient Goldstein gegenwärtig in besonderer Weise als Anknüpfungspunkt für gesellschaftspolitische Debatten rund um das Thema Freiheit des Aufbruchs und Zwang zur Flucht. In der Langen Nacht der Kirchen werden die Übersetzung des Bildes sowie die Kulisse bereits zugänglich sein. Im Rahmen der Langen Nacht der Bühnen (11.6.2022) wird das Kunstprojekt durch Musik, Lesung und Diskussion feierlich eröffnet werden. 

Unterstützt wird das Projekt vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport  (Margarete Schütte-Lihotzky Stipendium), LINZimPULS , dem Domkapitel Linz, der Katholischen Privat-Universität Linz, Pro Mariendom, Pastorale Berufe Diözese Linz, der Dompfarre Linz, der Frauenkommission der Diözese Linz sowie dem Augustiner-Chorherrenstift St. Florian.

Text: Martina Resch. Fotos: Hermine Eder.

12.4.2022/HE