Emeritierungsfeier Monika Leisch-Kiesl: Kunst als Ethik und Ästhetik.

Schon das versammelte Publikum zeige, so Rektor Michael Fuchs in seiner Begrüßung, in welch weitgespannten Feldern Monika Leisch-Kiesl verortet sei: Kolleg:innen verschiedener Disziplinen und Universitäten, Künstler:innen, Kooperationspartner:innen aus Museen und Galerien, Studierende, Vertreter:innen aus Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft – sie alle seien gekommen, aus Oberösterreich, aus Österreich und von weiter her, um Dank und Anerkennung auszusprechen für ihre Impulse als Forscherin und Lehrende, als Wissenschaftsorganisatorin und -entwicklerin, als Vermittlerin und Kuratorin. Dem schloss er sich im Namen der KU Linz und der Diözese Linz – in Vertretung von Magnus Cancellarius Bischof Manfred Scheuer war Bischofsvikar Johann Hintermaier zugegen – an. Ein Zeichen besonderer Wertschätzung sei die Teilnahme Pater Friedrich Bechinas, Ehrensenator der KU Linz: Er habe als ehemaliger Sottosegretario der vatikanischen Bildungskongregation das von Monika Leisch-Kiesl konzipierte und von 2005 bis 2014 geleitete Institut für Kunstwissenschaft und Philosophie ad instar facultatis (IKP) von Anfang an mit großem, auch persönlichem Interesse begleitet und die daraus hervorgegangene Etablierung der Fakultät für Philosophie und für Kunstwissenschaft (2015) entschieden unterstützt.
Biografie einer Gestalterin
Zum Einstieg entwarf Assistenz-Professorin Julia Allerstorfer-Hertel (Institut für Geschichte und Theorie der Kunst) ein dichtes biografisches Portrait, in dem Monika Leisch-Kiesl als eine in vielen Kontexten engagierte Kunstwissenschaftlerin, Philosophin und Theologin sichtbar wurde. Aufgelockert durch eine bildliche Erzählebene – Fotos, manchmal Schnappschüsse der Stationen Leisch-Kiesls – ließ sie 40 Jahre an Lehre und Forschung, an innovativen Diskursen und Dialogen und an angewandter Inter- und Transdisziplinarität Revue passieren. Konkretes Zeugnis dieser Bandbreite und der ungebrochenen Aktivität und Neugierde Leisch-Kiesls sind eine Vielzahl von Publikationen, Herausgeberschaften und Beiträgen. Sie sei, schloss Allerstorfer-Hertel, eine „Bewohnerin mehrere Städte“, und das nicht nur im metaphorischen, sondern mit ihren Lebens- und Forschungszentren Linz, Basel und Kraków auch in einem ganz wörtlichen Sinn. Mit ihrer Emeritierung gehe an der KU Linz auch eine Ära zu Ende.
Honorarprofessor Martin Hochleitner unterstrich dies in seinen Gruß- und Dankworten als Vertreter der Günter Rombold Privatstiftung, deren Zweck die Unterstützung der Kunstwissenschaft an der KU Linz ist: Monika Leisch-Kiesl habe es verstanden, die von Günter Rombold gelegte Basis fruchtbar zu nutzen und mit Kompetenz, Wissen und dem nötigen langen Atem Kunstwissenschaft und Kunst als integralen Teil im Gefüge Universität zu verankern. Ihre Vision einer relevanten, gesellschaftlich wirksamen und interdisziplinär offenen Kunstwissenschaft spiegle sich nicht zuletzt in den Biografien derer, die durch ihre Schule gegangen sind.
Kunst gestern und heute: Ästhetik und Ethik
In ihrem Vortrag untersuchte Monika Leisch-Kiesl das Beziehungsgefüge von Ästhetik und Ethik in der exemplarischen Verknüpfung einer zeitgenössischen und einer historischen künstlerischen Position: Christine de Pizans Le livre de a cité des dames (1405/1407) und des seit 2009 laufenden Projekts The Knowledge of the Limited Responsibility Society der montenegrinischen Künstlerin Irena Lagator Pejović – diesen beiden Arbeiten widmete Leisch-Kiesl auch ihr jüngstes Buch.
