Schmelzpunkt. Ein Blick in die Alpen

Im Sommersemester 2025 sind im Rahmen der Reihe "wir stellen aus:" Arbeiten von Michael Goldgruber und Karl Max Scheffler sowie Texte von Rike Scheffler an der KU Linz zu sehen.

Seit jeher sind Berge Projektionsflächen menschlicher Sehnsüchte – Orte der Kontemplation und der Grenzerfahrung. Doch die erhabene Schönheit der Alpen steht heute unter Druck: Tourismus und Klimawandel haben Spuren hinterlassen, die die Landschaft umformen und unsere Beziehung zu ihr neu definieren. Die Ausstellung "Schmelzpunkt" macht anhand dreier künstlerischer Positionen sichtbar, wie sich unser Blick auf die Berge verändert hat: Von der Sehnsucht nach dem Erhabenen hin zu einer tiefen Auseinandersetzung mit Verlust und Wandel.

Michael Goldgruber nähert sich dem Motiv des Gletschers in seiner Serie De.Frost.Zones. Statt eines majestätischen Panoramablicks zeigt er die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit der Alpen: Gletscherspalten, verschmutztes Eis und Mikroplastik, das sich wie marmorierte Muster ins gefrorene Wasser einprägt. Das Klischee des reinen, weißen Eises weicht einer neuen, unbequemen Wahrheit – einer Natur, die von menschlichem Einfluss gezeichnet ist. Ohne den Menschen direkt abzubilden, verweist Goldgruber auf dessen Präsenz: in den gedämpften Blau- und Brauntönen, in der Ästhetik des Tragischen, in der Stille, die der Wandel hinterlässt.

Ein kontrastierendes Bild liefern historische Negative von Karl Max Kessler aus dem frühen 20. Jahrhundert. Seine Aufnahmen des Kleinwalsertals zeigen unberührte Schneelandschaften, die einst als romantisierte Idylle vermarktet wurden. Kessler arbeitete mit raffinierten Techniken wie Fotomontagen, um die Erhabenheit der Alpen hervorzuheben. Heute sind seine Negative zu Zeitdokumenten vergangener Lebenswelten geworden. Der Blick auf die Berge hat sich gewandelt: Aus der einstigen Sehnsucht ist ein Gefühl von Verlust und Trauer über das Entschwinden dieser Landschaften geworden.

Lyrisch werden die Bilder mit Gedichten der Poetin Rike Scheffler aus ihrem Gedichtband Lava. Rituale begleitet. Darin untersucht sie die Kollaborationen zu mehr-als-menschlichen Entitäten. In ihrer Sprache unternimmt sie oftmals den Versuch, die schwindende Umwelt zu ‚archivieren‘ oder zu ‚bergen‘ – ein literarisches Echo auf das fragile Ökosystem der Berge.

Die von Chiara Juriatti kuratierte Ausstellung in der Reihe wir stellen aus: steht im Zusammenhang mit der Erasmus-Gastvorlesung von Annette Tietenberg (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) "Das ökologische Auge. Betrachtungen von Landschaftsmalerei" im Sommersemester 2025.

Zu sehen ist die Ausstellung im Foyer und im Stiegenhaus der KU Linz von 3. März bis 30. Juni 2025 während der Öffnungszeiten der Universität. Der Eintritt ist frei!

Kunstgespräch
11. März 2025, 12:00 Uhr
Foyer der KU Linz

Mit Annette Tietenberg (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) und Mathias Kessler vom Karl Max Kessler Archiv.

 

5.2.2025/RK