Aichern-Vorlesung: Bernhard Emunds - Vermögensverteilung und Gerechtigkeit.
Die Verteilung der Vermögen weist in Österreich wesentlich größere Ungleichheiten auf als die Einkommensverteilung. Der Grund dafür ist unter anderem, dass es bei den Einkommen durch einen progressiven Steuertarif ausgleichende Maßnahmen gibt, während es bei Vermögen eine ähnliche ausgleichende Wirkung – etwa durch Vermögens- oder Erbschaftssteuern – nicht gibt.
Zu einem Gerechtigkeitsproblem werde diese Vermögensverteilung, so Bernhard Emunds, weil sie mit entsprechend unterschiedlichen Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und politische Partizipation sowie mit unterschiedlichen Entfaltungs- und Bildungschancen verbunden sei. Dies könne so weit gehen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet sei oder eine Erosion der demokratischen Selbstbestimmung in einem politischen Gemeinwesen drohe. Trotz der bekannten rechtlichen und politischen Umsetzungsprobleme hält Emunds deshalb eine Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Schenkungen für ethisch geboten. Mit einer moderaten Ausgestaltung (großzügige Freibeträge und geringe Steuersätze) könne man auch negative Effekte einer solchen Besteuerung vermeiden. Es gehe nicht um eine umfassende Umverteilung von Vermögen, sondern um ein Abbremsen des Anstiegs der Vermögenskonzentration auf der einen Seite sowie komplementär dazu um eine Vermögensbildung in weiten Teilen der Bevölkerung.
Bernhard Emunds, der auch das Frankfurter Oswald von Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik leitet, gehört als Volkswirt und Theologe zu den wichtigsten Impulsgebern einer Sozialethik, die einerseits aus der katholischen Tradition schöpft und andererseits einen intensiven Austausch mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften pflegt, wie Katja Winkler, Assistenzprofessorin für Christliche Sozialwissenschaften an der KU Linz, hervorhob und mit einem Satz von Bischof Maximilian bekräftigte: "Die Verteilungsgerechtigkeit müsste uns allen auf der Seele brennen."
Dem Vortrag folgte ein interessiertes Publikum, bestehend aus Studierenden, Fachkolleg:innen und Vetreter:innen diözesaner Einrichtungen. Besonders letztere brachten in der anschließenden Diskussion ihre Erfahrungen mit den konkreten, insbesondere auch demokratiepolitisch bedenklichen Auswirkungen sozioökonomischer Entwicklungen ein – und mahnten eine deutliche Positionierung der katholischen Kirche an.
Über die Maximilian Aichern-Vorlesung
Seit dem Studienjahr 2003/2004 findet jährlich eine Gastvorlesung der Arbeitsgemeinschaft "Wirtschaft – Ethik – Gesellschaft" (WiEGe) statt. Der Name "Maximilian Aichern-Vorlesung" drückt das Grundanliegen der Gastvorlesung aus, für das Bischof Maximilian Aichern stets glaubwürdig und engagiert eingetreten ist: die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Möglichkeiten einer christlich-sozialen Gestaltung der Gesellschaft.
Zu den Aichern-Lecturern der vergangenen 20 Jahre gehören unter anderen Walter Ötsch, Detlef Pollack, Marianne Heimbach-Steins, Brigitte Aulenbacher, Matthias Möhring-Hesse, Stephan Pühringer, Karin Fischer, Roland Atzmüller, Friedhelm Hengsbach und Karl Gabriel. Das Thema der heurigen Vorlesung, die im Oktober und Dezember stattfand, lautete "Gerecht beteiligen, solidarisch beitragen und ökologische Vernetzungen respektieren. Politische Wirtschaftsethik in sozial-katholischer Tradition".
Ein Video des Vortrags ist am YouTube-Kanal der KU Linz verfügbar.
06.12.2023/CS/HE