Die KU Linz trauert um em. Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Reisinger CanReg.

Ferdinand Reisinger, Augustiner Chorherr des Stiftes St. Florian, Pfarrer von Hargelsberg, emeritierter Universitätsprofessor für Christliche Gesellschaftslehre an der Katholischen Privat-Universität Linz, ist am 21. Februar 2024 im 78. Lebensjahr verstorben. Ein Nachruf von Rektor Christoph Niemand.

Liebe KU-Community,
geschätzte Freundinnen und Freunde der Katholischen Privat-Universität Linz,

ich bin traurig mitteilen zu müssen, dass Professor emeritus Ferdinand Reisinger am 21. Februar 2024 im 78. Lebensjahr gestorben ist. Die Parte, die seine Mitbrüder im Chorherrenstift St. Florian verfassten, ist wohl nicht nur für mich, sondern für viele, die ihn näher kannten, bewegend.

Parte Ferdinand Reisinger

Ich will der Parte nur wenige eigene Worte hinzufügen. Zuvor lasse ich lieber Ferdinand selber sprechen: Nachdem er zum Ende des Studienjahres 2010/2011 als Professor für Christliche Gesellschaftslehre und Pastoralsoziologie der damaligen Katholisch-Theologischen Privatuniversität (KTU) Linz emeritiert wurde, übernahm er im Herbst 2011 den Dienst als Pfarrer in der Florianer Stiftspfarre Hargelsberg. Damals stellte er sich seiner Gemeinde mit Worten vor, die hier ungekürzt wiedergeben sein sollen:

… Mit 65 Jahren bin ich – auf Wunsch des hwst. Herrn Propstes von St. Florian – jetzt Pfarrer in Hargelsberg, und damit ganz im seelsorglichen Dienst gelandet.

1946 kam ich in Mauthausen zur Welt ... Es war damals keine ganz leichte Zeit, für meine Eltern und die beiden Schwestern und mich; und das Herkommen aus diesem Ort bedeutete immer eine Hypothek ... Aber ich war in einem katholischen Milieu gut beheimatet; Ministrant war ich seit der zweiten Klasse.

Nach dem Gymnasium bei den Jesuiten (Linz/Freinberg) war für mich das Stift St. Florian (und seine Aufgaben in der Seelsorge) so attraktiv, dass ich 1964 gern um Aufnahme bat. Und so kam ich nach dem Noviziat zum Studium der Philosophie und Theologie nach Salzburg. Nach der Priesterweihe 1970 durfte ich länger an der Uni bleiben, – nicht, weil die Stadt so schön ist, sondern weil mich die Wissenschaft in Beschlag genommen hat. Ich durfte 1976 das Doktorat machen und dann eine universitäre Laufbahn einschlagen: Zunächst als Assistent in Salzburg, ab 1983 als Professor für Christliche Gesellschaftslehre und Pastoralsoziologie am Institut für Pastoraltheologie an der jetzigen Katholischen Privat-Universität in Linz. In den folgenden Monaten wurde ich an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz noch weiter in die Pflicht genommen.

Die Fragen der Seelsorge waren mir immer wichtig, in der Praxis genauso wie in der Theorie. Ich habe in den Salzburger Jahren (an den Wochenenden) in der Pfarre Attnang lernen dürfen, was ein Kaplan zu leisten hat; danach durfte ich über elf Jahre in der Pfarre Linz-Kleinmünchen helfender Seelsorger sein.

1986 wählten mich die Mitbrüder des Stiftes (für sechs Jahre) zum Stiftsdechant von St. Florian; das wiederholte sich dann noch dreimal. In dieser Funktion galt es, die brüderliche Gemeinschaft im Stift zu integrieren und zu motivieren. Aber an jedem Wochenende war eine Aushilfe in einer unserer 33 Pfarreien angefragt. In den letzten Jahren, als Propst Johann Holzinger auch die Aufgabe des Pfarrers von Hargelsberg innehatte, durfte ich ihn da immer wieder vertreten, wenn er andere Verpflichtungen wahrnehmen musste.

Das Jahr 2011 brachte für mich viele Veränderungen: Mit meinem 65. Geburtstag wurde ich von der Professur an der Uni entpflichtet, im selben Jahr auch vom Amt des Stiftsdechants. Als mich Propst Johannes fragte, ob ich jetzt noch eine Pfarre übernehmen möchte, und als er mir dafür Hargelsberg anbot, sagte ich von Herzen gern "ja". (Meine 99jährige Mutter kommentierte es so: "Endlich bist du Pfarrer"). Ich werde – bis auf weiteres – im Stift in St. Florian wohnen, und dort auch so manche Verpflichtung weiterverfolgen, die sich aus meinen wissenschaftlichen Interessen ergeben (Ordensspiritualität; "Die Kirche und die Welt der Wirtschaft und der Politik"). Und da mir die Kunst, insbesondere die Kunst unserer Zeit, immer ein wichtiges Anliegen war, möchte ich jetzt auch dafür Zeit zur Verfügung haben. Und nebenbei bleibt mir auch ein geistlicher Dienst als Landesfeuerwehrkurat für OÖ. Im Grund der Seele ging es mir in allem immer um Seelsorge: um das "Dasein und Begleiten" der Leute, - nicht nur einer bestimmten Schicht, sondern möglichst aller sozialen Gruppen und Parteien, in allen Altersschichten und in jeder Weltanschauung.

