Antrittsvorlesung Klara-Antonia Csiszar: Plädoyer für einen neuen Humanismus.

In ihrer Antrittsvorlesung "aufatmen. wachsen lassen. gutes leben" am 25. Mai 2022 an der Katholischen Privat-Universität Linz entwarf Professorin Klara-Antonia Csiszar ein neues Verständnis von Pastoraltheologie, in dem die ganzheitliche Entwicklung des Menschen im Mittelpunkt steht. Sie machte deutlich, dass eine menschenzentrierte Pastoral nicht nur das Potenzial eines neuen Humanismus in sich trage, sondern auch Selbstverständnis und Wesen der Institution Kirche neu denken lasse.

Nicht selbstverständlich sei es, so eröffnete Rektor Christoph Niemand den Abend, dass man eine Antrittsvorlesung – nach über zwei Jahren Pandemie, nun unter dem Eindruck eines Krieges in Europa – feierlich begehen könne. Nachdem Klara-Antonia Csiszar bereits seit Oktober 2019 Professorin für Pastoraltheologie an der KU Linz sei, zeige sich nicht zuletzt am versammelten Publikum ihr Angekommen-Sein, ihre bereits erfolgte Verwurzelung an der Universität wie in der Diözese Linz. Rektor Niemand begrüßte Familie, Freund:innen und Wegbegleiter:innen Klara Csiszars sowie zahlreiche Ehrengäste aus sechs Nationen, darunter Diözesanbischof Manfred Scheuer, Professor emeritus Paul Zulehner (Universität Wien), Dekan János Vik (Cluj, Rumänien), Professor András Máté-Tóth (Szeged, Ungarn) und Bischof Ladislav Nemet (Zrenjanin, Serbien).

Pastoraltheologie mit Weite

Paul Zulehner hob in seiner einleitenden Vorstellung die reichen Erfahrungen Klara-Antonia Csiszars in der pastoralen Praxis wie in der Wissenschaft hervor und ging auf ihr vom logotherapeutischen Ansatz Viktor Frankls geprägtes Verständnis von Pastoral ein. Ganz besonders betonte er aber auch, dass Csiszar, Anfang der 1980er Jahre in Rumänien geboren, eine "Zeitzeugin für die tiefgreifende Transformation Europas, aber auch der Kirche in postkommunistischer Zeit" sei – und sich an ihrem Werdegang, ihrem Engagement als "Europäerin" und ihrer internationalen Präsenz zeige, dass katholisch universell sein und Weite atmen könne.

aufatmen. wachsen lassen. gutes leben

"There is always hope!" Bezugnehmend auf "Girl with Balloon", das berühmte Werke Banksys, eröffnete Klara-Antonia Csiszar ihre Antrittsvorlesung, in deren Titel die durchgängige Kleinschreibung eines verdeutlichen sollte: Dass in der Pastoraltheologie genauso wie in der Entwicklung der Kirche Dinge nicht erzwungen werden können, sondern sich als Ertrag guter Arbeit einstellen – und geschenkt werden. Wie aber können Menschen in der Pastoral zu aufatmen und wachsen, zu einem guten Leben ermächtigt und bei diesem Prozess begleitet werden?

In einem ersten pastoralanthropologischen Schritt zeigte Csiszar auf, welche Bedeutung das Menschenbild in der kirchlichen Praxis einnimmt. Was wir vom Menschen denken, prägt unsere Praxis. "Mensch-Sein heißt immer, auch anders werden können." Mit diesem Zitat des Philosophen und Psychiaters Viktor Frankl beschrieb Klara Csiszar eingangs eine prozesshafte Entwicklung des Menschen: Die geistige Fähigkeit, in der die menschliche Freiheit gründet, sei die "Möglichkeit und Voraussetzung des Wachsen-Könnens". Die Pastoral müsse die Potenziale der Entfaltung erkennen und unterstützen, nur so können Menschen zu einem wohlwollenden und konstruktiven Leben ermutigt werden. Menschen seien "welt- und gottoffene Wesen, in ihrer Geistigkeit liebesfähig, leistungsfähig und leidensfähig", so Csiszar.

Kirche als Missio Dei. In einem zweiten Schritt zeichnete Csiszar als ein neues Bild und Selbstverständnis von Kirche. Nicht die Kirche habe eine Mission, sondern vielmehr habe, mit Steven Bevans, die Mission eine Kirche: Die Leidenschaft Gottes, die Missio Dei sei das Wozu der Kirche. Papst Franziskus habe dafür immer wieder starke Bilder gefunden: Er wolle eine "verbeulte", eine "schmutzige Kirche", die "auf die Straße" geht, keine, die sich auf sich selbst zurückzieht und um sich kreist. Denn eine solche Kirche werde krank, weil sie ihren Daseinsgrund vergesse: das Bemühen um gelingendes, gutes Leben. Jesus selbst könne Vorbild für eine Praxis sein, durch die Menschen Mut zum Leben fassen und aufatmen, weil sie erkennen, dass Gott selbst in ihrem Menschsein am Werk ist.

Praxis neu denken. Im dritten Teil verdeutlichte Csiszar, wie sich vor diesem Hintergrund kirchliche Praxis neu denken und gestalten ließe. Mit ihrem Lehrer Paul Zulehner plädierte sie für einen neuen pastoralen Handlungsstil, für Akzentverlagerungen hin zu heilen und begleiten, zu hereinholen und integrieren, zu Heilsoptimismus und Freude am Gelingen. Der erste Schritt auf dem Weg des Wachsens sei das Aufatmen, und das wiederum bilde die Voraussetzung für ein gutes Leben, ein Leben in Frieden mit sich selbst und mit seiner Umwelt. Spirituell gereifte Persönlichkeiten lassen auch in der Bewältigung von individuellen und gesellschaftlichen Krisen ein "Über-sich-Hinausdenken" erkennen, das auf ein gutes Miteinander, ausgerichtet sei. Damit könne das Wirken der Kirche auch als Beitrag zu einem neuen Humanismus sichtbar werden.

Vorschau. Die Antrittsvorlesung von Klara-Antonia Csiszar wird im Oktober 2022 als Beitrag in Heft 4/2022 der Theologisch-praktischen Quartalschrift (ThPQ) erscheinen.

Klara-Antonia Csiszar, seit 1. Oktober 2019 Professorin für Pastoraltheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz, studierte Katholische Theologie, Germanistik und Pastoralpsychologie in Cluj Napoca (Rumänien) und in Wien. Von 2005 bis 2010 leitete sie das Jugendbüro in der Diözese Satu Mare in Rumänien, war Referentin, später Leiterin des diözesanen Pastoralbüros und Religionspädagogin. 2015 Habilitation im Fach Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Zwischen 2014 und 2019 war Klara-Antonia Csiszar wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Weltkirche und Mission an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt a.M.. Csiszar ist Direktorin der Doktoratsschule Religion, Kultur, Gesellschaft der Babes-Bolyai Universität in Cluj Napoca sowie die Stellvertretende Obfrau des Pastoralen Forums in Wien. Sie ist in zahlreichen Gremien vertreten und ist u.a. theologische Beraterin des CCEE Vizepräsidenten, Bischof Ladislav Nemet SVD, in Zrenjanin, Serbien.

30.5.2022/RK/HE