Wochenendbeilage OÖN: Vom Kreuz des Auferstehens.

In der Osterbeilage der Oberösterreichischen Nachrichten sind zwei Beiträge von KU-Professor:innen erschienen: Monika Leisch-Kiesl, Professorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik am Institut für Geschichte und Theorie der Kunst, spricht im Interview mit Klaus Buttinger darüber, warum im Christentum das Kreuz als Symbol dominiert, wo doch eigentlich die Auferstehung zentrales Element ist. Franz Gruber, Professor für Systematische Theologie, schreibt über Ostern in Krisenzeiten.

Vom Kreuz des Auferstehens

Die Auferstehung von Jesus Christus stellt das zentrale Element des christlichen Glaubens dar. Ostern ist deshalb das wichtigste Fest im Jahreskreis. Warum aber dominiert das Leidenswerkzeug Kreuz als Symbol und nicht die Auferstehung selbst? Von Klaus Buttinger.

Ohne Auferstehung kein Christentum: „Wenn es keine Auferstehung gibt, dann fällt das ganze Glaubensgebäude zusammen“, heißt es im „Schreiben zu einigen Fragen der Eschatologie“ aus 1979, herausgegeben von der Kongregation für die Glaubenslehre, dem heutigen Dikasterium für die Glaubenslehre und der früheren Römischen Inquisition. Noch heute ist es Aufgabe dieser Zentralbehörde der römisch-katholischen Kirche, die Glaubens- und Sittenlehre in der ganzen katholischen Kirche zu fördern und vor Häresien (Ketzerei) zu schützen.

Wenn die Auferstehung so wichtig ist, stellt sich die Frage: Warum steht das Kreuz und damit der Leidensweg des Religionsbegründers so sehr im Mittelpunkt des Christentums und weniger die hoffentlich doch frohe Botschaft des ewigen Lebens? Die Darstellungen, die Bilder und Skulpturen des Auferstandenen befinden sich klar in der Minderheit gegenüber der tödlich verwundeten Gestalt an den Kreuzesbalken. Und auch über die Zeit im Grab, in der Christus laut Glaubensbekenntnis hinabgefahren in das Reich des Todes sein soll, wird wenig darstellerisches Aufhebens gemacht (Ausnahme siehe Seite 2).

Das Spottkreuz vom Aventin

Das Kreuz wurde erst langsam zum Identifikationssymbol der Christen. Monika Leisch-Kiesl, Professorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik am Institut für Geschichte und Theorie der Kunst der Katholischen Privatuniversität Linz erinnert daran, dass die erste Kreuzesdarstellung eigentlich eine Karikatur war: „Das Spottkruzifix vom Hügel Aventin in Rom stammt aus dem dritten Jahrhundert und von Gegnern der jungen Religion. Es zeigt einen Gekreuzigten mit Eselskopf; ein Graffiti quasi, das sich darüber lustig gemacht hat, was die Christen da so zu meinen glaubten.“

Nach dem Offiziellwerden des Christentums infolge des konstantinischen Edikts 321 sei es der jungen Kirche wichtig gewesen zu zeigen, dass sie der Sieger sei, so Leisch-Kiesl. „Es wurde kein leidender Christus gezeigt. Er schaut mit offenen Augen vom Kreuz.“

Hinwendung zum Leiden

Eine der frühesten Darstellungen des leidenden Christus’ findet sich mit dem Gerokreuz aus 970 im Kölner Dom. „Christus’ Leib sackt herab, der Kopf ist geneigt, die Augen sind geschlossen“, sagt die Kunsthistorikerin Monika Leisch-Kiesl. Um diese Zeit sehe man eine Hinwendung zur Leidensfähigkeit, Orden wie die Zisterzienser, später die Franziskaner, versuchen wegzukommen von der Herrscherkirche. „Christus als Leidenden zu zeigen, die Idee, mit Christus mitzuleiden und dadurch ihm nahe zu sein, war eigentlich eine Hinwendung zur Laienfrömmigkeit.“ Wunden, Schmerz und Leid als Weg zur Erlösung endeten in der Verherrlichung des Leids. „Das hat wirklich schlimme Formen angenommen“, sagt die Kunstwissenschafterin.

Jedenfalls wurde das Lateinische Kreuz spätestens im Hochmittelalter zum zentralen Bild in der Ausstattung der Sakralräume. „Bis zum Barock, wo die Himmelfahrt immer wichtiger wurde“, so Leisch-Kiesl. Der Fisch, Zeichen der Urkirchen-Gemeinde, und das Christusmonogramm XP spielten nur noch Nebenrollen in der Symbolik.

Tat sich die Kunst insgesamt schwer, die Auferstehung darzustellen? Leisch-Kiesl: „Ja, denn die Auferstehung ist ja per se schwer vorstellbar. In den biblischen Texten wird nichts beschrieben. Interessant ist, dass die Frauen die Auferstehung verkünden und vielleicht hat sich dieses Bild schwerer durchgesetzt, weil eben die ersten Apostolinnen Frauen waren.“

Die meisten Auferstehungsbilder seien Begegnungsbilder: die Frauen vor dem leeren Grab mit dem Engel oder die Emmaus-Geschichte, am bekanntesten dargestellt von Rembrandt. „Um nicht eine normale Wirtshausszene zu zeigen, behilft er sich mit Licht.“

