Ausstellung "Sklav:innen": Verdrängte Kehrseite der Kultur.

Sklav:innen: Geschichte und Visualität des Menschenhandels in Europa
"Sklav:innen: Geschichte und Visualität des Menschenhandels in Europa" lautet der Titel der Ausstellung, die im Rahmen eines gleichnamigen Seminars am Institut für Kunst in gegenwärtigen Kontexten und Medien unter der Leitung von Professorin Ilaria Hoppe gemeinsam mit Studierenden der KU Linz erarbeitet wurde und als Teil von wirstellenaus:, einem partizipativen transdisziplinären Ausstellungs- und Vermittlungsformat des Fachbereichs Kunstwissenschaft im Wintersemester 2024/25 an der KU Linz zu sehen war.
Das Lehr- und Ausstellungsprojekt entstand in Kooperation mit der Linzer Gruppe von SOLWODI (Solidarity with Women in Distress) anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens. Deren Engagement gegen Menschenhandel traf auf ein langjähriges Forschungsinteresse Ilaria Hoppes: Die Kulturleistungen der Renaissance, wie Repräsentationsbauten und Gartenanlagen, basierten oft auf Zwangs- und Sklavenarbeit. Seit dem frühen 16. Jahrhundert waren Sklav:innen überdies in der Kunst präsent, meist randständig und kaum bemerkbar. Dies offenbart Sklaverei, Ausbeutung und Unterdrückung als dunkle Seite der Renaissancekultur und als eine Konstante der europäischen Geschichte, von der man sich gerade im deutschsprachigen Raum lange distanziert hatte. Das Projekt beleuchtete diese Themen interdisziplinär und bildwissenschaftlich. Es berücksichtigte die jüngste historische Forschung, die heute ein differenziertes Bild von Sklaverei und Menschenhandel in der neuzeitlichen mitteleuropäischen Geschichte zeichnet.
Im Rahmen eines Mittagsgesprächs am 10. Dezember 2024 – und in Folge im Rahmen zahlreicher Führungen insbesondere für Schulklassen – erläutert Universitätsprofessorin Ilaria Hoppe Genese und Konzept der Ausstellung. Studierende stellten ihre Poster vor und gaben Einblick in ihre Arbeiten. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf feministische Perspektiven gelegt und auch der Umgang der zeitgenössischen Kunst mit diesem schwierigen Thema aufgezeigt.
Engagierte Auseinandersetzung von Studierenden
Bildstrategien und deren Verwendung rückten in den Postern in den Mittelpunkt, gefragt wurde aber auch nach Definitionen von Sklaverei und Menschenhandel in verschiedenen Wissenschaften. Der erkenntnisleitende Begriff Visualität umfasste dabei gleichermaßen künstlerische wie nicht-künstlerische Bilder und adressierte deren Rolle in Denken und Wahrnehmen. Überkommene Bilder von versklavten Menschen und das "Genre Sklavenportrait" wurden etwa anhand der Arbeiten von Hank Willis Thomas und des medialen Umgangs mit dem Porträt von William Casby kritisch beleuchtet. Untersucht wurde auch das Schicksal von Angelo Soliman, der im 18. Jahrhundert als Sklave nach Österreich kam und später als "Hofsklave" Berühmtheit erlangte. Eine weitere Arbeit war Kara Walkers Scherenschnitt "The End of Uncle Tom and the Grand Allegorical Tableau of Eva in Heaven" (1995) gewidmet, welcher Stereotypen im Roman "Onkel Toms Hütte" (1852) von Harriet Beecher Stowe und deren Fortwirken thematisiert.
Sklaverei und Menschenhandel – Realität der Gegenwart
llaria Hoppe betonte, dass Sklaverei auch heute noch existiert: Sie begegne nicht nur in Kontexten von Zwangsprostitution und Menschenhandel, sondern auch als Kehrseite einer weltumspannenden Konsumkultur und des Lebensstils im globalen Norden. Diese werden durch Ausbeutungsverhältnisse ermöglicht, die nicht nur im globalen Süden oder ‘ausgelagert’ an den Rändern der hochindustrialisierten Zonen bestehen. Schonungslos offengelegt werde dies etwa in kontrovers diskutierten Arbeiten Santiago Sierras.
Die Ausstellung, die noch bis Ende der Woche im Hörsaal 3 der Katholischen Privat-Universität Linz zu sehen ist, brachte nicht nur Studierenden und Mitarbeiter:innen der KU Linz, sondern auch einer breiteren Öffentlichkeit die bewegende Geschichte des Menschenhandels in Europa näher.
Siehe zum Projekt auch den Blog-Eintrag Zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Eine Posterausstellung über Sklaverei und Menschenhandel in Europa der Studierenden Angelika Schwarz, Daniel Steiner und Yvonne Brokop im KU-nstgeschichte-Blog des Fachbereichs Kunstwissenschaft.
11.2.2024/RK/HE