Institut für Moraltheologie

Wie kann der Mensch zu einem guten, erfüllten Leben finden? Wie kann sein Zusammenleben mit den Mitmenschen und der gesamten Schöpfung dauerhaft gelingen? Welche Werthaltungen und Verhaltensregeln können ihm dabei helfen? Auf diese Fragen versucht die Moraltheologie eine zeitgemäße und reflektierte Antwort zu geben. Sie schöpft dabei aus den Erfahrungsressourcen der christlichen Religion, bezieht aber ebenso human- und naturwissenschaftliche Erkenntnisse ein. Das Leitbild der Moderne, die Freiheit, ist ihr dabei oberste Richtschnur: Wie kann der Mensch in seinem Leben zu einer möglichst großen Freiheit gelangen?

Die Frage nach der eigenen Identität treibt heute viele Menschen um. Angesichts der Vielfalt der Möglichkeiten, die eigene Biografie zu gestalten, wird jedoch die Suche des eigenen Weges eine immer größere Herausforderung. Denn es ist evident, dass nicht alle denkbaren Möglichkeiten gleichermaßen wert- und sinnvoll sind. Vielmehr wissen wir, dass jedem Menschen aufgrund seiner einzigartigen Lebensgeschichte ganz bestimmte Wege eröffnet werden, seine Fähigkeiten zu entfalten und so sich selbst zu entdecken und zu verwirklichen.

Die Moraltheologie versucht, diese Suchprozesse des Menschen im Licht des Glaubens zu reflektieren und angemessene Hilfen für wichtige Entscheidungen bereit zu stellen. Dabei kann sie auf einen reichen Fundus der christlichen Tradition zurückgreifen:

  • In der klassischen Lehre von den Tugenden werden grundlegende Haltungen eines gelingenden Lebens umschrieben.

  • In der spirituellen Tradition der sog. „Unterscheidung der Geister“ wird eine ausgereifte Methode angeboten, den Ruf Gottes wahrzunehmen und zu verwirklichen.

  • In den Erzählungen der Bibel, aber auch in den Biografien der Heiligen werden Modelle gelingenden Lebens vermittelt, die motivieren und prägen können.

  • In den symbolhaften Vollzügen der Liturgie erschließen sich Potenzen zur Annahme des eigenen Lebens und zur Öffnung auf spezifische Möglichkeiten.

Moraltheologie im Dienst der Selbstfindung ist so gesehen Theologie der je eigenen Berufung. Sie reflektiert die Wege des Menschen, der mit hörendem Herzen Gottes Willen sucht.

Ethische Fragen spielen heute auch im politischen und gesellschaftlichen Diskurs eine immer größere Rolle. Je mehr wir Menschen können, je mehr wir uns mittels der Technik der Welt bemächtigen und sie in den Griff bekommen wollen, umso größer wird auch die Verantwortung für unser Tun. Zugleich aber zerbrechen bisherige lebensweltliche Orientierungen. Der Ruf nach Ethik als bewusstem Nachdenken und methodischem Überprüfen unseres Urteilens und Handelns wird daher zunehmend lauter. Es gilt, allgemein akzeptierbare ethische Standards zu finden, die ein Minimum an Humanität auch für die schwächsten Glieder der Gesellschaft sichern.

Die Moraltheologie bemüht sich, in methodisch-systematischer Reflexion aus der Sicht des christlichen Glaubens Antworten auf die Frage zu geben, wie heute verantwortliches Handeln aussehen kann. Dabei geht sie von der Annahme aus, dass menschliches Leben glücken darf und kann. Zugleich ist sie auf den interdisziplinären Dialog ausgerichtet und bemüht sich um eine rational-argumentative Darlegung ihrer Handlungsempfehlungen. Zu einer theologischen Disziplin wird sie durch die Einbeziehung der Perspektive christlichen Glaubens in ihr Bemühen um die genannten Fragen. Das eigentlich Christliche artikuliert sich dabei jedoch nicht in spezifischen inhaltlichen Forderungen, sondern im Blick auf die Frage nach dem Grund, der dem Menschen mit all seinen Begrenzungen und Ängsten verantwortliches Handeln möglich macht.

1. Studienziele

„Die Würde des Menschen verlangt, dass er in bewusster und freier Wahl handelt, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem inneren Drang oder unter bloßem äußeren Zwang.“ (II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 17)

Von Sittlichkeit und ethischem Handeln lässt sich erst dann wahrhaft sprechen, wenn sie aus eigener Einsicht und eigener Freiheit des Menschen hervorgehen.
Leitziel des Studiums der Moraltheologie ist es daher, die Kompetenz der Studierenden zu eigenständigem ethischen Urteilen und Handeln im Horizont des christlichen Glaubens zu fördern.
Dadurch sollen die Studierenden befähigt werden,

  • kompetent und argumentativ zu aktuellen ethischen Problemen Stellung zu nehmen,
  • einen glaubwürdigen Lebensstil zu entwickeln,
  • andere in ihrer eigenständigen Urteils- und Handlungsfähigkeit zu förder

2. Studieninhalte

Im Blick auf dieses Ziel enthält das Studienangebot von seiten der Moraltheologie folgende inhaltlichen Elemente:

a) Auseinandersetzung mit aktuellen Problemfeldern der Ethik und den damit zusammenhängenden Sachfragen, insbesondere mit:

  • Problemen des Umgangs mit menschlichem Leben an seinem Anfang und Ende,

  • Problemen des Umgangs mit Gesundheit und Krankheit,

  • Fragen der Bewahrung der Schöpfung und des Tierschutzes,

  • Auswirkungen der modernen Technik auf das Leben der Menschen,

  • Fragen des Umgangs mit Sexualität und der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen,

  • Fragen des eigenen Lebensstils, Fragen des Zusammenhangs zwischen Spiritualität und Lebenspraxis (einschließlich Politik).

Dabei werden humanwissenschaftliche Kenntnisse sowie eine Analyse des gesellschaftlichen Handlungsfelds vorausgesetzt und miteinbezogen.

b) Reflexion der Grundlagen und der Möglichkeit ethischen Urteilens und Handelns überhaupt, insbesondere Fragen

  • der Begründung ethischer Urteile in pluralistischer Gesellschaft,

  • der biblischen Grundlagen christlicher Ethik,

  • der Bedeutung des christlichen Glaubens für eine zeitgenössische Ethik,

  • der Bedeutung, Ausbildung und Funktion des Gewissens,

  • der Möglichkeit menschlicher Freiheit,

  • des Umgangs mit Schuld und Scheitern,

  • der Notwendigkeit und Ausgestaltung von ethischen Grundhaltungen (Tugenden).

Auch hier ist ein Dialog mit benachbarten theologischen Disziplinen sowie vor allem mit der philosophischen Ethik, mit den Sozialwissenschaften und der Psychologie notwendig.

3. Lehrangebote

Diese Studieninhalte werden durch folgende Formen von Lehrveranstaltungen primär und überblicksartig vermittelt durch den auf vier Semester angelegten Zyklus von Pflichtvorlesungen

  • 2 Semester „Spezielle Moraltheologie“

  • 2 Semester „Allgemeine Moraltheologie“

Jeweils im Wintersemester wird die Vorlesung „Theologie des Gebets“ für den Bereich  „Theologie der Spiritualität“ angeboten.

Darüber hinaus gibt es gezielte Angebote in Form von Vorlesungen und Seminaren, die einzelne Aspekte vertiefen, u.a. Veranstaltungen im Rahmen des WiEGe-Projekts.