ThPQ 3/2023 "Verzicht": Ein Ethos in Geschichte und Gegenwart.

Mit Verzicht verhält es sich ähnlich wie mit Armut: einerseits religiöses Ideal, andererseits bittere Realität. Als bewusste Entscheidung kann Verzicht als gesundes Abschmelzen des Überflusses erlebt werden; entspringt er der Not, so bedeutet Verzicht Mangel, führt in prekäre Lebenssituationen oder verschlechtert gesellschaftliche Teilhabechancen. Heft 3/2023 der Theologisch-praktischen Quartalschrift nimmt ausgehend von der Bedeutung des Verzichts in der christlichen Tradition seinen moralischen und spirituellen Wert ebenso in den Blick wie seine problematischen Seiten: Gerade heute, wo angesichts multipler Krisen eine Lebensform des Verzichts geboten scheint, werden seine Ambiguitäten sichtbar – aber auch die Chancen eines Ethos des Verzichts.

Verzicht ist nicht gleich Verzicht. Es ist ein großer Unterschied, ob Energieknappheit, Inflation oder Corona-Maßnahmen Einschränkungen erzwingen oder ob Menschen freiwillig ihre Bedürfnisse einschränken, um einen gemäßigten Lebensstil einzuüben, der als hohes Gut gilt oder gar Glück verspricht. Verzicht weist eine erhebliche Ambivalenz auf: von selbstgewählter Askese und tugendhafter Enthaltsamkeit auf der einen Seite bis zum erzwungenen Verzicht, der Lebensqualität und Menschenwürde bedroht, auf der anderen Seite.

Die Beiträge in Heft 3/2023 der Theologisch-praktischen Quartalschrift spiegeln diese Ambivalenz wider, indem sie fragen: Worauf und aus welchen Gründen kann – gegenwärtig und in der Geschichte – verzichtet werden? In welcher Weise lässt sich angesichts der aktuellen politischen und sozioökonomischen Herausforderungen überhaupt sinnvoll von Verzicht sprechen? Wie kann Verzicht mit Glück zusammenhängen? Und inwiefern ist Verzicht Ausdruck sozialer Ungerechtigkeit?

Ein Ethos des Verzichts ist in vielen Religionen eine wichtige Komponente der spirituellen Praxis sowie der tugend- und sozialethischen Orientierung. In der christlichen Tradition verbindet sich Verzicht mit Begriffen wie Askese und Enthaltsamkeit und fand als besondere Lebensform bereits in frühchristlicher Zeit wirkmächtige Ausgestaltungen. Übersetzt ins Heute lässt sich Verzicht als Ethik der Genügsamkeit zwischen Individuum, Gesellschaft und Politik beschreiben. „Wie Verzicht glücklich machen kann“ heißt es programmatisch im Titel eines der Beiträge – und die Frage nach dem Wie eines gerechten, für alle lebbaren Verzichts ist es, die die thematischen Aufsätze durchzieht. Sie behandeln die problematischen sozialen Implikationen eines erzwungenen Verzichts auf Umweltverbrauch, nehmen in den Blick, wer warum verzichtet (und wer warum nicht), plädieren für einen tugendethischen und politischen Wandel im Verzichten und erörtern auch ganz konkrete Maßnahmen des Verzichts in digitalen Lebenswelten.

Mit Beiträgen zum Thema von Simon Butticaz, Christian Hornung, Torsten Meireis, Matthias Möhring-Hesse, Michael Rosenberger sowie Fabian J. Stangl und René Riedl, einer Abhandlung von Karl Gabriel sowie zahlreichen Rezensionen aktueller Publikationen aus allen Feldern der Theologie.

Editorial Heft 3.2023 "Verzicht"

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Die ThPQ erscheint im Verlag Friedrich Pustet. Die aktuelle Ausgabe ist auch als eBook/PDF erhältlich.

05.07.2023/rk