Heft 1/2015: Kommen Tiere in den Himmel?

Über einen Zeitraum von mehreren Jahrtausenden finden sich in den künstlerischen Hinterlassenschaften prähistorischer Kulturen wesentlich mehr Tier- als Menschendarstellungen. Die Fels- und Höhlenmalereien zeigen ein nur ansatzweise deutbares, jedenfalls magisches Verhältnis des Menschen zum Tier, in der Tiere im Rang von erhabenen Idolen auftauchen, wohl auch weil der Mensch nicht nur Jäger, sondern auch der Gejagte war. In den frühen Hochkulturen werden Tiere oder Mischwesen von Tier und Mensch sogar zu Gottheiten. In den künstlerischen Darstellungen spiegelt sich, dass das Verhältnis des Menschen zum Tier eingebettet war in ein religiöses System und über die Nutzung von Tieren im Arbeitsprozess, die Indienstnahme als Haustier oder die Verwendung als Nahrungslieferant weit hinausging.

Mit der Definition des Menschen als „Krone der Schöpfung“ ändert sich auch der künstlerische Blick auf das Tier, das zunehmend zum attributiven Symbolträger, und verdinglichten Beiwerk künstlerischer Gestaltung wird. Die anthropozentrische Perspektive bleibt, auch wenn die Tierwelt spätestens seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder als Gegenentwurf zu einer von Kriegen, Gewalt und Technologie-Abhängigkeit bestimmten Menschenwelt auftaucht. Die Kunst der sechziger Jahre schafft mit der Integration von lebenden Tieren in künstlerische Werke auch eine grundsätzlich neue Perspektive. Das Tier wird zum produktiven Gegenüber des Menschen und zum bewusstseinserweiternden Anderen einer allzu sehr von menschlicher Ratio und ökonomiegesteuerten Interessen bestimmten Zivilisation.

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