Das war die Lange Nacht der Kirchen an der KU Linz.

Bereits zum 20. Mal wurden heuer bei der Langen Nacht der Kirchen kirchliche Räume bespielt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Katholische Privat-Universität Linz, als akademische Bildungseinrichtung in diözesaner Trägerschaft, war mit dabei. Zwei Programmpunkte gaben Einblick in topaktuelle Themen aus Lehre und Forschung an der KU Linz.

Quartals.Gespräch: "Musik und Religion"

Sowohl individuelle wie kollektive Bedeutungs- und Erfahrungsdimensionen von Musik erschlossen in einem dichten Gespräch die Musikwissenschaftlerin und Sängerin Elisabeth Theresia Hilscher (Österreichische Akademie der Wissenschaften) und Ewald Donhoffer, Universitätsassistent an der KU Linz, Direktor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz und Stiftskapellmeister der Abtei Schlägl. Als eine Grundkonstante menschlichen Lebens öffne Musik auf eigentümlich leibliche, ja vegetative Weise Erfahrungsräume auch jenseits des Sag- und Zeigbaren, weshalb ihre Verbindung mit Kult und Religion bis in die frühesten Schichten der Menschheitsgeschichte zurückreiche. Das aktiv erlebte Mit- und Ineinander von Liturgie, Musik und Raum schaffe, so Hilscher, eine eigene "spirituelle Erlebniswelt"; Donhoffer sprach aus der kompositorischen Praxis des Kirchenmusikers von einer „Transzendenzerfahrung“, in der Emotion und Verstand zusammenkommen – und noch überstiegen werden. Freilich sei professionelles Musizieren auch Handwerk, ein Ausformulieren und Ausarbeiten entlang von Vorgaben, die, daran erinnerte Hilscher, insbesondere bei Kirchenmusik hoch reglementiert seien.

Beide unterstrichen nachdrücklich die Rolle des aktiven Musizierens, vor allem auch des Singens: Paradox sei, dass man heute so intensiv von Musik umgeben ist wie nie zuvor in der Geschichte, sich diese nahezu pausenlose Begegnung mit Musik aber fast ausschließlich passiv vollzieht. Im Meer der Dauerbeschallung gelte es Inseln der Stille und Reduktion, der Entschleunigung und leisen Zwischentöne zu schaffen und so wieder neue Erlebnisräume aufzuschlagen. Wie stark die Sehnsucht nach solchen Räumen und wie zutiefst menschlich das Bedürfnis nach individuell erlebter und praktizierter Musik ist, zeige sich darin, dass sowohl konzertante als auch liturgische Kirchenmusik eine große Anziehungskraft ausüben, und zwar auch auf ‚kirchenferne‘ und gänzlich ‚ungläubige‘ Menschen. Die Entfaltung der Kraft etwa des gemeinsamen liturgischen Singens, die auch als Wiederbelebung und Stärkung des Volksgesangs wirken könne, brauche aber nicht zuletzt eine in allen ihren Elementen qualitätvolle Musik. In diesem Sinne war das von Franz Gruber, Professor der Dogmatik und Ökumenischen Theologie an der KU Linz, moderierte "Quartals.Gespräch" auch als leidenschaftlicher Aufruf zu verstehen, Kirchenmusik und neues geistliches Lied ambitioniert weiterzuentwickeln.

Vortrag: "Frau-Sein als Weihehindernis?"

Eine Darstellung und kritische Bewertung der Argumente, mit denen das kirchliche Lehramt die Priesterweihe Männern vorbehält, unternahm Christoph Niemand, Professor der neutestamentlichen Bibelwissenschaft an der KU Linz. Ein gespanntes Publikum folgte seiner Einladung zu einem konzentrierten Close Reading von "Inter insigniores", der 1976 von Papst Paul VI. approbierten Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Frage der Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Zunächst arbeitete Niemand die darin erstmals explizit entwickelte Begründung des Weihehindernisses "Frau-Sein" in ihren Hauptlinien heraus. Diese sei maßgeblich bestimmt einerseits von der Interpretation der "Berufung der Zwölf (Männer)" durch Jesus Christus und andererseits von einer spezifischen Auslegung der Rolle des (männlichen) Priesters als Repräsentant Christi, namentlich beim Höhepunkt dieser "Repräsentation", der Eucharistie.

