Forschungsaufenthalt in Paris und Rennes
Die Tagung wurde im Rahmen der Kooperation zwischen der Geisteswissenschaftlichen Fakultät des Institut Catholique de Paris, der UMR SIRICE (Sorbonne Universität Paris) und dem Centre d'Etudes Germaniques Interculturelles de Lorraine an der Universität Lothringen-Metz) veranstaltet. Die wissenschaftliche Planung lag bei Univ. Prof. Olivier Dard (Sorbonne Université) und Univ. Prof. Michel Grunewald (Université de Lorraine, Metz).
Robert d'Harcourt war von 1920 bis 1957 Professor für Germanistik am Institut Catholique de Paris und seit 1946 Mitglied der Académie Française. Er war nicht nur ein Akademiker mit vielfältigen Kompetenzen, insbesondere Goethe- und Schiller-Spezialist, sondern auch ein engagierter Christ, der sowohl in der großen Pariser Presse als auch in den renommiertesten katholischen Zeitschriften vertreten war und ein Mann, dessen Wort in den katholischen Kreisen Frankreichs und Deutschlands zählte. Als früher und entschiedener Gegner des Nationalsozialismus prangerte er unermüdlich die terroristischen Methoden an, die Hitlers Anhänger aber der Machtübernahme in Deutschland praktizierten und bekundete gleichzeitig seine volle Solidarität mit den verfolgten Katholik*innen auf der anderen Seite des Rheins. Nach der Niederlage Frankreichs 1940 gehörte er zu den Widerstandskämpfer*innen der ersten Stunde und zu den von der Gestapo am meisten gesuchten Franzosen. Die Facetten des reichen Lebenswegs von Robert d'Harcourt standen im Mittelpunkt des Kolloquiums.
Die Beiträge konzentrierten sich sowohl auf die Persönlichkeit als auch auf seine bedeutendsten Werke. Andreas Schmollers legte in seinem Vortrag Harcourts Einschätzungen der österreichischen Politik und Gesellschaft in den Jahren 1931 und 1938 dar. Auf Basis der zahlreichen Publikationen, in denen Harcourt die Ereignisse in Österreich (Aufstieg des Nationalsozialismus und Durchdringung der Gesellschaft, Februar 1934, NS-Putschversuch im Juli 1936, Juli-Abkommen, "Anschluss" 1938) für die französische Öffentlichkeit kommentierte, erschloss die Studie Neuland in der Harcourt-Forschung. Zeigte sich Harcourt zunächst euphorisch über Bundeskanzler Dollfuß' autoritären Kurs, so sah er die politische Entwicklung in Österreich wenig später differenzierter und kritischer. Der große Warner vor dem Nationalsozialismus beobachtete mit Sorge, wie der Nationalsozialismus auch in katholischen Kreisen an Boden gewann. Nach dem "Anschluss", den er in Österreich hautnah miterlebte, übte er insbesonders an Kardinal Theodor Innitzer und dem österreichischen Episkopat Kritik. Im Anschluss an das Forschungskolloquium ist ein Tagungsband geplant, in dem auch die Forschungsergebnisse Schmollers zu Harcourts Österreich-Beziehungen publiziert werden.
Dr. Schmoller nutzte den Parisaufenthalt zu einem Besuch der Stadt Rennes, um dort ein Forschungsprojekt zu Marcel Callo in die Wege zu leiten. Callo (1921 geb.) war in Rennes aufgewachsen und dort in der Katholischen Arbeiterjugend und der Pfadfinderbewegung aktiv. Durch seine laienapostolische Organisationsarbeit während seines Arbeitsdienstes in Zella-Mehlis geriet er in das Visier der Gestapo und wurde im März 1944 verhaftet. Nach mehreren Stationen der Haft wurde Callo im Oktober 1944 in das KZ Mauthausen deportiert. Nach den Torturen im unterirdischen Flugzeugwerk Bergkristall des Nebenlagers Gusen II in St. Georgen an der Gusen, starb Calloam 19. März 1945 im „Krankenrevier“ des Hauptlagers Mauthausen . Callo wurde 1987 von Papst Johannes Paul II seliggesprochen.
Neben der Besichtigung historischer Orte, die mit Marcel Callo in Verbindung stehen und dem Besuch der Ausstellung in der Basilika Saint-Aubin stand ein Zusammentreffen mit Prof. Thomas Gueydier, dem Postulator für das Kanonisierungsverfahren und dem Historiker Samuel Gicquel von der Universität Rennes 2, der zusammen mit dem Kollegen Marc Bergère die Callo-Ausstellung in Rennes gestaltet hat, auf dem Programm. In den Gesprächen wurde auch die Publikation einer Broschüre über Marcel Callo in der Reihe "Christ und Märtyrer" geplant, die zum 80. Todestag Callos am 19. März 2025 vom FFJI herausgegeben werden soll.