Perspektiven der Kunstarbeit

Stella Rollig über Perspektiven der Kunstarbeit in Linz

Auf 10 Jahre Kunstarbeit in Linz blickte Stella Rollig, künstlerische Leiterin des LENTOS Kunstmuseums, im Rahmen der Gesprächsreihe Perspektiven der Kunstarbeit in Linz am 17. November zurück.

Gastgeber Martin Hochleitner stellte Stella Rollig als eine Kunsthistorikerin vor, die in ganz unterschiedlichen Feldern und Bereichen der Kunst tätig war und ist. Als Kuratorin des „Museum in Progress“ sowie als Bundeskuratorin für bildende Kunst am Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst beschäftigte sie sich in den 1990er Jahren intensiv mit Kunst im Öffentlichen Raum als Gegenentwurf zu einer museal und institutionell aufgehobenen Kunst.

Die Sammlung. Als Stella Rollig 2004 die künstlerische Leitung des LENTOS antrat, übernahm sie damit die Verantwortung für eine Institutionen und Sammlung, die zuvor während fünf Jahrzehnten von nur drei Personen kuratiert wurde: vom Sammlungsgründer Wolfgang Gurlitt, von Walter Kasten und schließlich von Peter Baum. So stand am Beginn ihrer Arbeit einerseits, einen kritischen Impuls in die Institution hineinzutragen und wirksam werden zu lassen: Wie kann Museum im 21. Jahrhundert neu gedacht und anders – offener – gestaltet werden? Andererseits musste sich Rollig der Sammlung mit all ihren Stärken und Schwächen stellen: der Stärke einer großen Homogenität, die aber zugleich die Schwäche beinhaltete, im Blick auf eine Dokumentation der zeitgenössischen und modernen Kunst in ihrer Vielfalt große Lücken aufzuweisen.

Gut vertreten waren Malerei und Skulptur vor allem heimischer KünstlerInnen, die Bereiche Video und Konzeptkunst etwa fehlten aber nahezu völlig. Hier begann 2004/05 mit dem Ankauf von Arbeiten bspw. Valie EXPORTS und Peter Weibels die Ergänzung und Abrundung der Sammlung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Angesichts eines jährlichen Ankaufsbudgets von lediglich 90.000 Euro und einer staatlichen Ankaufsförderung, die österreichische KünstlerInnen bevorzugt, bewegt man sich aber in einem engen Rahmen von Möglichkeiten. Beim Versuch, mehr zu bieten, als eine Dokumentation „österreichischer Kunst“ – und, so Rollig, der Auftrag des Museums gehe darüber hinaus –, müsse man sich oft bescheiden und könne wieder nur eine ganz gezielte Auswahl treffen.

Neues Ausstellungsformat. Einen Impuls, mit dem die starre Form des Museums und der in Museen vermittelten Kunstgeschichte aufgebrochen wird, liefert das von Stella Rollig eingeführte Format der von Künstlern kuratierten Ausstellungen: Von einem Künstler/einer Künstlerin wird ein Werk aus der Sammlung ausgewählt und ins Zentrum gerückt, begleitet von KunsthistorikerInnen des Hauses wird dann gemeinsam ein korrespondierendes Ausstellungskonzept entwickelt. „Wichtig ist, dass Kunstgeschichte neu geschrieben wird“, verdeutlicht Rollig, für die Museen ein Ort des Wissenstransfers sind. In der Verbindung von alt und neu, von Werken unbekannter und bekannter KünstlerInnen wird ein neuer dynamischer Zugang zur Sammlung ermöglicht: Es ergeben sich neue Lesart der Kunstgeschichte und des etablierten Kanons, indem durch diese regelrechten ‚Depotumwälzungen‘ oft Nebenwege und Nebenfiguren der Kunstgeschichte neu und anders in den Blick genommen werden.

Und gerade das ist es auch, was Rollig als ihre Vision eines Museums beschrieb: Einen Ort des Wissenstransfers und der Wissensproduktion zu schaffen, der insbesondere das Individuum anspricht und anlockt, ja auch herausfordert, sich mit Fragen der Kunst, damit aber immer zugleich mit Fragen des eigenen Daseins wie des gesellschaftlichen Lebens, auseinanderzusetzen – und das auf hohem Niveau und immer wieder auf überraschende, unerwartete und neue Weise.

Arbeit in Kontexten. Zu den wohl größten Herausforderungen zählt für Rollig „das Arbeiten in Kontexten“, das heißt, eine Programmlinie zu gestalten, mit der man einerseits vor Ort im Raum Linz reüssieren kann – gleichzeitig aber auch national und international wahrgenommen und rezipiert wird. Während das LENTOS österreichweit zu den wichtigsten Häusern für zeitgenössische und moderne Kunst zählt und auch im internationalen Kontext sehr gut vernetzt ist, gestaltet es sich als schwierig, das Publikum vor Ort anzusprechen.

Themenausstellungen. Da die Möglichkeit, mit der Präsentation berühmter Künstlerpersönlichkeiten für volle Häuser zu sorgen, weit jenseits der verfügbaren Budgets liegt, setzt Stella Rollig auf Themenausstellungen. Erfolgreiche Beispiele der letzten Jahre sind etwa „Car Culture“ (2012), „Der nackte Mann“ (2012/13) oder „Slapstick!“ (2014). Die aktuelle Ausstellung „REINES WASSER. Die kostbarste Ressource der Welt“ läuft noch bis 15. Februar 2015. Eine Picasso-Ausstellung, verdeutlichte Rollig, wäre zweifelsohne ein Publikumsmagnet, diese nach Linz zu bringen sei aber aus Kostengründen illusorisch.

Zum Abschluss von Martin Hochleitner nach ihren Wünschen für die Kunstarbeit in Linz allgemein und das LENTOS im speziellen befragt, meinte Stella Rollig, dass eine Wiederbelebung des Geistes von Linz09 wunderbar wäre – eine Atmosphäre, in der alle Entscheidungsträger die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur wahrgenommen und diese unterstützt hätten. Für das LENTOS sei Wunsch und Ziel ihrer Bemühungen, durch verstärkte Kunstvermittlung, durch die Nutzung von Multiplikatoren und Übersetzungsinstanzen die Position in Linz zu stärken, insbesondere Menschen vor Ort und in Österreich anzusprechen und für die Auseinandersetzung mit Kunst zu gewinnen – und gleichzeitig das hohe internationale Renommee des Hauses zu festigen.

 

Stella Rollig, geboren 1960, studierte Germanistik und Kunstgeschichte und ist nach Stationen beim ORF-Hörfunk, als freie Journalistin, Kuratorin, Kunstkritikerin und Lehrbeauftragte (in Österreich, Deutschland und Kanada) seit 2004 künstlerische Leiterin des LENTOS Kunstmuseums Linz.

Weitere Termine der Gesprächsreihe Perspektiven der Kunstarbeit in Linz:

  • 1. Dezember 2014: Gabriele Spindler (Landesgalerie Linz)
  • 26. Jänner 2015: Martin Sturm (Oberösterreichisches Kulturquartier)

Bildnachweis: KTU

19.11.2014/he/rk