Stilles KZ-Gedenken in St. Valentin mit Text über Franz Jägerstätter

Die Gedenkfeier beim Mahnmal in St. Valentin am 8. Mai fand aufgrund der Corona-Pandemie nur in eingeschränkter Form statt.

Foto (c) St. Valentin

In St. Valentin befand sich ein Außenlager des KZ Mauthausen, das vor 75 Jahren von den Alliierten befreit wurde. Zur Gedenkfeier war ursprünglich auch das FFJI eingeladen. Bedingt durch die Corona-Pandemie konnte die Feier nicht wie geplant stattfinden. Stattdessen wurden ab 13 Uhr weiße Rosen für ein persönliches Gedenken beim Mahnmal am Anna-Strasser-Platz bereitgestellt. Um 17 Uhr wurde im kleinen Kreis durch eine Abordnung des Gemeinderates mit Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr und dem Vertreter des Mauthausenkomitees Helmut Edelmayer mit einer Kranzniederlegung, ohne Reden, den KZ-Opfern  gedacht. Musikalisch begleitete die „stille Gedenkfeier“ Christoph Bitzinger mit seinem Sohn auf der Violine. Die geplanten Gedenkreden wurden in Kurzform zusammen mit den Beiträgen der IMS Langenhart auf Tafeln gedruckt und in Form eines Quaders aufgestellt. So auch der Text "Contra Torrentem - Gegen den Strom" von Andreas Schmoller über Franz Jägerstätter. Diese können bis Oktober vor Ort in St. Valentin gelesen werden. 

Kurztext „'Contra torrentem' – Gegen den Strom" über Franz Jägerstätter

Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager: Menschlichkeit ohne Grenzen

„Gibt es denn noch viel Schlechteres, als wenn ich Menschen morden und berauben muss, die ihr Vaterland verteidigen, nur um einer antireligiösen Macht zum Siege zu verhelfen.“
Mit Überlegungen wie diesen gelangte der Bauer und Familienvater Franz Jägerstätter zu der Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst in der Deutschen Wehrmacht zu verweigern. Am 9. August 1943 wurde er dafür in Brandenburg an der Havel enthauptet. Seine Verweigerung hätte als stiller Protest von den Geschichtsbüchern übersehen werden können, wie es Terrence Malick in seinem Filmepos „Ein verborgenes Leben“ thematisierte. Jägerstätter, ein Einzelfall, ein Einzelkämpfer, der gegen den Strom schwamm und abgesehen von seiner Frau Franziska keinen menschlichen Rückhalt erhielt. Viele Stunden des Schreibens in seinen Heften und Blättern, aber auch viele Gespräche mit Priestern und sogar seinem Bischof in Linz, gingen der reiflichen Entscheidungsfindung voraus. Es ging ihm nicht um ein bloßes Dagegensein, eine Anti-Haltung an und für sich. Informiertheit und gedankliche Klarheit bildeten die Basis für sein Handeln. Allerdings: Noch Jahrzehnte nach dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg verachteten nicht wenige seine Entscheidung. Ja, Jägerstätters Entscheidung war einsam, für sich getroffen und von wenigen nachgeahmt, aber er traf sie nicht einsam, sondern in kontinuierlichem Austausch mit anderen Menschen und im Wissen um die Folgen seines Handelns für andere, insbesondere seine Familie.

75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus und der Befreiung der Konzentrationslager scheint es uns zutiefst selbstverständlich und Teil der menschlichen Würde, die persönliche Entscheidung eines  Menschen anzuerkennen und zu respektieren. Gerade das Schwimmen gegen den Strom verstehen wir als Ausdruck einer Selbstbestimmtheit, und diese charakterisiert das Menschsein. Dennoch ist die Selbstbestimmtheit des Menschen im Denken, Reden und Handeln auch heute keine Selbstverständlichkeit. Am eindringlichsten manifestiert sich das auf der sprachlichen Ebene. Wie oft werden abweichende Meinungen oder oppositionelles Handeln nicht als solche diskutiert, sondern die Personen dahinter disqualifiziert und abgeurteilt. Jägerstätter hat auch das reflektiert, als jemand, der mit seinen Gegnern heftig stritt und provokant formulierte. Er wollte damit nicht den einzelnen Menschen treffen: „Mit der Zunge gibt es eben viel mehr Totschläge als mit der Hand. Schnell ist die Ehre des Menschen vernichtet. Genauso weh, wie es uns tut, wenn wir erfahren, dass man unsere Fehler verbreitet oder über uns schimpft, tut es auch anderen, [...]“

Dr. Andreas Schmoller
Leiter des Franz und Franziska Jägerstätter Instituts, Katholische Privat-Universität Linz