Wie lang die Kräfte reichen, um Seelsorge im (traditionellerweise) umfassenden Sinn leisten zu können, weiß allein der liebe Gott. Ich hoffe und vertraue sehr auf die (bewährte) Mitarbeit von möglichst vielen gutgesinnten Frauen und Männern (und Jugendlichen !!!): von Gläubigen und Glauben-Suchenden, von Leistungsstarken, aber auch von Kranken und Schwachen, die nur noch das mittragende Gebet zum Pfarrleben beisteuern können.

Mitsammen sind wir die eine Kirche Jesu Christi: inmitten der Gemeinde Hargelsberg, und zugleich als Teil einer umfassenden Kirche. Wenn uns der (sonntägliche) Gottesdienst, das Gebet und der (bisweilen sehr eigen-artige, persönliche) Glaube zusammenhalten, sind wir ein Zeichen für den Heilswillen unseres Gottes, und dafür, dass wir alle als Beschenkte und als Dienerinnen und Diener des Reiches Gottes getrost in die Zukunft schauen dürfen ...

Ferdinand Reisinger war in den Jahren seiner Professur in unserem Haus ein intensiv wahrnehmbarer Lehrender, der auch nicht wenig publizierte. Bleibende Spuren hat er vor allem mit der Arbeitsgruppe "Wirtschaft – Ethik – Gesellschaft" hinterlassen, die auch typisch ist für die Art seiner Lehr- und Forschungstätigkeit: Er war stets am Austausch mit anderen Disziplinen, innerhalb wie außerhalb der Theologie, interessiert, interpretierte sein Fach, die Christliche Gesellschaftslehre, immer als Dialog auch über die Wissenschaft hinaus, mit der kirchlichen Verbandsarbeit, mit der Gesellschaft und nicht zuletzt mit der Wirtschaft. Geprägt war sein Denken neben dem christlichen Glauben von einer intensiven Auseinandersetzung mit Karl Marx und dem marxistischen Denken. Daran faszinierten ihn freilich weniger die Details der ökonomischen Analyse, sondern der intellektuelle Zugang zu einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft und wie in dieser Gesellschaft die Frage nach Gott zu stellen sei.

In seiner regen Publikationstätigkeit widmete er sich mit der Zeit zunehmend auch der Kunst und deren Umgang mit den gesellschaftlichen Herausforderungen. Immer schon war er ein kunstaffiner Intellektueller gewesen, im Lauf der Zeit wurde er aber auch Kunstsammler, Begleiter und Freund nicht weniger Künstler und deren Familien und betätigte sich auch selbst als Maler und Gestalter. Dazu Monika Leisch-Kiesl: "Wenn ich an Ferdinand Reisinger denke, denke ich unversehens an Hans Fronius, dessen expressive Formensprache ihn beeindruckt und berührt, dessen Schaffen er begleitet und dessen Oeuvre schließlich in die Stiftssammlung Eingang gefunden hat. An einem Ort wie dem Stift St. Florian, das mit seinem Reichtum an Kunstschätzen kaum zu übertreffen ist, ist dies ein deutliches Signal für Ferdinands Überzeugung von der je neuen Zeitgenossenschaft der Kunst."

Ich selbst werde Ferdinand als freundlichen und geselligen Kollegen in Erinnerung behalten: Ob im kurzen Small-Talk im Stiegenhaus, beim fachlichen und theologischen Austausch oder in jenen paar kostbaren Momenten, wo unser Gespräch die tiefe Ebene persönlicher Überzeugungen und Fraglichkeiten berührte: Ferdinand Reisinger war ein gestandener Mann und Priester, manchmal brillant-witzig, manchmal … wie soll ich sagen? … ein wenig unverständlich. Nicht selten hatte er mit den Dämonen der Melancholie zu ringen. Aber auch dann war er Priester (das hieß für ihn: Christus-Zeuge) und Chorherr (das hieß für ihn: dazu bestellt, Gott zu loben und zu bitten). Und immer war er hilfsbereit und nahm sich gern Zeit für kleine Dienste, und sei es nur, um noch zwei Last-Minute-Karten für eine Bruckner-Symphonie in der Stiftsbasilika herbeizuzaubern. Er wird vielen Menschen fehlen! RIP

Christoph Niemand, Rektor

 

Der Verstorbene wird am Donnerstag, dem 29. Februar 2024 um 17:30 Uhr beim Einsertor des Stifts St. Florian empfangen und in die Basilika geleitet, wo anschließend die Totenandacht stattfindet. Das Requiem wird am Freitag, 1. März 2024 um 10:00 Uhr in der Stiftsbasilika St. Florian gefeiert. Anschließend wird er am Priesterfriedhof beigesetzt.

23.2.2024/HE