Im zweiten Schritt unterzog er die sachliche Basis und die Argumentationsfiguren dieser Begründung einer kenntnisreichen Dekonstruktion: Was bedeuten die angezogenen Stellen und "Tatsachen" – und was nicht? In welchen heilsgeschichtlichen Sinnhorizont ist die "Berufung der Zwölf (Männer)" sachlich adäquat zu stellen? Und was hat es mit dem Motiv der Repräsentation Christi, des Agierens "in persona Christi" eigentlich ganz konkret – auch philologisch konkret – auf sich, dass dies insbesondere bei der Eucharistie ausschließlich durch Männer erfolgen könne?

Schlüssig demonstrierte Niemand, dass es beim eucharistischen Hochgebet als einem zentralen Element der Argumentation in "Inter insigniores" eben nicht um einen "theatralischen (Nach-)Vollzug" gehe – und damit auch nicht um die Frage, ob eine Frau als Priesterin eine "Hosenrolle" in einem reinszenierten Schauspiel einnehmen würde –, sondern vielmehr um Erinnerung und Gedächtnis: um einen anamnetischen Vollzug der ganzen versammelten Gemeinde, die nicht auf den quasi-magischen (Sprech-)Akt einer einzelnen "repräsentierenden" Person verkürzt werden könne. Und sind die Wurzeln des Weihe- und Leitungsamt nicht überhaupt woanders zu suchen? Die eigentliche Schwachstelle von "Inter insigniores" sei, so Niemand pointiert, dass hier eine Themenverfehlung unterlaufe, die sowohl in der zustimmenden als auch ablehnenden Rezeption fast völlig aus dem Blick komme. Er lenkte die Aufmerksamkeit dagegen auf die Einsetzung von "Ältesten" (Presbytern) bzw. "Aufsehern" (Bischöfen) in den Gemeinden durch die Apostel. Ihre anspruchsvolle und in der historischen Situation entscheidende Aufgabe war es, in den frühen Gemeinden eine integrierende Kraft angesichts innerer zentrifugaler Kräfte und äußerer Bedrohungen zu sein. Und ist nicht heute Ähnliches der Fall? Dies als Konstitutionsakt der Leitungsämter in der apostolischen Kirche zu erkennen, rücke die ganze Frage aus dem Gravitationsfeld bloß geschlechtlicher Verortungen – und könne so endlich auch den Weg freimachen für eine fundierte, diskussionsbereite und engagierte Amtstheologie.

Mehr zu den Themen

Theologisch-praktische Quartalschrift (ThPQ) Heft 1/2024 "Musik". Mit Beiträgen zum Thema von Michael von Brück, Peter Bubmann, Elisabeth Theresia Hilscher, Thomas Staubli, Ewald Volgger und Knut Wenzel.

27. Juni 2024, 18:00 Uhr, KU Linz. Abschiedsvorlesung von Christoph Niemand, Professor der neutestamentlichen Bibelwissenschaft: „Das Neue Testament und die Theologie des Leitungsamtes in der Kirche. Erkundungen, nicht primär zu den Fragen um Zulassungsbedingungen und Frauenordination … aber auch!

 

Über die Referent:innen

Elisabeth Theresia Hilscher, Senior Scientist an der Abteilung Musikwissenschaft/Arbeitsgruppe Musikedition und Quellendokumentation am Zentrum für Digitale Geisteswissenschaften und kulturelles Erbe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie u.a. Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Anton Bruckner Instituts Linz.

Ewald Donhoffer, Universitätsassistent (für "Gesang und Musik im Gottesdienst der Kirche") am Institut für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie der KU Linz sowie Direktor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz und Stiftskapellmeister der Abtei Schlägl.

Christoph Niemand, Professor für neutestamentliche Bibelwissenschaft an der KTU Linz, seit Juli 2021 Rektor ebenda.

10.6.2024/RK/HE