Christenverfolgung nimmt weltweit zu. Christian Spieß zum Red Wednesday.

Das internationale katholische Hilfswerk "Kirche in Not" macht mit dem "Red Wednesday" auf das Schicksal von Millionen verfolgten und unterdrückten Christen auf der ganzen Welt aufmerksam. Als Zeichen der Solidarität werden heuer von 16.11. bis 20.11.2022 in vielen Ländern wieder zahlreiche berühmte Kathedralen, Kirchen, Klöster, Monumente und öffentliche Gebäude rot angestrahlt, so auch in Oberösterreich. Valentin Bayer von den Oberösterreichischen Nachrichten hat Christian Spieß, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der KU Linz, zum Thema Christenverfolgung interviewt.

LINZ. Zahlreiche sakrale Gebäude in der ganzen Welt erstrahlen ab heute in Rot: Als Zeichen gegen die Christenverfolgung hat die Hilfsorganisation „Kirche in Not“ auch heuer wieder den „Red Wednesday“ ausgerufen. Auch in Oberösterreich solidarisieren sich zahlreiche Kirchen und Klöster durch die Aktion mit Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt und unterdrückt werden.

Nach wie vor sind Christen die größte verfolgte Religionsgruppe der Welt. „Ich glaube, hierzulande ist das wenigen bewusst. Experten gehen davon aus, dass rund 80 Prozent der wegen ihrer Religion Verfolgten Christen sind“, sagt Christian Spieß, Institutsleiter und Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholischen Privat-Universität Linz.

Die Verfolgung nehme global sowohl in der Verbreitung als auch in der Drastik der Repressalien zu – vor allem in Westafrika und südlich der Sahara. Aber auch in nordafrikanische Staaten wie Ägypten, wo vor allem Kopten mit Gewalt und Ausgrenzung zu kämpfen haben, sowie über die Arabische Halbinsel bis nach Myanmar sind Christen eine verfolgte Minderheit.

Staatliche Sanktionen

in einigen Regionen geht die Unterdrückung vom Staat aus. „Auf der arabischen Halbinsel wird mit horrenden Strafen gegen Konvertiten vorgegangen. In China kann schon der Besitz einer Bibel strafbar sein“, sagt Spieß. In anderen Regionen – etwa Ägypten – kommt die Gewalt aus der Gesellschaft. „Dort geschieht die Verfolgung sozusagen unter der Duldung des Staates. Die Autoritäten gehen bei Anschlägen auf Kirchen nicht oder kaum gegen die Verantwortlichen vor“, erklärt der Professor.

Nicht immer richte sich die Gewalt explizit gegen römisch-katholische Christen. Seit dem Antritt der hindunationalistischen Regierung in Indien kommt es vor allem zu Ausschreitungen gegen Muslime, aber auch Christen erfahren immer mehr Repressalien“, sagt Spieß, „gerade in Afrika sind oft auf an Anhänger von Freikirchen Bewegungen betroffen“. Auch zwischen christlichen Konfessionen gebe es Konflikte. „Gerade im Lichte des Ukraine Krieges haben sich Bruchlinien zwischen den orthodoxen Kirchen untereinander und mit der katholischen Kirche aufgetan“, sagt Spieß.

Als Ursache für die Verfolgung sehe er vor allem strukturelle Probleme. „Vor allem in instabilen Regionen, wo verschiedene Interessensgruppen das Gewaltmonopol des Staates stören und die Rechtsstaatlichkeit nicht ausgeprägt ist, kommt es zu Ausschreitungen gegen religiöse Minderheiten“, sagt der KU-Professor.

Die katholische Kirche profitiere bei der Unterstützung Verfolgter von ihren Strukturen. „In vielen Gebieten bilden sich Untergrundkirchen. Diese stehen dann mit Kirchen bei uns in Kontakt und bekommen Unterstützung – die Diözese Linz ist zum Beispiel in Nigeria sehr aktiv“, sagt Spieß.

Quelle: Valentin Bayer, OÖN, 16.11.2022, Seite24

16.11.2022/HE