Auch Bilder der abstrakten Kunst ließen sich als Visualisierung einer Auferstehung interpretieren. Leisch-Kiesl nennt als Beispiel James Turells (*1943, USA) Lichträume, in denen es um die Erfahrung einer anderen Dimension gehe. „Jedenfalls sollten alle Menschen, auf die Kunst zugehen, um zu schauen, was sie in einer Weise berührt, wo man sagen möchte: ,Jetzt bin ich in einer anderen Welt‘ – im positiven Sinne.“

Ostern – eine Erinnerung des geheilten Lebens

Franz Gruber: „Ostern ist das christliche Glaubensfest, dass der Tod nicht die letzte Wahrheit von allem ist.“

Kann man in Zeiten wie diesen Ostern feiern? In Zeiten der Krisen, der Unsicherheit, der kriegerischen Gewalt? Ist nicht die Welt vielmehr ein ewiger Karfreitag, der die nackte Realität des Daseins aufzeigt: seine Zerbrechlichkeit, Vergänglichkeit, Sterblichkeit? Im Kern der säkularen Moderne nistet eine trostlose Erkenntnis: Weder die Natur noch die Menschheit haben den Schlüssel zum unverbrüchlichen Glück, keine Technik, kein Medikament heilt das Verlorene und Ungesühnte. Für den Philosophen Jürgen Habermas ist darum unsere Vernunft trostlos, mit der eine säkulare Kultur sich bescheiden muss. Das ist kaum mehr, als schon der Held des ersten großen Epos der Menschheitsgeschichte erkannt hatte: Gilgamesch, erschüttert vom Tod seines Freundes Enkidu, sucht das Kraut ewigen Lebens – und scheitert am Ende. Was für den Menschen bleibt – und das ist viel –, ist die Sorge um die Verbesserung seines Lebens, Stück für Stück, Jahrhundert um Jahrhundert, zu jeder Zeit. Aber wird diese Selbstbescheidung der Natur des Menschen gerecht?

Nur eine einzige kulturelle Institution verweigert sich dieser Herrschaft des Weltwissens: die Religion. Sie hatte es leicht in den Zeiten, als die Menschheit noch im Mythos lebte, alle Welt sei durchdrungen vom Göttlichen. Nach Max Scheler verfügen Religionen über eine eigene Form des Wissens: das Heilswissen. Um dieses Heilswissen ist es heute schlecht bestellt. Es wird zermahlen zwischen den Steinen einer radikalen Säkularität und der Verweigerung zur Aufklärung. Dennoch brauchen wir das Heilswissen des religiösen Glaubens nötiger denn je. Allein ein Wissen um das Göttliche öffnet die Geschlossenheit von Säkularismus und Naturalismus. Der kritische Verstand mag Religion als Illusion verachten und die Gläubigen mögen das Wort „Gott“ aufs Schändlichste missbrauchen, dennoch wird der Mensch Gott nicht los. Es macht seine Vernunft aus, mit diesem Wort zu existieren. Es macht sein Herz aus, auf ihn zu hoffen.

Ostern ist das christliche Glaubensfest, dass der Tod nicht die letzte Wahrheit von allem ist. J. Robert Oppenheimer erinnerte sich 1965 in einem NBC-Interview an seinen ersten Atombombentest in Los Alamos auf dem Testgelände „Trinity“ mit einem Zitat aus der Bhagavad Gita: „Jetzt bin ich zum Tod geworden, dem Zerstörer von Welten.“ Als vor langer Zeit ein gewisser Jesus von Nazaret auf Erden wandelte und durch menschliche Gewalt zu Tode gebracht wurde, erinnerten sich die Menschen an ihn mit den Worten: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Johannes 10,25). Wieder sind wir in einer Wendezeit, die eine Entscheidung verlangt: Wollen wir das Leben aus der Perspektive der Zerstörung, des Todes, oder aus der Perspektive des Guten und Unvergänglichen verstehen? Dann müssen wir unserer Jugend mehr hinterlassen als eine Welt am Abgrund. Wir müssen ihr wieder glaubhaft ein Heilswissen geben, dass der Mensch mehr ist als ein Stück komplexe Materie und die Natur mehr als bloßer Rohstoff unseres Glücksstrebens. Erst wenn wir Dasein und Natur wieder als Echo des Heiligen hören lernen, wird das unverzichtbare Weltwissen von einem ebenso „not-wendigen“ Wissen vom Heil-Werden des Menschen begleitet. Ostern ist ein solches Echo, woraufhin wir hören sollten.

Franz Gruber ist Professor für Systematische Theologie an der KU Linz. 

 

*) Ein Glasbild als Auferstehungsfenster

In der Pfarrkirche Linz-St. Konrad befindet sich das zwei mal fünf Meter große Glasbild „Auferstehung und Erlösung“. Geschaffen hat es die Malerin, Bildhauerin und freischaffende Künstlerin Maria Moser aus Frankenburg 2005.

„Das Motto der Kirchenneugestaltung damals lautete: freundlicher, heller und kommunikativer“, erinnert sich Moser, „weshalb ich von Anfang an die Idee zu einem Auferstehungsfenster hatte.“ Darauf zu sehen sei eine angedeutete Figur, die nach oben strebt. „Der Mensch kommt aus tiefen Schichten, aus dem Urmeer, aus dem Blau. Rot bedeutet für mich das Leben.“ Jeder Mensch strebe nach dem Licht, nach etwas Höherem „und wird manchmal auch nach oben gezogen, im besten Fall wird man gehoben – bis in die höchste Ebene, zu Gott“.

30.3.2024/HE