Innovation benötigt Reflexion. Rektor Fuchs im Interview mit der KiZ.

Rektor Michael Fuchs sprach mit der Kirchenzeitung der Diözese Linz über Oberösterreichs Bildungslandschaft, das Theologiestudium und neue Technologien.

Innovation benötigt Reflexion

Oberösterreich bietet viele Studienmöglichkeiten: Kepler-Uni, Fachhochschulen, Kunstuniversität, Bruckner-Privatuniversität, zwei Pädagogische Hochschulen, die Digitaluni IT:U ... Welche Rolle spielt die KU Linz?

Michael Fuchs: Sie spielt eine wesentliche Rolle. Als Hochschule gibt es uns seit 350 Jahren. In dieser Zeit konnte man hier schon immer Theologie und Philosophie studieren. Mit der Kunstwissenschaft sind weitere Studienmöglichkeiten dazugekommen. Unsere Studien bietet in Oberösterreich sonst niemand an. Zudem sind wir an der gemeinsamen Ausbildung der Lehrer:innen im „Cluster Mitte“ (Oberösterreich und Salzburg) beteiligt. Mit der Kepler-Universität arbeiten wir in der Medizinethik zusammen. 

Die Kooperation mit der Kunstuniversität betrifft vor allem die Lehrveranstaltungen für die Kulturwissenschaften. Intensive Kontakte haben wir auch zur Anton-Bruckner-Privatuniversität und zu den Pädagogischen Hochschulen. Insgesamt ist unser Anteil am universitären geisteswissenschaftlichen Bereich in Oberösterreich erheblich. Ich halte das für sehr wichtig, dass in einer technisch innovativen Region Fächer, die Reflexion ermöglichen, ebenso präsent sind. Früher haben die technisch-naturwissenschaftlichen Fächer um Studierende gerungen, heute sind das eher die Geisteswissenschaften.

Ist das so, weil Studentinnen und Studenten mehr als früher eine konkrete Berufsausbildung im Studium suchen? 

Fuchs: In einem gewissen Sinne schon. Aber auch Geisteswissenschaften betreiben Ausbildung, etwa jene der Pädagog:innen. Schon Wilhelm von Humboldts (1767–1835) Bildungsreform hat im Ergebnis der geisteswissenschaftlichen Fakultät Ausbildungsaufgaben zugewiesen. Die KU Linz bildet seit jeher Theolog:innen für die Diözese aus, und diese haben sehr gute Berufsaussichten.

Nun ist es aber im ganzen deutschen Sprachraum ein Problem, dass die Zahl der Theologiestudierenden stark zurückgegangen ist. Wie können Sie darauf reagieren?

Fuchs: Wir setzen hier Aktivitäten, gehen in Schulen oder werden von Schulklassen besucht. Das ist wichtig, führt allein aber nicht zu den gewünschten Studierendenzahlen, auch weil sich Ausbildungsbiografien verändert haben. Dass jemand direkt nach der Matura fünf Jahre Theologie studiert, wird seltener. Deshalb bieten wir kürzere Bachelorstudien an: Man muss sich nicht gleich entscheiden, das ganze Theologiestudium zu absolvieren, doch die Möglichkeit bleibt offen. 

Viele entschließen sich in späteren Jahren zu berufsbegleitenden Studien, weil sie sagen: Was ich nach der Matura begonnen habe, ist nicht unbedingt das, was mich mein Leben lang beschäftigt. Sie setzen sich im Alter von 30 oder 40 Jahren mit Theologie auseinander und vielleicht mit einem entsprechenden Beruf. 
Die Theologie wird immer unsere vorrangige Aufgabe sein. Wir werden von der Diözese getragen. Sie erwartet zu Recht von uns, dass wir alles tun, um gute und möglichst viele Theolog:innen für die Diözese auszubilden.

Mit der Digitaluniversität IT:U ist ein neuer „Mitspieler“ in der Bildungslandschaft aufgetaucht. Wie schätzen sie ihn ein?

