Zum Wohle aller. Das Gemeinwohlprinzip und seine konkrete Umsetzung in ethischen Konflikten
„Gemeinwohl geht vor Einzelwohl“. Diese Regel gilt unbestritten als ein Grundprinzip der Gerechtigkeit und als tragender Pfeiler der katholischen Soziallehre seit über einhundert Jahren. Auch scheint sie unmittelbar einzuleuchten – eine weitere Begründung wird selten verlangt. Wenn man hingegen in aktuellen Gesamtdarstellungen christlicher Sozialethik nachschaut, wird man schnell feststellen, dass schon die Definition dessen, was Gemeinwohl ist, kaum präzise gefasst wird. Noch schwieriger wird es, wenn man fragt, unter welchen Bedingungen und bis zu welcher Grenze des Gemeinwohl dem Einzelwohl vorzuziehen ist. Und erst recht ungeklärt ist die Frage, wie das Gemeinwohlprinzip auf ökologische Themen anzuwenden ist: Wann geht das Wohl der gesamten Schöpfungsgemeinschaft vor dem Wohl der Spezies homo sapiens bzw. einiger VertreterInnen derselben? An diesem Thema zu arbeiten heißt also innovative Überlegungen zu entwickeln, die in einer Zeit wachsender Individualisierung gleichwohl dringend nötig sind.