Präsentation der neuen Beiträge im Gedächtnisbuch OÖ

Biografien verfolgter oder widerständiger Oberösterreicher*innen im Erinnerungsprojekt verewigt

Das Projekt „Gedächtnisbuch Oberösterreich“ ermöglicht das Sichtbarmachen individueller Schicksale oberösterreichischer Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden oder ihr Leben durch widerständiges Handeln gefährdeten. Die Biografien solcher Menschen werden von Personen mit inhaltlichem, geografischem oder persönlichem Bezug unter Betreuung des Projektteams erarbeitet und durch das Einfügen ins Buch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Präsentation im Schlossmuseum

Das jährlich wachsende Gedächtnisbuch wurde am vergangenen Donnerstag (19. Mai) feierlich um zwölf neue Beiträge erweitert. Die pandemiebedingte Verschiebung des für letzten Herbst angesetzten Events führte heuer zu einer Kombination der beiden Jahrgänge 2021 und 2022, fortan soll die Präsentation neuer Beiträge jeweils im Mai stattfinden.

Unter Moderation von Dr.in Verena Lorber vom Franz und Franziska Jägerstätter Institut der KU Linz stellten die Beitragenden die erarbeiteten Biografien vor und präsentierten anschließend die frisch eingefügten Seiten im inzwischen vier Jahrgänge umfassenden Buch. Das großformatige Objekt wurde eigens von einer Welser Buchbinderei in Handarbeit für diesen Anlass angefertigt. Musikalische Untermalung vom Komponisten Albin Zaininger rundete die Feierlichkeit im Festsaal des Schlossmuseums ab.

Das Event markiert auch den Beginn eines neuen Ortes für das Gedächtnisbuch: Zusätzlich zum bisher im Linzer Mariendom aufliegenden Exemplar kann ab jetzt ein zweites in den Ausstellungsräumen des Schlossmuseums eingesehen werden. Wie Dr. Alfred Weidinger ausführte, war das Gedächtnisbuch OÖ das erste Projekt, mit dem er bei der Übernahme der Museumsleitung vor zwei Jahren befasst war und von ihm unterstützt wurde.  

Die neuen Biografien

Die heuer vorgestellten Biografien erzählen von den Leben christlicher Priester, (kommunistischer) Widerstandskämpfender und Pädagogen, die aufgrund ihrer Tätigkeiten und Lehren verfolgt wurden. Ebenso fanden die Geschichten von Personen mit körperlichen sowie geistigen Behinderungen, Homosexuellen, jüdischen Frauen und Kindern Eingang in das Buch.

Karl Brandstötter und Regina Heypke-Brandstötter stellten die aufgrund ihrer Schwerhörigkeit im Schloss Hartheim ermordete Aloisia Leithenmüller vor. Andreas Wahl beschrieb die Verurteilung und Hinrichtung Leopold Kotzmanns im sogenannten „Freistädter Prozess“, Gottfried Gansinger erzählte vom jüdischen Hutmacherlehrfräulein Ernestine Grüner, die im KZ Auschwitz getötet wurde. Christian Muckenhumer recherchierte zu „Staatsfeind“ Priester Leopold Arthofer und Maria Ecker-Angerer erforschte die Erinnerung an ihre geistig behinderte Großtante Franziska Holl. Ernst Gansinger stellte den Kapuzinerbruder Christian Gasselseder vor, der der NS-Euthanasie zum Opfer fiel. Hannes Koch zeichnete das Leben der in Auschwitz ermordeten Geschäftsfrau Charlotte Taitl nach. Friedrich Neuhofer erarbeitete den Wehrdienstverweigerer Alois Zierlers, Andreas Schmoller berichtete vom homosexuellen Kunstgrafiker Hugo Walleitner. Christoph Freudenthaler präsentierte die Geschichte des regimefeindlichen Lehrers und Priesters Johann Gruber, Maria Gugglberger die der kommunistischen Widerstandskämpferin Gisela Tschofenig-Tauer. Ludwig Laher rekonstruierte, wie Albine Rosenfels Opfer der Verfolgung der Sinti wurde.

Diese sowie die achtzehn bestehenden bewegenden Biografien können in den Gedächtnisbüchern vor Ort im Linzer Dom sowie dem Schlossmuseum eingesehen oder auf der Website des Franz und Franziska Jägerstätter Institutes heruntergeladen werden. Zudem können seit 2021 Videos der Präsentationen auf dem youtube Kanal abgerufen werden.   

Ein partizipatives Projekt für regionale Erinnerungskultur

„…die Erinnerung (ist mir) kein beliebiges Zurückdenken, sondern ein Am-Werk-Sein, und das Werk der Erinnerung schreibt dem Erlebten seinen Platz zu.“ Mit diesen Worten Peter Handkes beschloss Dr.in Erna Putz die an berührenden Momenten reiche Veranstaltung. Das Gedächtnisbuch versteht sie als einen Ort, wo Personen ein Platz zugeschrieben wird und werden kann. Das Projekt bietet einen niederschwelligen Zugang zur historisch-biografischen Aufarbeitung über Berührungspunkte mit individuellen Schicksalen. Erfahrbare, zugängliche Erinnerungskultur, an der sich jede*r selbst forschend beteiligen kann, stellt einen wichtigen Anknüpfungspunkt zu konkreter Geschichte dar. Um Teil des Projekts zu werden und selbst eine Verfolgtenbiografie in das kollektive lokale Gedächtnis aufzunehmen, entnehmen Sie bitte weitere Informationen der oben genannten Website der KU Linz (Franz und Franziska Jägerstätter Institut) oder kontaktieren Sie ffji@ku-linz.at.

Träger des Projekts Gedächtnisbuch OÖ sind Dr. Andreas Schmoller und Dr.in Verena Lorber (Franz und Franziska Jägerstätter Institut der KU Linz), Mag. Florian Schwaninger (Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim) Prof. Dr. Thomas Schlager-Weidinger (Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz) sowie Dr.in Erna Putz.

Red.: Kerstin Huber, AS, VL

Fotos: Diözese Linz (Johannes Kienberger), Kerstin Huber, Andreas Schmoller

Präsentation im Festsaal des Schlossmuseums

Verena Lorber

Die Beiträger*innen des Gedächtnisbuches OÖ

Projektteam: Thomas Schlager-Weidinger, Erna Putz, Florian Schwanninger, Verena Lorber, Andreas Schmoller