Mit Platon fragen: "Was ist jenseits des Seins?" Gastvortrag von Alfred Dunshirn.

Im Rahmen seiner Vorlesung "Metaphysik und Philosophische Theologie" konnte Professor Michael Hofer am 13. März 2024 Privatdozent Alfred Dunshirn (Universität Wien) zu einem Abendvortrag begrüßen. Unter dem Titel "Was ist jenseits des Seins? Zu den Gleichnissen in Platons Politeia und der Rede vom 'überseienden' Göttlichen in der neuplatonischen Tradition" wurde eine wirkmächtige Traditionslinie im abendländischen Denken perspektivenreich und anregend vorgestellt.

Im Zentrum standen die drei berühmten Gleichnisse, die sich in Platons Dialog "Politeia" in der Mitte dieses umfangreichen Werkes finden: das Sonnengleichnis, das Liniengleichnis und das Höhlengleichnis. Die übliche Übersetzung des Titels Politeia lautet "Der Staat". Unter dem Hinweis, dass "Politeia" auch mit "Verfassung" übersetzt werden könne, machte Alfred Dunshirn auf die grundlegende Absicht dieses Werkes aufmerksam. Es geht um die Verfassung der Seele, die – der besseren Nachvollziehbarkeit halber – im Großen der Verfassung des Staates sichtbar gemacht werden solle. In detaillierten Analysen der drei Gleichnisse arbeitete er deren Zusammenhang und ihre jeweilige Aussageabsicht präzise und nachvollziehbar heraus.

Mit der Wendung "Jenseits des Seins" wird im Sonnengleichnis der systematische Stellenwert der Idee des Guten angesprochen. Diese Idee des Guten sei so wie die Ideen jenseits des sinnlich Wahrnehmbaren. Zugleich ist diese Idee aber auch noch jenseits der anderen Ideen, sodass mit ihr der Grund des Seins und des Erkennens gegeben sei. Damit ist eine radikale Transzendenz artikuliert. Zugleich wird im folgenden Liniengleichnis die Analogiefreudigkeit des Platonismus zum Ausdruck gebracht: Es gibt Ähnlichkeiten und Entsprechungen, sodass ein Aufstieg vom Sinnlichen zu den Ideen denkbar und möglich ist. Im Höhlengleichnis wird diese Möglichkeit des Aufstiegs als Bildungsweg von uns Menschen vor Augen geführt.

In der zweiten Hälfte des Vortrags verfolgte er die Aufnahme dieses Gedankens der radikalen Transzendenz, wie sie sich im Neuplatonismus bei Plotin (3 Jh. n. Chr.) und Dionysius Areopagita (ca. 500 n. Chr.) findet.

Besonders anregend und bereichernd waren die Erläuterungen griechischer Begriffe und Wörter. Mit stupender Kenntnis und mit Witz verstand es der Vortragende, Perspektiven zu eröffnen und viel Anregendes zur Verfügung zu stellen. Der Vortrag fand im Rahmen der Vorlesung "Metaphysik und Philosophische Theologie" von Professor Michael Hofer statt.

Alfred Dunshirn ist promovierter Altphilologe und habilitierte sich in Philosophie mit der Arbeit "Logos bei Platon als Spiel und Ereignis" (Würzburg 2010). Er ist als Dozent an der Universität Wien tätig.

Zuletzt erschienen: Aristoteles. Wegbereiter der Metaphysik (Philosophie für unterwegs 4), Halle a. d. Saale 2020; Clara Bienert, Ist alles gut? Ein enzyklopädischer Dialog über gymnasiales Wissen, Hohenems 2022.

 

 

 

 

 

15.3.2024/RK