Fuchs: Die IT:U konnte im letzten Jahr viele Lehrstühle besetzen und dabei aus vielen Bewerber:innen wählen. Welche wissenschaftliche Exzellenz daraus entsteht, kann ich noch nicht sagen. Mit ihren inhaltliche Herausforderungen – etwa in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI) und Informatik – beschäftigt sich ja übrigens auch weiterhin die Kepler-Universität. Die IT:U hat jetzt mit den Doktorratsprogrammen begonnen, also mit forschungsnahen Studiengängen. Weitere werden entwickelt und man wird sich bemühen, gute Studierende anzuziehen. Das wird auch gelingen, denke ich.

Sie haben die Kooperation im Bereich der Medizinethik angesprochen. Auch bei den neuen Technologien stellen sich viele ethische Fragen rund um KI, Daten- und Kinderschutz oder Arbeitsplätze: Bei Microsoft wurden Programmierer entlassen, weil die KI stärker Aufgaben übernehmen soll. Welche Themen sind besonders wichtig?

Fuchs: Die neuen Technologien bringen unter anderem anthropologische Herausforderungen mit sich: Wie verstehen wir uns als Menschen, wenn die Maschine nicht mehr nur Maschine im klassischen Sinn ist, sondern uns ähnlicher wird? Etwa, wenn wir nicht mehr wissen, ob eine Nachricht von einem Menschen oder von der KI generiert wurde. Wie können wir als Menschen unsere Autonomie wahren? Wie setzen wir Technik so ein, dass sie uns nutzt und nicht schadet? Solche Fragen sind uns zum Teil aus der Medizin und der Medizinethik bekannt. Sie haben eine negative Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt angesprochen. Aber es gibt auch den Gedanken, die Folgen des demografischen Wandels mit neuen Technologien abzufedern. 
Mir fällt auf, dass viel über die Auswirkungen neuer Technologien gesprochen wird, aber nicht professionell, systematisch und gründlich genug. Der geeignete ethische Ansatz für die KI und die Digitalisierung ist noch nicht gefunden.

Bei neuen Technologien gibt es viele Meinungen: von denen, die alle Möglichkeiten nutzen wollen, über jene, die auf eine Humanisierung der Anwendungen hoffen, bis zu sehr skeptischen, ablehnenden Haltungen. Was ist angemessen?

Fuchs: Der Mensch entwickelt schon sehr lange Techniken, die ihm Anstrengungen abnehmen. Die Situation ändert sich aber mit der zunehmenden Komplexität der Technologien: Es ist heute teilweise gar nicht einfach, zu sagen, wo die Tätigkeit des Menschen aufhört und wo die KI übernimmt. Wir müssen uns Gedanken machen, ob wir die Mittel richtig einsetzen und wo sie eine Eigendynamik entwickeln können. Aber eine Grundskepsis begründet das noch nicht. Es liegt zum Teil an der Gesellschaft, zum Teil am Einzelnen, vernünftigen Gebrauch von den neuen Möglichkeiten zu machen. Natürlich stellen sich schwierige Fragen, zumal diese Entwicklungen stark privat und nicht durch demokratisch kontrollierte Systeme vorangetrieben werden.

Mit der geplanten örtlichen Zusammenlegung der Bildungsinstitutionen der Diözese auf dem derzeit von der Pädagogischen Hochschule genutzten Campus am Freinberg steht der KU Linz eine Veränderung bevor. Was erwarten Sie sich davon?

Fuchs: Damit ist die Erkenntnis verknüpft, dass die uns tragenden Institutionen gewillt und interessiert sind, über eine lange Zeit Bildung und Wissenschaft als wichtigen Teil ihres Auftrags zu sehen. Es ist ein wichtiges Projekt, auch weil wir hier die Chance haben, über Räumlichkeiten, Arbeitsweisen des Wissenschaftsbetriebs und Orte des Lehrens nachzudenken und etwas mitzugestalten. Gleichzeitig ist es ein sparsames Projekt, das zum Beispiel die Bodenversiegelung gering hält. Wir werden nach dem Umzug in einigen Jahren nicht mehr Raum haben, aber er wird intensiver genutzt werden.

KiZ, Ausgabe 27/2025. Das Interview führte Chefredakteur Heinz Niederleitner.

4.7.2025/HE