Christine de Pizan erhielt am Hof Karls V. in Paris eine fundierte Bildung. Früh verwitwet, sorgte sie als Schriftstellerin für den Lebensunterhalt ihrer Familie. Sie ist Protagonistin der Buchkultur um 1400, an der – wie immer klarer herausgearbeitet wird – in allen Bereichen Männer und Frauen beteiligt waren. Das „Buch von der Stadt der Frauen“ erzählt, wie Christine, frustriert und deprimiert von der häufigen Lektüre abfälliger Aussagen über Frauen, drei weibliche Gestalten (Vernunft, Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit) erscheinen und sie auffordern, eine neue Stadt zu errichten. Deren Steine sollen nicht aus Vorurteilen bestehen, sondern aus großen Frauen der Geschichte. Das Exemplar der Handschrift, das unter Christines Aufsicht und Mitarbeit entstanden ist, zeige ein bemerkenswertes Gestaltungskonzept: Lediglich drei Miniaturen strukturieren den Text und setzen Pointen. Und Christine tritt in den Miniaturen selbst als Akteurin auf, kommuniziert im Bild und aus ihm heraus. In ihr verknüpfen sich Lektüre, wissenschaftliche Arbeit und mit dem Bau der neuen Stadt konkrete gesellschaftspolitische Aktivität. Letztere erhält in der dritten Miniatur einen weiteren deutlichen Akzent: Die weiblichen Heiligen, die sich anschicken, die vollendete Stadt zu betreten, werden angeführt von der Heiligen Maria – dargestellt nicht mit dem Jesuskind, sondern mit einem Buch –, Maria Magdalena als „erster Theologin“ und Katharina von Alexandria als Patronin der philosophischen Fakultäten.
Irena Lagator Pejović verhandelt in ihren Arbeiten immer wieder Themen der Ökonomie und Ökologie, Fragen der Bedeutungen von Öffentlichkeit sowie von gesellschaftspolitischen, ideologischen oder künstlerischen Transformationsprozessen. Das Wissen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung/Verantwortung besteht aus Büchern verschiedener Formate und Größen, die die Anmutung einer Stadt haben. Was aber geben die Bücher zu lesen? Es sind Sammlungen von Kassenbons aus aller Welt, die allesamt verkünden, dass sie von „Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ ausgestellt werden. Die Bons sind Symbole eines ökonomischen Systems, in das wir alle eingebunden sind, und es sind Zeugnisse unserer Konsum-Biografien als Teil dieses System. Im Sehen der Arbeit erkenne man etwas – und man erkenne sich angefragt: Wieso übernehmen wir nur „beschränkte Haftung“? Wie kommen wir zu einer „unbeschränkten Haftung“ für unser Handeln?
Wie bei Christine de Pizan sei das, was zu sehen gegeben wird, keine Illustration von etwas, das schon erkannt ist – sondern es sei Auslöser von Erkenntnis. Und gerade das mache, so Leisch-Kiesl, Kunst aus. Es brauche aber auch spezifische Kompetenzen, damit beim Betrachten „etwas aufgehen könne“. Mittelalterliche Buchkunst erfordere etwa ein anders Sensorium als zeitgenössische Kunst. Dem wechselweisen Beziehungsdreieck Künstler:in – Werk – Betrachter:in sei an allen Stellen ethische Verantwortung eingeschrieben. Künstlerische Positionen mit gesellschaftspolitischer Sprengkraft fordern uns heraus: Sie fordern heraus, Kunst anzuschauen und nicht die Person der:des Kunstschaffenden zu fixieren; und sie fordern Antworten ein auf das, was sie als unsere Verantwortung zu sehen geben. Gerade diese ethischen Erkenntnispotenziale und Appelle von Kunst erfordern unsere Aufmerksamkeit, so Monika Leisch-Kiesl.
Die musikalische Gestaltung des Abends mit Eigenkompositionen von Anna Lang (Cello) verliehen der Emeritierungsfeier einen besonderen, stimmungsvollen Charakter.
Univ.-Prof.in DDr.in Monika Leisch-Kiesl. Geboren 1960 in Linz, Studium der Fachtheologie und Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Hochschule Linz (heute: Katholische Privat-Universität Linz) sowie der Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten Salzburg, München, Wien und Basel, 1990 Promotion zur Doktorin der Theologie in Salzburg, 1996 Promotion zur Doktorin der Philosophie im Fach Kunstgeschichte in Basel. 1984–1996 Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Kunst an der heutigen KU Linz, 1995 Gastprofessur für Kunstwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt.
Seit 1996 Professorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik (in Nachfolge Günter Rombolds) an der heutigen KU Linz, 2005–2014 Praeses und Studiendekanin des Instituts für Kunstwissenschaft und Philosophie ad instar facultatis (IKP) ebenda, 2014–2015 Forschungsaufenthalt bei eikones Basel, ab 2015 Institutsvorständin des Instituts für Geschichte und Theorie der Kunst an der Fakultät für Philosophie und für Kunstwissenschaft der KU Linz. 2002–2020 Mitherausgeberin der ökumenischen Zeitschrift kunst und kirche, seit 2008 Mitherausgeberin der Linzer Beiträge zur Kunstwissenschaft und Philosophie. 2017 Goldenes Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich.
Monika Leisch-Kiesl wird mit 30. September 2025 als Professorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik emeritiert.
28.6.2025/RK/HE







