Werteforum mit Norbert Lammert: Demokratie ist nicht selbstverständlich.

Der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, referierte am 9. September 2021 auf Einladung der Stiftung Pro Oriente und der Oberbank zum Thema "Zwischen Mehrheiten und Minderheiten – Errungenschaften und Gefährdungen der Demokratie". Unter der Moderation von Christine Haiden diskutierte er anschließend mit Bischof Manfred Scheuer und Professorin Klara Csiszar.

Bundestagspräsident a.D. Prof. Dr. Norbert Lammert analysierte den derzeitigen Wandel demokratischer Gesellschaften und plädierte für ein tatkräftiges politisches Engagement, um die attestierte Erosion der Demokratien zu stoppen. Vor allem die moderne Informationstechnologie – Informationen können zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gleichzeitig weltweit abgerufen werden – und die modernen Kommunikationsmedien stellen für den demokratischen Prozess eine immense Herausforderung dar. Nicht mehr das Ringen um Meinungsbildung stehe im Mittel des Geschehens, sondern die digitale Reichweite von nicht überprüften Meinungen, so Lammert. Demokratie bedeute aber, ein stetiges Diskutieren und Streiten über verschiedene Ansichten und Positionen mit der gemeinsamen Achtung von Regeln. Mehrheiten und Minderheiten stellen in einer modernen Demokratie zwei wesentliche Größen dar, die verdeutlichen, dass die Einhaltung von Grundrechten die Basis für eine echtes demokratischen Leben darstellen. Am Ende seiner Ausführungen erinnerte Lammert daran, dass die Anzahl echter Demokratien in den letzten dreißig Jahren weltweit gesunken sei, auch in Europa.

In der anschließenden Diskussion mit Diözesanbischof Manfred Scheuer und Klara-Antonia Csiszar, Professorin für Pastoraltheologie an der KU Linz, wurde auf die Wichtigkeit der Achtung von Minderheitenrechten durch etwaige Mehrheiten hingewiesen. Eine Tatsache, welche vor allem im christlichen Verständnis des gesellschaftlichen Miteinanders fuße, so Scheuer. Auch wenn in einer Demokratie Mehrheiten entscheiden, sind die Rechte der Minderheiten keine Frage von Mehrheitsentscheidungen. Sowohl Lammert als auch für die aus Rumänien stammende Ungarin Csiszar stellen Österreich ein gutes Zeugnis für den Umgang mit Minderheiten aus.

13.9.2021/Florian Wegscheider/HE