ArgeAss: Tagung zu Männerforschung, Gender, Queer-Theorie.

Wer an Männlichkeit denkt, landet rasch in Stereotypien. Viele Konzepte sind mit Machtfragen verbunden, wobei das Modell „hegemonialer Männlichkeit“ seit den 1990ern eine gewinnbringende Schablone ist, um dynamische Aushandlungsprozesse von Männerbildern in patriarchalen Gesellschaften zu verstehen.
Im Eröffnungsworkshop analysierten Magdalena Lass und Maria Brader die Darstellung Simsons in Filmadaptionen von 1922–2018. Dabei wurde sichtbar, wie stark stereotype Männlichkeitsbilder filmisch tradiert und zugleich neu überformt werden: vom erotisierten jugendlichen Helden bis hin zum religiös aufgeladenen Muskelprotz.
Antonia Krainer zeigte am Beispiel von Ps 127f., dass gender-sensible Lesarten der Psalmen bislang kaum erforscht sind. Gerade hier eröffnen sich Spielräume, indem binäre Strukturen bewusst überschritten und produktiv gemacht werden können.
Thomas Müller untersuchte Niddah in Lev 15 und in frühjüdischen sowie rabbinischen Texte, wobei er zeigte, wie Reinheitsvorschriften einerseits zur Absonderung und Kontrolle dienten, andererseits aber auch Spielräume für Empowerment und spirituelle Deutung eröffneten. Die rabbinische Tradition kennt etwa sechs Geschlechtskategorien und hält zugleich doch im normierten binär des sexus fest. Diese Beobachtungen wurden u.a. auf ihren gegenwärtigen Nutzen für queere Positionen hin befragt.
Weitere Vorträge thematisierten u.a. den „prototypischen Versager“ Adam (Konrad Kremser), die Rolle von Eunuchen in Esther und Daniel (Lara Mayer, Agnethe Siquans), Männlichkeitskonstruktionen bei Ezechiel (Kai Krause) sowie im Markusevangelium (Kim Sölter, Christine Rajic, Josef Pichler). Empirisch untersuchte Christa Grünfelder die Bibellektüre hochaltriger Menschen, während Lena Janneck und Jana Hock die Verschränkung von Antisemitismus und Antifeminismus analysierten.
Es erfolgte auch eine doppelte Buchvorstellung zu den heuer erschienen Bänden des Bibelwerks in Deutschland: Agnethe Siquans / Sigrid Eder “Ist die Bibel frauenfeindlich?” und M. Winkler / Josef Pichler “Die Bibel und ihre Mannsbilder”.
Die Tagung endete mit einer lebhaften Diskussion über die theologische Dimension von Männlichkeitsentwürfen: Was geschieht mit Gottesbildern, wenn hegemoniale Männlichkeitskonzepte dezentriert werden? Wie lassen sich Macht, Geschlecht und Intersektionalität produktiv zusammendenken?
Die Vielfalt der Beiträge zeigte eindrucksvoll, dass Männerforschung, Gender- und Queer-Theorie nicht nur kritische Fragen an die biblischen Texte richten, sondern auch neue Horizonte für das Verständnis von Religion, Gesellschaft und Geschlecht eröffnen.
Bericht: Benedikt J. Collinet (Passau)
27.9.2025/HE