Madeleine Osterberger an der Eberhard-Karl Universität Tübingen, Deutschland.

Madeleine Osterberger verbrachte ein Auslandsjahr (2019/20) im Rahmen des Erasmus+ Programmes an der Eberhard-Karl Universität Tübingen, Deutschland.

Seit der 2. Oktoberwoche 2019 lebe ich nun hier in Tübingen und verbringe das akademische Studienjahr 2019/2020 hier, um meine Diplomarbeit zu verfassen. Das Semester beginnt im Herbst, etwa 2 Wochen später als in Linz. Die Organisation des Studienaufenthaltes lief sehr unkompliziert und es gab für Erasmus-Studierende eine sehr umfassende Einführungswoche mit allen nötigen Erklärungen. Die Zimmersuche konnte über die Universität und das Studierendenwerk Tübingen abgewickelt werden und ich lebe in einer 6er WG, etwa 15 min Bus-Weg außerhalb der Stadt – im „Studentendorf“ am Berg, das aus mehreren Gebäuden besteht, die durch das Studentenwerk verwaltet werden. Auch Studierende mit PartnerIn und/oder mit Kindern haben einen eigenen Bereich. Etwa 3000 Erasmus-Studierende sind im Oktober zu einem Treffen zusammengekommen – was jetzt in der Corona-Zeit fast unvorstellbar klingt.

Tübingen ist eine sehr bunte Studentenstadt in Baden-Württemberg mit einem sehr niedrigen Altersdurchschnitt – ein knappes Drittel der Stadtbevölkerung sind Studierende. Tübingen gilt als literarischer Ort und wird auch die Stadt der Dichter und Denker genannt, weil einige namhafte Persönlichkeiten hier niederließen. Friedrich Hölderlin lebte hier und Hermann Hesse war in Tübingen Buchhändlerlehrling, der Theologe Hans Küng wohnt heute noch in der Stadt. Sogar der Friedhof gegenüber der Theologischen Fakultät lädt zum verweilen ein - Bücher von verstorbenen und hier begrabenen AutorInnen können auf dem „Bänkle“ vor Ort gelesen oder auch ausgeliehen werden. Tübingen ist auch der einzige Ort den ich bisher kennengelernt habe, an dem „Seelen“ gekauft werden können – ein langes Brotgebäck (ähnelt einem Baguette), vorzugsweise aus Dinkelmehl hergestellt.

Die theologische Fakultät in Tübingen ist am Krankenhausgelände angesiedelt – katholische und evangelische Fakultät teilen sich ein Gebäude. Ich durfte ein Semester lang an einem ökumenischen Gesprächskreis teilnehmen, was eine sehr wertvolle Erfahrung war. Mit dem Zentrum für islamische Theologie bilden evangelische und katholische Fakultät den „Campus der Religionen“. Besonders erfreulich war auch die Entdeckung, dass die zentrale Unibibliothek in Tübingen wochentags bis Mitternacht geöffnet hat und auch am Wochenende zugänglich ist. Zu Beginn des WS 2019/20 hatte ich auch die Gelegenheit bei einem TheologInnen-Wochenende für Studierende teilzunehmen, das wir in der Nähe von
Rottweil in einem kleinen Fachwerkhaus gemeinsam verbrachten. Auch die KHG und das theologische Mentorat Tübingen habe ich öfters besucht – besonders die gemeinsamen Adventabende bleiben mir in Erinnerung.

Anfang März war ich mit einem Freund im Café. Im Gespräch fiel die Rede darauf, dass wir beide gelesen hatten, dass demnächst in Österreich die Universitäten in Österreich zusperren würden – wegen Corona. Vorerst etwas irritiert über die Nachricht, ahnten wir noch nicht, dass wir auch hier in Tübingen das SS 2020 online verbringen werden. Relativ rasch habe ich vom Erasmus-Referat in Linz per E-Mail die Empfehlung erhalten, nachhause zu kommen. Ein paar Tage hatte ich Zeit, mich zu entscheiden. Dann wurde auch schon bekannt, dass Österreich seine Grenzen zu Deutschland vorerst schließen wird. Das löste ein etwas mulmiges Gefühl aus – letztlich habe ich mich aber doch entschieden in Tübingen zu bleiben.

Etwa bis zum 19. April zu Beginn des neuen Semesters war ich in der WG erstmal alleine. Ich habe hier meinen 30. Geburtstag und auch Ostern gefeiert, was eine ganz besondere Erfahrung war. Sehr stimmungsvoll habe ich die Live-Streams aus der Priesterseminarkirche in Linz am Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag erlebt, die ich von meiner WGKüche aus mitverfolgt habe. Am Ostermontag habe ich mit einem Freund einen Stadt-Spaziergang unternommen und wir sind auf Straßenkreide-Malerei gestoßen mit den Worten „Der Herr ist auferstanden“ – ein besonderes Hoffnungszeichen.

In der folgenden Zeit haben wir uns öfters getroffen und waren gemeinsam auf den Spazierwegen in der Stadt unterwegs, um darüber zu reden wie es uns geht (mit der Situation, mit dem Home Office und Online-Learning,…). Zufallsbegegnungen mit anderen Studienkolleginnen in der Stadt, waren auch eine willkommene Gelegenheit sich kurz auszutauschen. Insgesamt war und ist es eine sehr lehrreiche Zeit, die mich persönlich und mein Nachdenken im Studium sehr geprägt hat.

Madeleine Osterberger studiert im 10. Semester des Diplomstudiums Katholische Theologie an der KU Linz und war im akademischen Studienjahr 2019/20 in Tübingen, Deutschland.

8.6.2020/pk